Genau zweieinhalb Stunden dauerte die 124. Generalversammlung, durch die erstmals Bernhard Burgener als Präsident des Vereins FC Basel 1893 führte. Im Vergleich zu den letzten Jahren war das sehr lange. Zu tun hatte dies einerseits mit den vielen Wortmeldungen am Ende, anderseits aber auch mit dem ausschweifenden Narrativ des Mannes, der seit einem Jahr an der Spitze des FC Basel steht.
Vergleichsweise schnell ging an diesem Montagabend, an dem es irgendwann in Strömen regnete, die Wahl des Präsidenten über die Bühne. Im St.-Jakob-Park wurde Burgener von 1123 der 1436 Stimmberechtigten wiedergewählt, bei 178 Nein-Stimmen und 135 Enthaltungen. Das entspricht 78 Prozent Zustimmung. Vor einem Jahr hatte Burgener 82 Prozent Ja-Stimmen erreicht.
Der restliche Vereinsvorstand, zusammengesetzt aus Marco Streller, Peter von Büren, Reto Baumgartner, Dominik Donzé und Benno Kaiser, wurde deutlich wiedergewählt. Zudem gehört neu auch Roland Heri, der Operative Leiter der FC Basel 1893 AG, zum Vereinsvorstand.
Der Verwaltungsrat der AG schrumpft weiter
Während der Vereinsvorstand also einen Kopf dazugewann, schrumpft der Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG weiter. Nachdem am Freitag Jean-Paul Brigger, Delegierter des Verwaltungsrats, seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, vermeldete Burgener am Montag die Demission eines weiteren Verwaltungsrats: Patrick Jost, erst vor einem Jahr neu ins Gremium gewählt, will sich auf seine operativen Tätigkeiten als Direktor Marketing und Verkauf konzentrieren.
Somit besteht der Verwaltungsrat der AG nur noch aus vier Personen: Bernhard Burgener (Präsident), Marco Streller, Masssimo Ceccaroni und Alex Frei. An dieser Zusammensetzung will Burgener vorerst nichts ändern, auch wenn das Gremium abgesehen von Burgener praktisch nur noch aus Fussballkompetenz besteht. «So, wie wir zusammengestellt sind, funktioniert das», glaubt der Präsident.
Burgener und die Gewinnaussichten: «Ich bin vorsichtig geworden»
Die Jahresrechnung der FC Basel 1893 AG, an welcher der Verein 25 Prozent hält, wurde von den Mitgliedern bei 40 Nein-Stimmen und 54 Enthaltungen durchgewunken. Die AG hat zwar eine halbe Million Franken Gewinn gemacht und kam ihrer Defizitgarantie für den Verein nach, die sich auf 1,3 Millionen fast verdoppelt hat. Dafür wurden allerdings auch Rückstellungen in Höhe von 8,9 Millionen Franken aufgelöst und die Prämie aus dem Champions-League-Achtelfinal (6 Millionen Euro) in der Erfolgsrechnung für 2017 verbucht.
Auf die Frage aus den Reihen der Mitglieder, ob Burgener gedenke, die Rücklagen bei einem besseren Geschäftsgang erst wieder aufschütten zu wollen, ehe er sich (und dem Verein) Dividenden ausbezahle, entgegnete der Mehrheitseigner der FC Basel Holding AG mit den Argumenten, die er schon bei der Übernahme des Klubs ins Feld geführt hatte: Er habe einen «rechten Betrag» bezahlt für das Aktienpaket, zum Teil fremdfinanziert.
Gross an Gewinn denkt Burgener im Moment aber offenbar sowieso nicht: «Ich will nichts verteilen, was wir nicht erreicht haben.» Für 2018 erwartet Burgener einen Umsatz zwischen 80 und 90 Millionen Franken und ein ausgeglichenes Ergebnis. «Ich bin vorsichtig geworden», sagte Burgener, dessen Budget vor einem Jahr vor allem von (zu) optimistischen Transfereinnahmen ausgegangen war.
