Die Leere nach einem «naiven und braven» Auftritt

Nach dem Ausscheiden aus dem Europacup fordert Marcel Koller von jedem Spieler, dass er «vor der eigenen Türe wischt». Der Trainer des FC Basel selbst wählte vor der 0:1-Niederlage gegen Apollon Limassol eine Aufstellung, die überraschte.

Am Schluss flossen Tränen. Nicht beim FC Basel, oder zumindest nicht sichtbar für die Anwesenden im GSP-Stadion von Nikosia. Sondern auf der Pressetribüne, wo sich die zypriotischen Journalisten bekreuzigten und von wo sie in Richtung Rasen schrien und jubelten. Ihr Team Apollon Limassol hatte sich gerade eben für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert.

Und einer dieser Journalisten konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten: «Zum vierten Mal haben wir die Playoffs überstanden!», sagte er in gebrochenem Englisch und wendete seinen Blick wieder dem Spielfeld zu. Dort versammelten sich die Akteure Apollons zum Gruppenbild, mit oder ohne Trikot lagen sie sich in den Armen, Spieler wie Funktionäre, wie eine kleine Familie oder wie für Erinnerungsfotos an kleineren Turnieren.

Freilich ist Apollon Limassol kein Verein, der kleine Turniere spielt. Aber er ist die Nummer 125 der Uefa-Klubrangliste und Basel mehr als hundert Plätze besser klassiert. Für den FCB endet die Serie von 14 Gruppenphasen in Folge; nach vier Gruppenphasen im Uefa-Cup, drei in der Europa League und sieben in der Champions League.

Koller hätte sich mehr Emotionen in der Kabine gewünscht

Während der zypriotischen Jubelszenen verabschiedeten sich die Basler Spieler von den gut 100 mitgereisten Fans und begaben sich in die Kabine. Dort verarbeitete Fabian Frei «eine der schlimmsten Niederlagen meiner Karriere», wie er sagt, dort herrschte Leere und Stille.

Dabei hätte sich Trainer Marcel Koller nach der 0:1-Niederlage eine ganz andere Reaktion gewünscht: «In der Kabine war es extrem ruhig. Aber es wäre wichtig, dass auch mal einer sauer ist und eine Flasche in die Ecke knallt.»

Offenbar sind solche Reaktionen ausgeblieben, doch Grund dafür hätte jeder gehabt. Denn auch wenn die Klub-Historie in den Minuten des Scheiterns nicht in den Köpfen der Spieler ist, so realisieren auch sie mit der Zeit, dass der FCB zum letzten Mal in der Saison 2003/04 die europäische Gruppenphase verpasst hatte. Da war Flügelspieler Noah Okafor drei Jahre alt.

Dem FCB entgeht viel Geld und eine Plattform für seine Spieler

Was das für den FC Basel bedeutet, ist für Koller «schwierig zu sagen». Finanziell ist der Schaden beträchtlich: Rund zehn Millionen Franken entgehen dem Verein, wenn man mit zwei Siegen und zwei Unentschieden in der Gruppenphase budgetiert. Dazu wären die Einnahmen aus den Heimspielen gekommen – und eine nicht zu beziffernde mögliche Steigerung des Marktwerts der Spieler, die sich im internationalen Fenster präsentiert hätten.

Den Baslern bleibt die Super League und der Schweizer Cup, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn viel Positives haben Beobachter in der internationalen Qualifikationsphase nicht gesehen. Es gab die zwei knappen Siege gegen Vitesse Arnheim und das gedrehte Heimspiel gegen Apollon Limassol nach gröberen Fehlern in der Abwehr, die zu den letztlich entscheidenden zwei Gegentreffern geführt hatten.

Vor allem aber bleiben die verpatzten Auftritte gegen Paok Thessaoloniki und das Rückspiel gegen Apollon Limassol in Erinnerung. Im schlecht besuchten Stadion, in dem es trotzdem laut wurde, hat der FCB «fast ein bisschen naiv gespielt», wie Koller sagt, «wir haben zu selten die Zweikämpfe gesucht, waren nicht im Infight und haben zu lieb und zu brav Fussball gespielt».

Die erstaunliche Wahl auf den Flügeln

War der FCB in Ballbesitz, hat ihm das kaum etwas gebracht. Denn er hatte den Ball nicht da, wo es in der Offensive entscheidend wird. Koller sagt kritisch: «Man muss halt auch nach vorne spielen und mehr in die Zone 30 Meter vor dem Tor kommen. Da, wo die Musik spielt, da, wo es gefährlich wird.»

Und fast sich selbst verteidigend sagt Koller weiter: «Es ist das erste Spiel, das wir verlieren.» Nach sechs Siegen und einem Unentschieden unter dem dritten Trainer der Saison.

Diese drei Trainer haben sich die sechs internationalen Qualifikationsspiele aufgeteilt: Raphael Wicky wurde nach der Niederlage gegen Thessaloniki entlassen, Alex Frei konnte den Spiess im Rückspiel nicht umdrehen, und Koller überstand zwar die Hürde Arnheim, scheiterte aber schliesslich an Limassol.

Er hatte zum Erstaunen vieler auf den Flügeln Samuele Campo, eigentlich ein Zentrumsspieler, und dem 18-jährigen Okafor vertraut. Zusammen mit Luca Zuffi im Zentrum und Ricky van Wolfswinkel in der Sturmspitze ergab das eine Offensivabteilung, die nicht zu den schnellsten dieses Kaders gehört. Nach dem Sieg im Hinspiel hätte man sich jedoch vorstellen können, dass der FCB abwartend spielt und mit Kontern sein Glück finden würde.

Schielen nach Bern, wo die grossen Namen auftreten

Zu schnellen Gegenstössen kam Basel gar nicht erst. Denn Apollon war spritziger, körperlich stärker, schneller und ideenreicher. Der FCB schoss zweimal auf das Tor, nicht nach Kombinationen, sondern mit einem Weitschuss und einem direkten Freistoss Ricky van Wolfswinkels.

Koller fordert: «Jetzt muss jeder vor seiner eigenen Haustür wischen und nicht nach Anschuldigungen oder Ausreden suchen. Wir sind selber schuld am Ausscheiden. Wenn jeder für sich das verarbeitet hat, können wir wieder gemeinsam an einem Strick ziehen.» Koller selbst will nach der Niederlage nicht in Selbstmitleid versinken: «Wir müssen und wir können zulegen.»

Bis im Sommer 2019 wird das der FC Basel in der Super League und im Schweizer Cup tun. Und unter der Woche muss er zuschauen, wie der FC Zürich in der Europa League spielt – und wie sich die Young Boys in der Champions League gegen Juventus Turin, Manchester United und Valencia schlagen.

https://tageswoche.ch/sport/rotblaulive-das-letzte-spiel-auf-dem-weg-in-die-gruppenphase/

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