Die FCB-Mission in Manchester: Schaden begrenzen und wachsen

Mit dem Achtelfinal-Rückspiel bei Manchester City geht am Mittwoch die Champions-League-Kampagne für den FC Basel wohl zu Ende. Gegen einen übermächtig wirkenden Gegner Widerstand zu leisten und daraus neue Kraft zu ziehen ist das Ziel, dass Trainer Raphael Wicky verfolgt.  

«Ich kann nicht vor die Mannschaft stehen und sagen: ‹Jungs, glaubt daran!› Das wäre lächerlich.» – FCB-Trainer Raphael Wicky auf dem Weg nach Manchester.

Man ist sich ja nicht ganz sicher, um was es sich handelt am Mittwoch in Manchester. Eine Vergnügungsreise? Ein Fortbildungsseminar? Oder gar eine Strafexpedition?

Mit der Hypothek einer 0:4-Heimniederlage ist der FC Basel am Dienstagmorgen aufgebrochen in den Nordwesten Englands. Mit 20 Spielern, einschliesslich des gesperrten Taulant Xhaka und des weiterhin unpässlichen Eder Balanta. Und ohne Marco Streller. Den Sportdirektor hat ein Virus erwischt. Falls Streller wieder auf dem Damm ist, will er am Spieltag nachreisen.

Resthoffnungen irgendwelcher Art verbieten sich vor diesem Rückspiel. Der Schweizer Meister kommt nicht nur eindeutig zurückgewiesen aus den ersten 90 Minuten nach Manchester, er hat im neuen Jahr auch ganz andere Sorgen angehäuft, als dass er sich Gedanken über ein Fortkommen in der Champions League machen würde.

Nicht mal die Statistik gibt irgendetwas her: Eine 0:4-Heimniederlage hat im Europacup der Landesmeister und anschliessend in der Champions League noch kein Klub wenden können. 58 Mal gab es dieses Resultat; Erfolgssichten: null Prozent.

Immerhin hat Raphael Wicky seinen Humor nicht verloren nach einer Niederlagenserie und zwei aufeinanderfolgenden Spielabsagen: «Es regnet in Manchester, habe ich gehört. Hoffentlich wird der Match nicht abgesagt.»

Jetzt wäre es natürlich sehr billig zu entgegnen: Etwas Besseres könnte dem FC Basel gar nicht passieren. Zu gewaltig scheint die Aufgabe, ungeheuerlich wirkt der Gegner und diametral gehen die Formkurven der beiden Mannschaften auseinander.

Noch bevor er am Dienstagmorgen den gecharterten Airbus auf dem EuroAirport bestieg, hat der FCB-Trainer ein kleines Plädoyer gehalten:

«Jeder Schweizer Fussballer würde diese Reise gerne mitmachen und in Manchester spielen. Es ist fantastisch, dass eine Schweizer Mannschaft im März noch dabei ist. Das hat sich die Mannschaft verdient, darauf sind wir stolz und freuen uns auf dieses Spiel.»

Der FCB? In Manchester weit weg

Ein paar Stunden später, in der glitzernden Welt von Manchester City aus Glas, Beton und grünem Rasen, geht es um Grösseres. Das sieht man dem Etihad Campus, einer mit Petrodollars aus Abu Dhabi finanzierten Fussballfabrik, auf den ersten Blick an. Ilkay Gündogan, im Hinspiel zweifacher Torschütze und herausragender Passgeber der Citizens, sowie Pep Guardiola gehen ihren Medienverpflichtungen routiniert nach. Sie beantworten Fragen nach dem Champions-League-Titel und dem gelben Band am Revers, mit dem der Trainer für politisch Gefangene in Katalonien Partei nimmt.

Medienkonferenz bei Manchester City: Pep Guardiola hält Hof.

Der FC Basel ist hier weit weg. Pflichtbewusst erinnert Pep Guardiola immerhin daran:

«Es ist alles möglich im Fussball. Es ist Champions League. Das Spiel beginnt bei null zu null. Eine rote Karte – und plötzlich ist es ein anderes Spiel.»

Also will das spanische Trainergenie, dass seine Spieler fokussiert sind, keine Fehler machen – «das ist das Ziel». Und er will sehen, wie seine Mannschaft mit dem unzweideutigen Vorsprung umgeht. In Tat und Wahrheit will er natürlich, dass seine Mannschaft den FC Basel so auseinandernimmt, wie sie es vor drei Wochen in den neun fatalen Minuten der ersten Halbzeit bis zum 0:3 in der 23. Minute getan hat. So wie sie es in dieser Saison noch mit fast jedem Gegner getan hat, vergangene Woche etwa gleich zweimal mit Arsenal.

