Die Bayern haben den Final in ihrem Wohnzimmer

Der grosse Traum des FC Bayern München ist in Erfüllung gegangen: In einem dramatischen Elfmeterschiessen setzte er sich bei Real Madrid mit 3:1 durch und steht am 19. Mai im Champions-League-Endspiel in München gegen Chelsea.

Bayern Munich's players celebrate victory against Real Madrid after their Champions League semi-final second leg soccer match at Santiago Bernabeu stadium in Madrid, April 25, 2012. REUTERS/Sergio Perez (SPAIN - Tags: SPORT SOCCER) (Bild: Reuters/SERGIO PEREZ)

Der grosse Traum des FC Bayern München ist in Erfüllung gegangen: In einem dramatischen Elfmeterschiessen setzte er sich bei Real Madrid mit 3:1 durch und steht am 19. Mai im Champions-League-Endspiel in München gegen Chelsea.

Die Helden bei den Bayern waren Torhüter Manuel Neuer, der die ersten beiden Real-Elfmeter im Penaltyschiessen parierte, und Bastian Schweinsteiger, der den entscheidenden Versuch sicher verwandelte. Bei Real versagten Cristiano Ronaldo, der in der regulären Spielzeit Neuer noch bei einem Handspenalty verladen hatte, Kaka und Sergio Ramos am Punkt.

Damit haben die Bayern als erster Club die Gelegenheit, im Final im eigenen Stadion die Champions League zu gewinnen. «Dieses Endspiel zu erreichen war eine grosse Herzensangelegenheit von unserem Präsidenten Uli Hoeness, der aus diesem Verein gemacht hat, was er heute ist», sagte Schweinsteiger, «das Endspiel haben wir auch für ihn geschafft.»

Ungehemmt waren die beiden Mannschaften in dieses Halbfinal-Rückspiel gestartet, in dem Real ein 1:2 aus München aufzuholen hatte. In der sechsten Minute erzielte Cristiano Ronaldo per Penalty die Führung, nachdem David Alaba im Hinfallen ein unglückliches Handspiel unterlaufen war. Damit hatten die Spanier den Nachteil aus dem Hinspiel durch das Auswärtstor bereits in einen Vorteil verwandelt.

Eine wilde erste Halbzeit

Die erste hochkarätige der Bayern versiebte Arjen Robben nur zwei Minuten später, und in der 14. Minute kam es für Real noch besser: Mesut Özil spielte Ronaldo an der Strafraumkante frei, Philipp Lahm erkannte zu spät, dass der Portugiese sich davongeschlichen hatte, und der liess sich nicht zweimal bitten und erzielte sein zehntes Tor der Kampagne.

Die Bayern liessen sich von diesen Nackenschlägen nicht verunsichern. Im Gegenteil: In einer wilden ersten Halbzeit, in der es viel Tempo, aber auch viele Ungenauigkeiten gab, hatte der vierfache Sieger dieses Wettbewerbs inklusive Landesmeister-Pokal bald über 65 Prozent Ballbesitz. Und ein Foul von Pepe an Mario Gomez, ein Penalty von Arjen Robben, der zwar präzis geschossen war, von Iker Casillas aber fast pariert worden wäre, brachte den Münchnern den Anschlusstreffer, der unter dem Strich den Gleichstand bedeutete.

«Die Mannschaft hat sich ins Spiel reingebissen und ist zurückgekommen. Wir haben auf uns vertraut, das war der Schlüssel zu diesem Erfolg», sagte Bayern-Keeper Manuel Neuer, der zum grossen Mann des Elfmeterschiessens wurde.

Auf hohem Niveau neutralisiert

Aus der Passivität, in die sich Real nach der 2:0-Führung gefügt hatte, kamen die Madrilenen nach der Pause und auch in der Verlängerung nicht mehr heraus. Nach dem Seitenwechsel neutralisierten sich zwei Mannschaften auf hohem Niveau, von Cristiano Ronaldo kam keine gefährliche Aktion mehr. Die Bayern hatten als Auswärtsteam die Partie im Griff und besassen die beste Torgelegenheit durch Gomez, der sich in der 86. Minute zu umständlich anstellte.

