Zwei Spiele stehen zwischen dem FC Basel und dem ersten Einzug in einen Europacup-Final eines Schweizer Teams. Gut, der Gegner mag Chelsea heissen und zu den grössten Vereinen der scheinbar übermächtigen Premier League gehören. Aber davon lassen sich die Basler ihre Zuversicht nicht nehmen.
Baske müsste man sein! Basken hätten keine Probleme, die Partie des FC Basel gegen den Chelsea FC mit den richtigen Worten anzukündigen. Sie kennen in ihrer Sprache nämlich clevererweise eine Steigerung zum Superlativ: den Exzessiv. Und was anderes wäre geeigneter als ein Exzessiv, um zu beschreiben, was da gerade beim FCB abgeht? Wenn doch schon alle Superlative spätestens nach dem Triumph gegen Tottenham Hotspur im Viertelfinal der Europa League verbraucht sind.
Als wollten sie Pierre de Coubertins Motto der modernen Olympischen Spiele nacheifern, scheint es für die Basler derzeit immer höher und weiter zu gehen. Bloss ob es mit dem stärker weiterhin klappt – nach inzwischen 51 absolvierten Pflichtspielen in der laufenden Saison – ist eine der drängenderen Fragen. Sind die Kraftreserven nicht vielleicht doch einmal erschöpft? Und ab wann wird die Luft für die Basler im europäischen Wettbewerb zu dünn?
Schreckmoment im Abschlusstraining des FC Basel: Beim Einspielen prallt Valentin Stocker mit dem linken Fuss gegen einen Torpfosten – und muss zurück in die Kabine. Allerdings gibt Trainer Yakin bereits zwei Stunden später Entwarnung. Stocker ist zwar angeschlagen, aber er dürfte gegen Chelsea auflaufen. «So, wie ich Valentin kenne, wird er sich so ein Spiel nicht entgehen lassen.»
Europa League, Halbfinal-Hinspiel
FC Basel–Chelsea FC (21.05)
St.-Jakob.-Park. – 36’500 Karten abgesetzt (ausverkauft). – SR Pavel Kralovec (Tsch).
Mögliche Aufstellungen:
FCB: Sommer; P. Degen, Schär, Dragovic, Park; Frei; Elneny, Serey Die; Salah, Streller, Stocker.
Chelsea: Cech; Azpilicueta, David Luiz, Terry, Bertrand; Lampard, Ramires; Hazard, Mata, Benayoun; Torres.
Bemerkungen: Basel ohne Bobadilla (nicht spielberechtigt). Chelsea ohne Ba (nicht spielberechtigt), Marin, Ferreira und Aké (alle verletzt).
Vielleicht aber ist der heutige Jahrgang des FCB einfach etwas baskisch angehaucht. Schliesslich gelingt es den Spielern von Murat Yakin, immer in jenen Momenten noch ein bisschen besser zu werden, in denen das Gefühl aufkommt, jetzt sei eigentlich keine Steigerung mehr möglich.
«Unsere Mannschaft ist von Spiel zu Spiel gewachsen. Und das nicht nur in der Europa League», sagt Murat Yakin am Vorabend dieser Partie. Und die ist nach dem angekündigten «Spiel des Jahres» gegen Tottenham ja noch viel, viel mehr das Spiel des Jahres für den FCB. Der Basler Trainer aber spricht in einem Ton, der nun überhaupt nicht darauf schliessen lässt, dass er überrascht wäre von diesem Erfolg – oder gar aufgeregt deswegen. «Träume sind nichts für mich», sagt er, «ich bin sehr realistisch.»
So realistisch, darf festgehalten werden, dass er seinen Spielern vor dem letzten Gruppenspiel der Europa League in Genk schon einmal Bilder der Amsterdam ArenA gezeigt hat, in der das Endspiel stattfinden wird. «Wenn du die Kampagne auf dem letzten Platz der Gruppe begonnen hast, mit einer Niederlage gegen Videoton, dann willst du Spielern und Staff etwas vermitteln, eine Vision», erklärt Yakin seinen damaligen Kniff und dramatisiert die Lage nachträglich noch etwas: Der FCB war nach dem 1:2 bei Videoton Zweitletzter seiner Gruppe.