Jetzt bezeichnet er es als «entscheidend», in den drei Qualifikationsrunden zur Champions League zu überzeugen. Mit Einnahmen in Höhe von 28,6 Millionen Franken, zu denen Burgener die Transfereinnahmen für Manuel Akanji und Renato Steffen sowie 3,6 Millionen Matcheinnahmen im Achtelfinal gegen Manchester City zählt, habe man 2018 «einen unglaublichen Start hingelegt».
Flammendes Plädoyer für eSports
Zum Ende der Veranstaltung meldeten sich deutlich mehr Mitglieder zu Wort als in den letzten Jahren. Eine Frau begann ihr Votum so: «Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten» – und Burgener musste Schlimmes erwarten. Der Präsident bekam von ihr zu hören, dass er an den Heimspielen im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht wahrnehmbar sei, nicht fassbar, für die Fans nicht spürbar.
Burgener, der seit der Eröffnung des neuen Stadions eine Loge mietet, entgegnete mit einer sehr persönlich gefärbten Antwort. «Ich bin ein zurückhaltender Mensch, eher derjenige, der im Hintergrund bleibt.» Im Rampenlicht sieht er andere, er sei dann präsent, wenn es nicht läuft. Wenn alles in den richtigen Bahnen sei, dann überlasse er die Öffentlichkeit anderen. «Das Spielfeld gehört den Helden», sagt er.
Ein anderes Votum nahm die Kampagne auf, die der FC Basel vor wenigen Monaten gestartet hatte: Mit dem Engagement von Influencern wollte Burgener neue Mitglieder gewinnen, und ein altes Mitglied monierte: «Mit irgendwelchen GC-Fans und Sockenmodels damit werben, dass hier mehr Leute abstimmen können, ist peinlich. Ich hoffe im neuen Jahr auf mehr Fingerspitzengefühl.» Burgener sagte: «Ich will dem gar nicht widersprechen und entschuldige mich. In dieser Form wird uns das nicht mehr passieren. Das war nicht unser Plan, es tut mir aufrichtig leid.»
Gleichzeitig setzte er zu einem flammenden Plädoyer für eSports an. Mit Hochglanzbildern auf den Grossbildschirmen wollte er den Mitgliedern aufzeigen, wie wichtig dieser Bereich für einen Verein in Zukunft sei und wie entscheidend es sei, diesen Zug nicht zu verpassen. «Man kann diese Entwicklung nicht aufhalten», sagte Burgener.
Burgener hat noch keine Lösung für das No-Show-Problem
Mit den Bemühungen im Bereich eSports geht es Burgener auch darum, die Menschen für den FC Basel zu begeistern und sie zu animieren, ins Stadion zu kommen. Die weiter leicht zurückgegangenen Zuschauerzahlen und die sinkende Kapazitätsauslastung im St.-Jakob-Park schlüsselte der Klubchef mit einer weiteren Rechnung auf: Bei einer No-Show-Quote von inzwischen 29 Prozent lastet der FCB in Tat und Wahrheit sein Stadion nicht einmal mehr zur Hälfte aus (47,2 Prozent). Im Schnitt nutzen 7800 Personen eine der rund 22’000 verkauften Jahreskarten nicht.
«Ich kann Ihnen die Lösung nicht sagen», gestand Burgener den Mitgliedern ein, und versprach, die Eintrittspreise nicht erhöhen zu wollen. No-Shows zu sanktionieren, wie das zum Teil bei europäischen Klubs schon gehandhabt wird, lehnt Burgener ab: «Ich will die Zuschauer nicht bestrafen, sondern motivieren, dass sie wieder mehr ins Stadion kommen.»
Der banalste Ansatz lautet wohl: attraktiven Fussball spielen und gewinnen. Nachdem die lange Meisterserie gerissen ist, spürt Marco Streller eine «Jetzt-erst-recht-Stimmung». Der Sportdirektor kam erst spät am Montagabend zu Wort, da war das reinigende Gewitter bereits wie sinnbildlich über das Joggeli gezogen. Er räumte Fehler ein, sagte indes zu den verpassten Titelehren auch: «Es ist in den letzten Jahren selbstverständlich geworden, mit mindestens einem Pokal auf dem Barfüsserplatz zu stehen. Vielleicht hat dieses Jahr dem einen oder anderen gutgetan. So freuen wir uns umso mehr auf nächstes Jahr.»