Ronaldo war auch die tragische Figur eines Elfmeterschiessens, das einen unvergleichlich dramatischen Verlauf nahm. Wie schon am Vorabend in Barcelona, wo der andere Superstar der Gegenwart, Lionel Messi, mit einem Penalty gescheitert war, der dem Titelverteidiger den Weg nach München hätte ebnen können, vergab auch Ronaldo aus elf Metern. Neuer sprang wie schon in der regulären Spielzeit in die von Ronaldo üblicherweise bevorzugte linke Ecke – und spekulierte dieses Mal richtig.

Neuer parierte auch den zweiten Versuch, von Kaka, der zuvor noch nie einen Elfmeter in der Champions League verschossen hatte. «Ich hoffe, dass jetzt ein paar Leute Abbitte leisten werden», konnte sich Bayern-Präsident Uli Hoeness nicht einen Seitenhieb auf die Kritiker verkneifen, die vor Jahresfrist den 30-Millionen-Franken-Transfer von Schalke zu den Bayern («Koan Neuer») abgelehnt hatten

Real kam dank Torhüter Iker Casillas und zweier schwach getretenen Elfmeter von Toni Kroos und Bayern-Captain Philipp Lahm wieder zurück, doch Sergio Ramos steuerte sein Team wieder an den Abgrund und feuerte seinen Elfmeter in den zweiten Zuschauerrang des Bernabéu.

Mourinhos Geste

Real-Trainer José Mourinho, der die Chance hatte, nach den Triumphen mit Porto und Inter Mailand als erster Trainer die Champions League ein drittes Mal zu gewinnen, verfolgte das Penaltyschiessen in einer seltsamen Haltung zwischen Demut und Theatralik: Wie zum Gebet kniete er auf dem Rasen. Nachdem Bastian Schweinsteiger, der nach diversen Verletzungen erstmals wieder über eine so lange Distanz ging, den entscheidenden Elfmeter sicher verwandelt hatte, ging Mourinho umgehend von der Bühne ab.

Vor der Elfmeterlotterie hatte der Portugiese noch seinen Gegenüber Jupp Heynckes in einer selten gesehenen Herzlichkeit umarmt. Der Münchner Trainer berichtete später, dass Mourinho in die Bayern-Kabine gekommen sei, um den Spielern zu gratulieren. «Das hatte Stil und Klasse», so Heynckes, der betonte, dass er ohnehin nicht die Urteile über den als egozentrischen Portugiesen teile.

Heynckes, der 1989 als Trainer mit Real Madrid die Champions League gewonnen hat, war voll des Lobes für seine Mannschaft, die sich auf dem Weg ins Endspiel im Achtelfinal nach einer 0:1-Hinspiel-Niederlage mit 7:0 gegen den FC Basel durchgesetzt hatte: «Es war grossartig, wie sie nach dem 0:2-Rückstand reagiert hat. Wir haben über weite Strecken überragenden Fussball gespielt.» Drei Wermutstropfen sind die verwarnten Spieler Alaba, Luiz Gustavo und Innenverteidiger Holger Badstuber: Sie müssen beim Endspiel gesperrt zuschauen.

Rummenigge und der Traum

Ansonsten waren die Bayern aber ganz bei sich. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge berichtete, dass er in der Präsidentenloge gemeinsam mit Real-Präsident Florentino Pérez gelitten habe. «Es war das intensivste und emotionalste Spiel meiner Karriere – und die dauert jetzt schon gut 40 Jahre», so Rummenigge, «das war Werbung für den Fussball auf höchstem Niveau, und wir sind glücklich, dass wir den Traum wahr gemacht haben – das Finale im eigenen Stadion.»

66‘000 Zuschauer werden am 19. Mai in der Allianz Arena in München Platz finden, und bei «Sat1» war am Mittwoch die Rede davon, dass den Bayern eine Million Kartenwünsche vorliegen sollen. Für sie ist es die Chance, nach einer Bundesligasaison, in der sich erneut Borussia Dortmund den Vortritt lassen mussten, sich die europäische Krone aufzusetzen.

