Die Nationalmannschaft rückt die Tabelle zurecht

Mit dem 4:0 gegen Litauen ist die Schweiz mit einer gewissen Verzögerung auf dem richtigen Weg eingespurt, sich direkt für die EM 2016 in Frankreich zu qualifizieren. Die Nationalmannschaft spielte gut und schoss vor allem Tore.

Switzerland's Xherdan Shaqiri celebrates after scoring a goal during their Euro 2016 Group E qualifying soccer match against Lithuania at AFG Arena in St. Gallen November 15, 2014. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SPORT SOCCER) (Bild: Reuters/ARND WIEGMANN)

Mit dem 4:0 gegen Litauen ist die Schweiz mit einer gewissen Verzögerung auf dem richtigen Weg eingespurt, sich direkt für die EM 2016 in Frankreich zu qualifizieren. Die Nationalmannschaft spielte gut und schoss vor allem Tore.

Die Schweiz spielt am Dienstag noch in Freundschaft in Polen und Trainer Vladimir Petkovic wird dort dem einen oder andern aus der zweiten Reihe eine Chance einräumen. Danach kann der Trainer einigermassen beruhigt in die viermonatige Winterpause gehen, im Gefühl, seine Mannschaft habe ihre Anlaufschwierigkeiten unter ihm beendet und jenen Kurs eingeschlagen, der sie an die EM 2016 bringen muss.

Nach vier von zehn Runden hat die EM-Gruppe mit der Schweiz relativ klare Konturen: Roy Hodgsons Engländer stehen mit dem Maximum von zwölf Punkten ganz oben, auch weil sie ihre Chance nutzten, gleich im ersten Spiel den stärksten Gegner zu schlagen: Die an jenem Tag indisponierten Schweizer. Mit denen sind die Litauer und die Slowenen zwar (noch) gleichauf, aber die Direktbegegnungen haben doch schon eines erkennen lassen: Slowenien und Litauen sind wie erwartet eindeutig schwächer einzustufen als die Schweiz. Und was von den Esten zu halten ist, wird nicht zuletzt durch deren 0:0 bei der zuvor 61mal in Folge besiegten Auswahl San Marinos bestimmt. 

Die Schweiz hat zwar in Slowenien knapp verloren, war aber offensichtlich die bessere Mannschaft. Sie war es  an diesem regnerischen Samstagabend in St. Gallen auch gegen Litauen, und zwar noch deutlicher.

Erinnerungen an Maribor in der ersten Hälfte

Das Spiel erinnerte dennoch erst eine Stunde lang an jenes gegen die Slowenen in Maribor, als die Schweizer eine klare feldmässige Dominanz und ein markantes Chancenplus nicht mal in ein Tor umsetzen konnten: Auch in St. Gallen war schon bis zur Pause ein halbes Dutzend an klaren Chancen zu zählen gewesen; in der Viertelstunde danach kamen mehrere weitere dazu, darunter ein Pfostenschuss Admir Mehmedis, der mausbeinallein vor dem litauischen Goalie Goalie Giedrius Arlauskis aufgetaucht war. Aber noch immer stands 0:0.

Allerdings waren die Kräfte der mit grösstem Einsatz verteidigenden Balten am Schwinden, als Petkovic nach einer guten Stunde seinen ersten Wechsel veranlasste und Josip Drmic für Mehmedi brachte. Drmic hat seinen Startplatz in der Nationalmannschaft verloren, weil er bei seinem neuen Verein, Bayer Leverkusen, noch nicht zurechtkommt. Aber in St. Gallen scheint er sich als Nationalspieler wohlzufühlen. Dort hat er im Frühjahr sein erstes Länderspiel über 90 Minuten bestritten und zum 2:2 gegen Kroatien gleich beide Tore beigetragen.

Diesmal erzwang Drmic kaum eingewechselt das 1:0. Es mag nach Xherdan Shaqiris Eckball ein halbes Eigentor des Torhüters gewesen sein, aber Drmics Einfluss war massgeblich. In der 80. Minute bereitete er mit einer subtilen Flanke die Rarität eines Kopftores Shaqiris vor (3:0), in der 90. legte er den Ball für einen Absatztrick des «kleinen Bayern» hin (4:0).

Vorteil durch Wechsel

Dieser Wechsel, sagte Petkovic hinterher, sei ein «ganz normaler Gedanke» gewesen. Mehmedi habe vorher seine Sache auch gut gemacht, «aber es hat sich gezeigt, dass wir nicht nur elf Spieler haben.» Das erste Tor war, so befand auch der Nationalcoach, «schon entscheidend».



Switzerland's national soccer team coach Vladimir Petkovic reacts during their Euro 2016 Group E qualifying soccer match against Lithuania at AFG Arena in St. Gallen November 15, 2014. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SPORT SOCCER)

Nie nachgelassen, intelligent gespielt: Nationaltrainer Vladimir Petkovic war zufrieden mit seinem Team. (Bild: Reuters/ARND WIEGMANN)

Danach brachen die Litauer förmlich ein, während die Schweizer «intelligente Phasen folgen liessen», wie Petkovic sagte. «Wir haben viel Energie gebraucht für dieses 1:0, das dann ein Befreiungsschlag war. Aber wir hatten immer Geduld», so Petkovic weiter: «Und vor allem haben wir nie nachgelassen.»