Gegen die Londoner hat Manchester im Liga-Cup den ersten Titel gewonnen. Ein kleines Schmuckwerk auf dem Weg zu den grossen Triumphen. Auch die Meisterschaft in der Premier League ist den Himmelblauen schon längst nicht mehr zu nehmen. Vier Siege fehlen noch, und der nächste soll kommenden Montag bei Stoke City folgen.

Besuch von den Ex-Baslern

Dort spielt Xherdan Shaqiri, und der, in Greater Manchester wohnhaft, hat sich nebst anderen Ex-Baslern wie Granit Xhaka aus London und Timm Klose aus Norwich für den Mittwochabend angesagt im Stadion.

Sie werden erleben, wie sich ihr Ausbildungsklub eines der schillerndsten Fussballretortenprodukte der Neuzeit zu erwehren versucht und wie Manchester City zum erst zweiten Mal die Achtelfinals der Champions League überstehen wird. Der FC Basel, das war schon bei der Auslosung unzweifelhaft, ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Titel, mit dem sich die Citizens auf eine Stufe mit den ganz Grossen hieven wollen.

Wie er seine Mannschaft einstimmen will auf die von aussen betrachtet sehr undankbare Aufgabe, hat Raphael Wicky auch erklärt:

« Ich kann nach einer 0:4-Heimniederlage nicht vor die Mannschaft stehen und sagen: ‹Jungs, glaubt daran! Es ist alles möglich im Fussball!› Dann schauen die mich an und fragen sich: ‹Was erzählt der uns?› Und ich sehe ein bisschen lächerlich aus. Man muss realistisch sein, und wir setzen uns andere Ziele. Zunächst für die erste Halbzeit, einen Punkt zu holen oder diese Halbzeit zu gewinnen. Und dann sehen wir weiter.»

Mit Frei in der Abwehr und Zuffi im Aufbau

Die Mannschaft, mit der Wicky dem übermächtig wirkenden Gegner entgegentreten will, wird wahrscheinlich ein ähnliches Gesicht haben wie im Hinspiel. Mit dem Unterschied, dass Fabian Frei wohl für den gesperrten Xhaka zurück in die Dreierkette gezogen wird – also so wie in der zweiten Halbzeit des ersten Spiels.

Der Torwart versprüht so etwas wie Zuversicht: Tomas Vaclik (links) mit Fabian Frei und Captain Marek Suchy, der in Manchester vor seinem 100. Europacupspiel steht.

Im zentralen Mittelfeld darf neben Geoffroy Serey Dié mit Luca Zuffi gerechnet werden, der vor drei Wochen nach seiner Fussoperation noch auf der Bank Platz genommen hatte. Als Strafarbeit sieht Zuffi das Rückspiel keineswegs:

«Ungelegen kommt das Spiel nicht. Für uns ist es eine Chance, Rhythmus aufzunehmen – einen Rhythmus, den wir in Manchester hoffentlich mitgehen können. Ziel ist, mit einem guten Gefühl aus dem Match rauszugehen und so ein bisschen Schwung mitzunehmen für die Liga.»

In der vordersten Linie wäre eine Besetzung mit Kevin Bua, Mohamed Elyounoussi und Dimitri Oberlin keine Überraschung. Drei schnelle Spieler für das Umschaltspiel, das Wicky vorschwebt:

«Fakt ist einfach, dass seit zwei Jahren alle Mannschaften gegen Manchester City extrem wenig Ballbesitz haben. Chelsea hat sich am Wochenende 90 Minuten bewusst zurückgezogen und hinten reindrängen lassen. Wir werden einen Mix versuchen, nicht nur hinten reinstehen, sondern etwas mit dem Ball zu machen und Fussball zu spielen. Ich will nicht, dass wir nur verteidigen. Aber wir müssen aufpassen und dürfen nicht blindlings nach vorne laufen. Manchester liebt es, wenn der Gegner hoch presst, die wollen das, die haben ja keine Angst davor. Die sind so stark, dass sie immer einen freien Spieler finden, 50 Meter Platz haben und dann gehts ab. Dann sind sie brutal mit ihrer Geschwindigkeit.»

«Man kann als Mannschaft wachsen»

So hat diese Champions-League-Kampagne also in Manchester bei der United begonnen, hat anschliessend grosse Momente für das Basler Geschichtsbuch bereitgehalten, und wieder in Manchester endet dieses Abenteuer. Mit einem Ergebnis wie im September in Old Trafford, in der Gewichtsklasse eines 0:3, wäre der Schweizer Meister am Mittwoch gut bedient.

Oder man hält es mit Raphael Wicky:

«Ich glaube, aus solchen Spielen kann man sehr viel mitnehmen und etwas lernen. Man kann sich präsentieren, man weiss, was auf einen zukommt und kann als Mannschaft wachsen und noch mehr zusammenrücken. Das ist die Mission.»

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