Ist der geordnete Einmarsch der FCB-Fans aufs Spielfeld ein verwerflicher Akt gewesen, der streng sanktioniert werden muss? Und ist die friedliche Absicht der Fans strafmildernd? Darüber muss die Sportgerichtsbarkeit der Swiss Football League befinden.
Die Swiss Football League (SFL) respektive der Diszplinarrichter im Sicherheitswesen hat ein Verfahren gegen den FC Basel eröffnet, nachdem Fans am vergangenen Freitag bei der Saison-Dernière im St.-Jakob-Park das Spielfeld überströmt haben im Zuge einer Abschiedsszenerie für FCB-Präsident Bernhard Heusler.
» Der Tabubruch als Botschaft – unser Kommentar zum friedlichen Platzsturm der FCB-Fans
Der unabhängige Einzelrichter Dieter Caliezi hat grundsätzlich vier Wochen Zeit, um Stellungnahmen einzuholen und einen Entscheid zu treffen. In begründeten Fällen kann von dieser Frist abgewichen werden. Caliezi kann Bussen von bis zu 10’000 Franken gegen Clubs aussprechen. Darüber hinaus gehende Sanktionen wie etwa Teilsperrungen von Zuschauerbereichen in den Stadien oder sogenannte Geisterspiele kann nur die Disziplinarkommission unter Vorsitz von Daniele Moro verhängen.
Der friedliche Platzsturm der Fans dauerte fünf Minuten. Er hat über die Landesgrenzen hinaus für Reaktionen gesorgt und wurde als Beispiel für vorbildhaftes Fanverhalten eingeordnet. Unterschiedlich – von entrüstet bis wohlwollend – sollen die Verteter der SFL reagiert haben, die vorigen Freitag im St.-Jakob-Park zugegen waren, um der Übergabe des Meisterpokals beizuwohnen.
Der Schiedsrichter wusste Bescheid
Als die Fans sich wieder in ihren Sektor zurückzogen: FCB-Präsident Bernhard Heusler. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)
Nach Informationen der TagesWoche hat sich die Aktion der Fans ungefähr so abgespielt: Bernhard Heusler war von einem Aktivisten aus der Kurve vor dem Spiel gebeten worden, sich um die 70. Minute in der Nähe der Trainerbank am Spielfeldrand aufzuhalten. Was ihn erwarten würde, so heisst es, sei dem scheidenden FCB-Präsidenten zu diesem Zeitpunkt nicht klar gewesen.
Dann, in der Halbzeitpause des Spiels gegen den FC St. Gallen, nahm die Muttenzerkurve Kontakt mit vier Leuten auf: Beat Meier, dem FCB-Sicherheitschef im Stadion, Ornella Pessotto vom Fanprojekt sowie den FCB-Öffentlichkeitsmitarbeitern Andrea Roth und Josef Zindel. Sie wurden darüber in Kenntnis gesetzt, was die Fans vorhatten.
Josef Zindel informierte unmittelbar vor Wiederanpfiff den vierten Offiziellen, Sascha Amhof, der wiederum Schiedsrichter San Fedayi verständigte. So lässt sich erklären, wie ruhig und abgeklärt der Schiedsrichter das Spiel in der 73. Minute unterbrach, als die Fans durch von den Sicherheitskräften geöffnete Tore von der Muttenzerkurve her das Spielfeld betraten.
Fedayi bat beide Mannschaften an die Seitenlinie, dort wurde getrunken, und einige FCB-Spieler standen applaudierend neben der Szenerie. Nach fünf Minuten in einer emotional positiv aufgeladenen Atmosphäre verschwanden die Fans so rasch wieder vom Spielfeld, wie sie erschienen waren.
180 Spiele, 120 Pyro-Fälle
Der Tabubruch – das Betreten des Spielfelds – ist der knifflige Punkt, wenn die SFL-Disziplinarhüter den Fall behandeln. Auch weil es zuvor nichts Vergleichbares gegeben hat. Einfacher dürfte dagegen die Beurteilung der Vorfälle sein, die bei vier der fünf Spiele der letzten Runde gemeldet wurden: das Abbrennen von Pyrotechnik. Von diesen «handelsüblichen» Verfahren gab es während der zurückliegenden Saison mit den insgesamt 180 Spielen rund 120.
(Bild: Christoph Kieslich)