Kleine Show von Shaqiri

Das war ein Unterschied zum Auftritt in Maribor. Während dort die zweite Halbzeit nicht mehr so dominant war wie die erste und die Abwehr entscheidend patzte, durfte Petkovic sein Team diesmal gar rühmen, «sich nach der Pause mehr bewegt zu haben. In der ersten Halbzeit war unser Spiel oft etwas zu breit gewesen.» Nach dem 1:0 aber habe dann Shaqiri gar «eine kleine Show geboten – manchmal fast zu viel. Aber in dieser Situation kann man sich das erlauben.»

«Ich bin sehr zufrieden, wir haben drei Punkte gewonnen und einen guten Eindruck gemacht.» Trainer Vladimir Petkovic

Also konnte Petkovic am Ende eines Spiels, das ihn im Falle eines Misserfolgs in eine missliche Lage versetzt hätte, sagen: «Ich bin sehr zufrieden, wir haben drei Punkte gewonnen und einen guten Eindruck gemacht.» Die Stimmung in der St. Galler Arena war dementsprechend. Die Tendenz der Schweizer hat sich in Petkovics ersten Monaten doch noch eindeutig ins Positive gekehrt. Die Auswahl schlug einen zwar kaum zweitklassigen Gegner, aber sie schlug ihn sehr klar. Oder anders ausgedrückt: Ein 4:0 gegen Litauen ist gewiss mehr als ein 4:0 in San Marino oder gar ein (weltmeisterliches) 4:0 gegen Gibraltar.

Erfreulicher Sieg, da Stammkräfte fehlten

Erfreulich ist, dass die Schweiz in diesem Stil siegte, obwohl mit Linksverteidiger Ricardo Rodriguez und Mittelfeldspieler Granit Xhaka Stammkräfte fehlten. Den Erwartungen entsprach, dass Fabian Schär in die Startelf zurückkehrte und dort – in Abwesenheit Philippe Senderos‘ – Steve von Bergen ersetzte. Die einzige kleine Überraschung war der Vorzug, den Blerim Dzemaili vor Pajtim Kasami erhielt; es durfte also der altgediente Ersatzmann den Platz Xhakas übernehmen und nicht der Newcomer.

Am Ende war zu den individuellen Leistungen – über jene Drmics und Shaqiris hinaus – hervorzuheben: Schär machte einen ausgesprochen starken Match, zweifellos den eines Stammspielers. Er war defensiv sehr konzentriert und – im Gegensatz zum zweimal patzenden Johan Djourou – auch fehlerfrei. Petkovic rühmte Schärs Angriffsauslösung.

Weniger aufsehenerregend war, dass sich der Wiler unter die Torschützen einreihte – wie kurz zuvor das 1:0 fiel auch sein 2:0 nach einem Corner Shaqiris. «Schär verdiente das Tor für seine Leistung», sagte der Coach. Es war im erst neunten Länderspiel schon das vierte.

Ordentliches Debüt von Moubandje

Als Linksverteidiger debütierte François Moubandje mit einer Vorstellung, die das Publikum trotz diversen Problemen in der Anfangsphase zufrieden stellte. Nach der Pause kam Moubandje offensiv besser ins Spiel. Ausgewechselt wurde der 24-Jährige vom FC Toulouse eine Viertelstunde vor Schluss, weil er schon früh verwarnt worden war und Petkovic nach «zwei Aktionen, in denen er den Gegner nur knapp verfehlte,» gar eine noch härtere Sanktion befürchtete. 

Im Mittelfeld war Gökhan Inlers 80. Länderspiel ein sehr ordentliches, vor allem mit einer guten Zweikampfbilanz. Dzemaili bemühte sich, das Spiel immer wieder zu beschleunigen. Beste Aktion war der Pass, mit dem er Mehmedi vor dessen Pfostenschuss freispielte. Allerdings hätte Dzemaili die Gelegenheiten besessen, seinen Tag mit einem Tor aufzuwerten. Das galt noch mehr für Haris Seferovic, der wieder in den meisten Beziehungen gut bis sehr gut spielte. Aber mit der für einen Stürmer nicht unwesentlichen Einschränkung, aus mehreren guten Chancen kein Tor geschossen zu haben. Allerdings bot der litauische Torhüter gegen Seferovic auch seine besten Paraden.

Litauer würdigten Schweizer «Qualitätsspieler»

Insgesamt hat die Schweiz dem Druck standgehalten, dieses Spiel unbedingt gewinnen zu müssen. Sie hat auf Dauer ihre spielerische Überlegenheit ausgespielt und auch die Erinnerungen an ihren torlosen Auftritt in Slowenien getilgt. Sie hat also einige Zweifel beseitigt und die Tabelle in ihrem Sinn zurechtgerückt. Geht sie ihren Weg normal weiter, wie zuletzt unter Ottmar Hitzfeld durch die WM-Ausscheidung, wird sie auch ihr erstes Ziel unter Petkovic erreichen.

Das anerkannten auch die Litauer: «Die Schweizer verdienten den Sieg, sie hatten stets Vorteile», sagte Trainer Igoris Pankratjevas. Und Tadas Kijanskas, sein Captain, gab zu: «Die Schweizer sind die klar bessere Mannschaft als wir, sie haben Qualitätsspieler. Wir waren viel enttäuschter, als wir gegen Slowenien verloren.» Denn die Slowenen sehen die Balten als ihre direkten Gegner im Kampf um (Playoff-)Platz 3 – «England und die Schweiz aber sind die Topteams in dieser Gruppe.» 

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