Im Retro-Look der 50er Jahre fährt Didier Cuche seinen letzten Hang im Ski-Weltcup und wird von den österreichischen Zuschauern in Schladming und seinen Konkurrenten herzlich gefeiert. Eine grosse Schweizer Sportlerkarriere ging damit am Samstag zu Ende.
Es gab kein Entrinnen. Widerstand zwecklos. Wer 18 Jahre lang den Ski-Weltcup begleitet und belebt hat, der kann sich nicht einfach so durch die Hintertür verabschieden. Didier Cuche wusste also ganz genau, was von ihm erwartet wurde. Rund um ihn stimmten die Tausenden Fans im Stadion von Schladming bereits lautstark die Ouvertüre an, die Trainer und Wegbegleiter, die ihm im Ziel-Auslauf mit einer Sektdusche einen feuchtfröhlichen Empfang bereitet hatten, machten vorsorglich Platz.
Sie alle wollten nur das eine, alles wartete sehnsüchtig auf diesen einen Moment, in dem Didier Cuche ein letztes Mal so richtig abschnallte. Das ist sein Ritual, das ist sein Markenzeichen, kein anderer Skiläufer der Welt kann so lässig und leidenschaftlich den rechten Ski durch die Luft wirbeln lassen wie der 37-jährige Westschweizer.
Stilsicher auf Holzskiern
Ski-Salto heisst die offizielle Bezeichnung für Cuches spektakuläre Abschnall-Technik. Und dass der Oldie sein Handwerk in allen Facetten beherrscht, bewies er auch bei seinem letzten Auftritt im Weltcup wieder eindrucksvoll. Selbst der antiquierte Holzski aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, mit dem der 37-Jährige seine allerletzte Fahrt in Schladming in Angriff genommen hatte, wirbelte zielsicher vom Fuß in die rechte Hand. Zur Begeisterung der österreichischen Fans, die den Schweizer feierten wie einen der Ihren.
Während seiner Abschiedsfahrt spielte die Band im Zielraum das Cuche-Lied «Didier, Didier, es war so wunderschön», und die Trainer, Funktionäre und Läufer-Kollegen, sie alle trugen als Tribut an den ältesten Sieger, den der Ski-Weltcup je hervor gebracht hat, bunte «Merci-Didier»-T-Shirts.
«Das war überwältigend», bedankte sich Cuche, der für seine Finalfahrt Marke «Old Style» trotz mehrerer Zwischenstopps lediglich 3:15 Minuten benötigte und mit dem alten Material auf der pickelharten Piste nur einen Ausrutscher fabrizierte. «Unglaublich wie anstrengend es mit diesen Skiern ist», sagte Cuche schmunzelnd.
Der Kaiser von Kitz
Mit dem Schweizer verlässt einer der grössten Entertainer und Stars der letzten Jahre den Skizirkus. Der gelernte Metzger war aus dem Stoff, aus dem Publikumslieblinge sind. Selbst bei den Erzrivalen in Österreich, die Schweizer Skiläufer nicht immer nur mit Applaus bedacht hatten, steht dieser Didier Cuche hoch im Kurs. Mister Kitzbühel wird das Energiebündel aus Le Paquier seit diesem Winter genannt, seit er seinen fünften Sieg auf der berühmten Streif feiern konnte. So oft hat noch keiner in Kitzbühel gewonnen. «Er steht jetzt eine Stufe über mir», meinte selbst der österreichische Ski-Hero Franz Klammer, der in Kitzbühel lediglich vier Siege erringen konnte, «Didier ist der Kaiser von Kitz.»
Kein Wunder also, dass dem Altmeister zuletzt noch ein unmoralisches Angebot unterbreitet worden war. Für eine weitere Saison hätte Didier Cuche eine Million Franken verdienen können. Doch ein Rücktritt vom Rücktritt kam für den 37-Jährigen nicht in Frage. «Meine Entscheidung ist getroffen», beteuerte der Schweizer ständig. Und somit geht eine grosse Karriere zu Ende und verliert die Schweiz «einen der letzten ländlichen Volkshelden alter Schule», wie der Autor Richard Reich in einem respektvoll reflektierenden Portrait für die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb.
Der perfekt Abschied
Immerhin ist ihm etwas gelungen, was anderen Sportstars vorenthalten bleibt. Er hat den Zeitpunkt für seinen Abschied perfekt gewählt: Cuche tritt nach 18 Jahren und 358 Weltcuprennen nicht als bemitleidenswerter Altstar ab, sondern als umjubelter Sieger und als respektierter Gegner. «Schade, dass so eine Persönlichkeit Schluss macht», meinte auch der österreichische Abfahrts-Weltcupgesamtsieger Klaus Kröll.
Wie beliebt Didier Cuche ist, zeigte sich auch beim Weltcupfinal in Schladming wieder. Als Verneigung an den Schweizer Oldie imitierten sämtliche Konkurrenten im Ziel Cuches berühmten Ski-Salto und liessen die Skier durch die Luft wirbeln. Allein: Dem Original konnte keiner das Wasser reichen.
Der Riesenslalom endete mit dem Sieg des Österreichers Marcel Hirscher. Der Schweizer Beat Feuz wurde 21., womit Hirscher der Triumph im Gesamtweltcup nicht mehr zu nehmen ist.