Swiss Olympic bietet Sportlerinnen und Sportlern Hilfe bei der Karriereplanung. Dazu gehört auch der Rücktritt. Karin Rauber, Bereichsleiterin Sportschulen und Karriereplanung, über die Sorgen, Nöte und Chancen von Spitzensportlern beim Übertritt in ein bürgerliches Leben.
Wer das Zeug zum Spitzensportler hat, ist in der Schweiz nicht auf sich alleine gestellt, wenn es darum geht, die Karriere voranzutreiben – und sie schliesslich wieder zu beenden. Swiss Olympic, die Dachorganisation der Schweizer Sportverbände, bietet seit 2001 mit dem Athlete Career Programme Unterstützung für alle Phasen einer Sportlerlaufbahn.
Das Programm ist auf drei Säulen aufgebaut. Junge Sportler erhalten Hilfe, um Sport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Für jene, die Arbeit neben oder nach dem Sport suchen, hat Swiss Olympic eine Partnerschaft mit dem Stellenvermittler Adecco. Und unter dem Titel «Life Skills» wird praxisnahes Wissen vermittelt. Etwa, was bei der Suche nach Sponsoren hilft – oder worauf beim Umgang mit Social Media geachtet werden sollte.
Karin Rauber ist seit 2008 als Bereichsleiterin Sportschulen und Karriereplanung bei Swiss Olympic die Ansprechpartnerin für Unterstützung suchende Athletinnen, Athleten und ihre Eltern.
Karin Rauber, welches sind die grössten Klippen, die Sportlerinnen und Sportler auf dem Weg in ein ziviles Leben meistern müssen?
(Bild: Arnautovic Izedin)
Es gibt zwei Punkte. Erstens ist es in einem Beruf schwierig, dieselbe Anerkennung zu erhalten wie im Sport. Und zwar direkte Anerkennung mit direkten Rückmeldungen. Das kann fehlen. Die Athleten müssen eine neue Karriere von Anfang an aufbauen. Und in dieser dieselbe Befriedigung zu bekommen wie im Sport, ist sicher nicht einfach. Zweitens kommen die Athleten vielleicht 30-jährig auf den Arbeitsmarkt, haben aber kaum Erfahrung und müssen sich mit Leuten messen, die zehn Jahre im Beruf arbeiten. Das erschwert den Einstieg. Dafür haben die Sportler andere Fähigkeiten erworben, die sie ins Feld führen können.
Und die wären?
Ich will das nicht verallgemeinern. Aber Disziplin, Durchhaltewille oder Fokussierung, um ein paar Eigenschaften zu nennen, müssen sicher in einem überdurchschnittlichen Mass vorhanden sein. Sonst setzen Sie sich als Sportler nicht durch.
Sie haben die fehlende Anerkennung im bürgerlichen Beruf angesprochen, die zu einem Problem werden kann. Werden die Athletinnen und Athleten von Swiss Olympic darauf vorbereitet?
Wenn sich ein Athlet bei uns meldet, wird das sicher angesprochen, um ein Bewusstsein zu schaffen. Wir sind jedoch keine Psychologen und können selber keine psychologische Beratung anbieten. Deswegen arbeiten wir eng mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie zusammen. Der Athlet hat ja sein eigenes Umfeld, vielleicht auch seinen eigenen Sportpsychologen, mit dem er seit Jahren arbeitet. Was wir aber immer betonen: Es ist wichtig, sich ein Umfeld ausserhalb des Sports zu bewahren, alte Schulfreunde zum Beispiel. Wenn ein Athlet den ganzen Freundeskreis in seinem Team hat und die Karriere dann beendet, während sie die anderen fortsetzen, kann dies eine schwierige Situation werden.
Sind auch schon Sportler zu Ihnen gekommen und haben gesagt: «Ich glaube, ich schaffe es nicht.»?
Es sind schon welche gekommen, die gesagt haben: «Ich weiss nicht, wie ich es anpacken soll.» Aber dass jemand gekommen ist, der geglaubt hat, dass er oder sie scheitern wird, habe ich noch nie erlebt. Man muss sich einfach bewusst sein: Es ist wahrscheinlich meistens nicht so, dass jemand zurücktritt und drei Monate später bereits eine Kaderstelle in einem Unternehmen hat.
Welches sind die wichtigsten Schritte, die Sportler tun sollten, um für die Karriere nach der Karriere bereit zu sein?
Wie schon gesagt, ist es ganz wichtig, dass man sein Umfeld und das eigene Netzwerk gut pflegt. Dazu gehören auch die Sponsoren. Sie können auf dem Weg in ein Leben nach dem Sport eine grosse Hilfe sein. Ausserdem sollten die Sportler rechtzeitig darüber nachdenken, was sie nach dem Rücktritt tun wollen. Natürlich soll während der Karriere der Fokus auf den Sport gerichtet sein. Aber vielleicht bietet sich ja ein Praktikum in der Zwischensaison an? Oder es ist eine Weiterbildung sinnvoll.
Sind die Schweizer Sportler im Allgemeinen gut auf den Umstieg am Ende ihrer Karriere vorbereitet?
Ja. Schon nur deswegen, weil fast alle eine Ausbildung haben. Vielleicht ist es einigen nicht sofort bewusst: Aber die meisten haben eine gute Grundlage für ein Leben nach dem Sport.
(Welche Probleme ehemalige Olympiateilnehmer beim Schritt in das Leben nach dem Spitzensport erfahren haben, lesen Sie in unserem Artikel «Das schwierige Leben danach».)
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 31.08.12