«Das Finale bedeutet mir alles», sagte Bastian Schweinsteiger. An der Schlüsselfigur im Bayern-Spiel nagt noch die Niederlage im Champions-League-Endspiel vor zwei Jahren gegen Mourinhos Inter Mailand, und deshalb verabschiedete sich Schweinsteiger in die lange Nacht von Madrid mit dem Bekenntnis: «Es ist ein sehr gutes Gefühl, diese Chancen zu haben.»

Robbens Giftpfeil gegen Beckenbauer

Das Schlusswort im Bernabéu gehörte Arjen Robben. Der Holländer ist eine bevorzugte Zielscheibe der Kritik des medial omnipräsenten Franz Beckenbauer. Am Mittwochabend lieferte der eines seiner Bonmots («Elfmeterschiessen ist keine Lotterie, das kann man üben») und auf den Bayern-Ehrenpräsidenten angesprochen zischte Robben genervt: «Ich bin nicht immer einverstanden mit dem, was er sagt. Er sollte mal vorher nachdenken.» Das dürfte dem Holländer als nichts weniger denn als Majestätsbeleidigung ausgelegt werden.

Champions League, Halbfinal-Rückspiel
Real Madrid – Bayern München 2:1 (2:1, 2:1) n.V.
Bayern 3:1-Sieger im Penaltyschiessen
Santiago Bernabéu. – 80’925 Zuschauer. – SR Kassai (Un).

Tore: 6. Cristiano Ronaldo (Handspenalty) 1:0. 14. Cristiano Ronaldo 2:0. 28. Robben (Foulpenalty) 2:1. – Penaltyschiessen: Alaba 0:1, Cristiano Ronaldo scheitert an Neuer; Gomez 0:2, Kaka scheitert an Neuer; Kroos scheitert an Casillas, Xabi Alonso 1:2; Lahm scheitert an Casillas, Ramos schiesst über das Tor; Schweinsteiger 1:3.

Real Madrid: Casillas; Arbeloa, Pepe, Ramos, Marcelo; Khedira, Xabi Alonso; Di Maria (75. Kaka), Özil (111. Granero), Cristiano Ronaldo; Benzema (106. Higuain).
Bayern München: Neuer; Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba; Schweinsteiger, Luiz Gustavo; Robben, Kroos, Ribéry (95. Müller); Gomez.
Bemerkungen: Real ohne Diarra, Carvalho (beide verletzt), Bayern ohne Breno, Van Buyten (beide verletzt). Verwarnungen: 5. Alaba (Hands – im Final gesperrt), 26. Pepe, 59. Arbeloa (beide Foul), 90. Robben (Reklamieren), 102. Luiz Gustavo, 104. Badstuber (beide Foul, beide im Final gesperrt), 115. Granero (Unsportlichkeit).

Alle Endspiel der Champions League

1992/93 in München: Olympique Marseille–AC Milan 1:0
1993/94 in Athen: AC Milan–FC Barcelona 4:0
1994/95 in Wien:  Ajax Amsterdam–AC Milan 1:0
1995/96 in Rom:  Juventus Turin–Ajax Amsterdam 4:2 i.P. (1:1)
1996/97 in München: Borussia Dortmund–Juventus Turin 3:1
1997/98 in Amsterdam: Real Madrid–Juventus Turin 1:0
1998/99 in Barcelona:  Manchester United–Bayern München 2:1
1999/00 in Paris: Real Madrid–FC Valencia 3:0
2000/01 in Mailand: Bayern München–FC Valencia 5:4 i.P. (1:1)
2001/02 in Glasgow: Real Madrid–Bayer Leverkusen 2:1
2002/03 in Manchester: AC Milan–Juventus Turin 3:2 i.P. (0:0)
2003/04 in Gelsenkirchen: FC Porto–AS Moncao 3:0
2004/05 in Istanbul: FC Liverpool–AC Milan 3:2 i.P. (3:3)
2005/06 in Paris: FC Barcelona–FC Arsenal 2:1
2006/07 in Athen: AC Milan–FC Liverpool 2:1
2007/08 in Moskau: Manchester United–FC Chelsea 6:5 i.P. (1:1)
2008/09 in Rom: FC Barcelona–Manchester United 2:0
2009/10 in Madrid: Inter Mailand–Bayern München 2:0
2010/11 in London: FC Barcelona–Manchester United 3:1
2011/12 am 19. Mai in München: Bayern München–FC Chelsea

 

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