Ob Yakin im verschneiten Belgien wirklich selbst damit gerechnet hat, dass seine Spieler daran glauben würden? Daran, dass es möglich ist, sich so nahe an die erste Finalteilnahme eines Schweizer Teams im Europacup heranzuspielen?
Der «Herr Iselin» hat einen Song zum Chelsea-Spiel geschrieben.
Nun, wenn sie es damals nicht getan haben, so tun sie es spätestens seit ihrem 2:2 an der White Hart Lane gegen Tottenham. «Das muss man sich mal vorstellen», entfuhr es damals auf der Heimreise aus London Captain Marco Streller: «Wir können die Europa League gewinnen!»
Es ist nicht so, dass Yakin diesen Glauben an die eigenen Fähigkeiten ganz alleine säen, hegen und pflegen musste. Die breite Brust gehört seit der Ära Gross zum rotblauen Markenzeichen. Und auch jene Basler Spieler, die in der vergangenen Champions-League-Saison Manchester United aus dem Wettbewerb gekegelt haben, litten nicht unter mangelndem Selbstvertrauen.
Doch als Yakin in Basel antrat, war der Mannschaft ein grosser Teil ihres Selbstverständnisses abhanden gekommen, das im Sommer frisch zusammengestellte Ensemble schien auf der Suche nach seiner Identität.
In dieser Phase ging Yakin mit seiner unerschütterlichen Art und seinem unverrückbaren Glauben an sich selbst voraus. Die Art des Trainers scheint auf seine Mannschaft übergegangen zu sein. Und nicht nur auf sie. Auch der offizielle Twitter-Account des FCB steigt ziemlich optimistisch ins Hinspiel gegen Chelsea und schreibt schon mal vom «Weg nach Amsterdam».
48 hours to go! #roadtoamsterdam
— FC Basel 1893 (@FC_Basel) 23. April 2013
Yakin selbst peilt diesen letzten Schritt ins Endspiel ebenfalls an. «Ich bin gespannt, wie die Jungs reagieren, wenn sie in einem Halbfinal spielen», sagt er vor dem Chelsea-Spiel und lässt keinen Zweifel am Ziel, das er anstrebt: «Wir sind nahe dran, noch etwas Grösseres zu erreichen.»
Und die Spieler? Die nehmen ihrem Trainer einfach ab, dass in dieser Europa League alles möglich ist. Auch, wenn auf der Gegenseite der FC Chelsea steht, der eben erst den Champions-League-Pokal der letzten Saison an die Uefa zurück gegeben hat. «Wir glauben daran», sagt Yakin, «das macht dieses Team so stark.»
Und wenn der FCB seinen baskischen Zügen treu bleibt, ist bald wieder Zeit für ein paar Exzessive.
Die britische Seite Fourfourtwo macht es möglich, die Spiele der Europa League mit einem ganzen Berg von Statistiken zu analysieren. Wir haben als kleine Variante die Angriffszüge der beiden Gegner vom Donnerstag in ihren Viertelfinalspielen anzeigen lassen. Zu sehen sind jeweils die Pässe ins offensive Drittel.
Beim FCB ist zu sehen, dass das Basler Spiel dank Mohamed Salah etwas rechtslastig wirkt. Auf seiner rechten Seite läuft vor allem im Hinspiel gegen Tottenham viel (linkes Spielfeld). Im Rückspiel dagegen schlagen die Basler vermehrt unkontrolliert Bälle tief aus der eigenen Platzhälfte nach vorne, ohne Abnehmer zu finden.
Auch Chelsea spielt im Rückspiel auswärts bei Rubin Kasan viele Fehlpässe aus der Mitte der eigenen Platzhälfte. Auffällig: Auswärts spielen die Londoner nicht einmal halb so viele Pässe wie im 3:1 gewonnenen Heimspiel. Insgesamt wirkt der Aufbau austarierter – auch wenn Aussenverteidiger César Azpilicueta über rechts viel Druck macht.
Final: 15. Mai in der Amsterdam ArenA | |||
Europa League, Halbfinals | |||
Hinspiel | Rückspiel | ||
FC BASEL | Chlesea FC | 21.05|SRF2 | 2. Mai |
Fenerbahçe Istanbul | Benfica Lissabon | 21.05 | 2. Mai |