2008 schied Tschechien in Genf gegen Portugal (1:3) bei der Euro aus. Im ersten Viertelfinal der Euro 2012 gegen Portugal kommt es zur Revanche, und die Tschechen schwärmen von ihrer Pilsen-Connection mit den beiden zweifachen Torschützen Petr Jiracek und Vaclav Pilar.
Patrick Vieira führte noch schnell parallel zwei Interviews und sprach dabei abwechselnd in zwei Mobiltelefone, eins hielt er in der rechten, eins in der linken Hand. Dann ging ehemalige französische Welt- und Europameister vergangenen Samstag auf das Podium im Pressekonferenzraum im Stadion von Breslau und überreichte Petr Jiracek einen riesigen Pokal. Vieira ist einer der sogenannten Uefa-Legenden, die bei dieser EM den jeweiligen «Spieler des Spiels» küren.
In seiner kurzen Lobrede bezeichnet Vieira Jiracek als das «Herz des tschechischen Spiels, das seiner Mannschaft die Energie gab, als sie sie brauchte.» Jiracek war etwas verlegen, der Profi des VfL Wolfsburg schüttelte schüchtern die Hand Vieiras und setzte sich artig wieder. Dabei stimmte es: Der 26-Jährige war beim 1:0-Sieg gegen Polen, das den Einzug ins Viertelfinale dieses EM-Titelkampfes für Tschechien bedeutete, nicht nur wegen seines Tores bester Spieler auf dem Platz.
Wie im Märchen
Nicht nur die Entwicklung des langmähnigen Mittelfeldspielers mit der grossen Leidenschaft und der feinen Technik überrascht. Nach einem 1:4 zum Auftakt gegen Russland, der Kritik an Trainer Michal Bilek und dem glücklosen Stürmer Milan Baros vom eigenen Anhang sowie der Verletzung von Captain Tomas Rosicky mutet der Einzug der Tschechen in den Auftakt der Viertelfinals in Warschau (Donnerstag, 20.45 Uhr) gegen Portugal fast märchenhaft an. Und es sind neben dem Leverkusener Michal Kadlec und dem dynamischen Rechtsverteidiger Theodor Gebre Selassie vor allem zwei tschechische Spieler, die den Teamgeist und die Klasse dieser überraschend erfolgreichen Mannschaft verkörpern: Petr Jiracek und Vaclav Pilar.
Beide werden in der nächsten Saison zusammen beim VfL Wolfsburg spielen werden. Der Wechsel des schnellen Aussenstürmers Pilar aus Pilsen nach Wolfsburg stand schon vor Turnierbeginn fest. Beide sind befreundet, beide trafen beim 2:1-Sieg gegen Griechenland im zweiten Gruppenspiel, beide haben schon zwei Tore geschossen und beide sind bei dieser EM schon zum «Spieler des Spiels» erklärt worden. Der draufgängerische Pilar wurde von der kroatischen Stürmerlegende Davor Suker nach dem Match gegen Griechenland ausgezeichnet.
Wolfsburg darf sich freuen
«Wir kennen uns aus Pilsen, Petr ist ein super Spieler, ich freue mich, mit ihm wieder in Wolfsburg zusammen spielen zu dürfen», sagt er 23 Jahre junge Vaclav Pilar. Und auf beide Spieler darf sich das Wolfsburger Publikum freuen, sie gehörten bei dieser EM zumindest in der Vorrundengruppe A mit den arroganten Russen, den überforderten Polen und den schnöden Griechen zu den Attraktionen dieser EM.
Auch der tschechische Trainer Michal Bilek weiss, was er an den beiden künftigen Bundesligaprofis hat. Besonders Jiracek traut er eine grosse Karriere zu. «Er ist ein grosser Spieler mit grossen Fähigkeiten, der sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt», sagt Bilek. Mit seinem ersten Länderspieltor schoss Jiracek die Tschechen in den Play-Offs beim 1:0 gegen Montenegro erst zur EM. Wie seine Kollegen, erlebte er eine zähe Turniervorbereitung, wie Trainer Bilek erzählt. Aber Jiracek hat sich wie seine Kollegen und der umstrittene Trainer ins Turnier gekämpft.
Bileks Schachzug
Nach dem Debakel zum Auftakt gegen Russland stellte Bilek die Mannschaft personell und taktisch um. Jiracek spielt seitdem auf der rechten Seite im Mittelfeld, gewöhnlich agiert er auf der linken Seite zusammen mit Pilar und Linksverteidiger David Limbersky, die alle drei im Pilsen einst ein spielstarkes Trio auf Links bildeten. «Wie Jiracek auf der ungewohnten Seite spielt und die Mannschaft mitreisst, ist grossartig», lobt Trainer Bilek. Die Fans in der Heimat vergleichen ihn schon mit Pavel Nedved.»
Mit der Ikone des tschechischen Fussballs will der bescheidene Jiracek lieber nicht in einem Atemzug genannt werden. Und die heimische Presse sprach nach Pilars EM-Auftritten nun sogar von einem «tschechischen Messi». Das findet der selbstbewusste Pilar dann doch übertrieben, auch wenn der zugibt, Messi mehr zu mögen als Ronaldo. Gegen den Star der Portugiesen können Vaclav Pilar und sein Kumpel Petr Jiracek heute Abend beweisen, wo die Tschechen nach dem Viertelfinaleinzug aus der nicht sehr anspruchsvollen Gruppe A wirklich stehen.