Fans, die gegen unbezahlbare Tickets protestieren, ein Land, das dessen ungeachtet einen Zuschauerboom in den Stadien erlebt und sich nicht weiter kümmert, dass es immer weniger Platz für englische Spieler und Trainer hat – die Premier League beginnt.
500 Fussballfans des FC Everton, Liverpool und anderen Premier-League-Vereinen veranstalteten am Donnerstag einen Protestmarsch zum Hauptquartier der Liga in der Londoner Innenstadt. Die Football Supporters Federation (FSF) demonstrierten gegen die horrenden Ticketpreise in Englands Oberhaus, wo die billigsten Jahreskarten zwischen umgerechnet 510 Franken (Aston Villa) und 1545 Franken (Arsenal) kosten und ganze Bevölkerungsgruppen nicht mehr regelmässig ins Stadion gelangen.
«Fussball stirbt einen langsamen Tod», sagt Michael Brunskill von der FSF. Die Leiden der Basis hört jedoch kaum jemand, weil die Kassen viel zu laut klingeln. Wohlhabendere Anhänger, nicht wenige von ihnen Spieltags-Touristen aus aller Welt, verdrängen allmählich die traditionelle Klientel. Mit mehr als 36’000 Besuchern im Durchschnitt verzeichnete die Premier League 2013/14 die meisten Zuschauer seit 1950.
Kein Wunder, dass die Vertreter der Liga die Demonstranten nach einem freundlichen, aber unverbindlichen Gespräch ohne konkretes Versprechen wieder verabschiedeten. Die Premier League hat keinen direkten Einfluss auf das Geschäftsgebären der Clubs und auch kein echtes Interesse, Veränderungen vorzunehmen. Nach einer ähnlichen Demonstration vor einem Jahr subventionierten die Premiere-League-Teilnehmer die Karten ihrer Fans mit je 300’000 Franken – nicht viel mehr als ein Almosen, auf die einzelne Eintrittskarte gerechnet. Offiziell wollte kein Premier-League-Funktionär zum Begehren der FSF Stellung beziehen. Auch das spricht Bände.
Liga will Zuschauern die «vines» untersagen
Nur allzu gerne liess sich der Sprecher der Liga am Freitag jedoch mit einer Warnung an die Fans zitieren. Diese sollen gehörigst nicht mehr sogenannte «vines», kleine Kurzfilme von Spielszenen, übers Internet verbreiten. «Wir wollen keine Spielverderber sein, aber wir müssen unser geistiges Eigentum schützen», sagte Pressechef Dan Johnson.
Hintergrund sind Verträge mit «Sun» und «Times», die analog zur «Bild-Zeitung» in Deutschland Tore exklusiv ins Netz stellen dürfen. Auch die Fernsehpartner «Sky» und «BT Sport», die in Konkurrenz zueinander die Spiele live auf der Insel übertragen, sowie die internationalen Medienpartner fühlen ihr Geschäftsmodell durch die «vines» bedroht. Die Liga hat 2,8 Milliarden Gründe (pro Saison, in Franken gerechnet), die Bedenken ernst zu nehmen.
Die Liga wird 3,6 Milliarden Franken umsetzen
Insgesamt werden die 20 mittlerweile überwiegend von ausländischen Investoren, Oligarchen (Chelsea) oder Scheichs (Manchester City) kontrollierten Clubs im kommenden Spieljahr circa 3,6 Milliarden Franken umsetzen. Wie sehr sich in der Premier League das Einkommen unabhängig vom sportlichen Erfolg entwickelt hat, zeigen zwei Meldungen der letzten Wochen. Southampton bezahlte gerade für den Allerweltsstürmer Shane Long (23 Ligatore seit 2011) 15 Millionen Euro an Hull City. Und der fränkische Sportartikel-Hersteller Adidas wird ab 2015/16 jährlich 94 Millionen Euro an Manchester United überweisen, damit die «Red Devils» zukünftig mit drei Streifen auflaufen.
Dass United im abgelaufenen Spieljahr die Qualifikation zur Champions League verpasst hat, scheint da nicht ins Gewicht zu fallen; 102’000 Zuschauer wollten im Juli das Testspiel der seit diesem Sommer vom Niederländer Louis van Gaal trainierten Truppe gegen Real Madrid im US-amerikanischen Michigan sehen.
Premier-League-Boss Richard Scudamore denkt ob der grossen internationalen Nachfrage schon wieder verstärkt darüber nach, ein 39. Spiel im Ausland zu veranstalten. «Ich denke, das wird irgendwann kommen», sagte er der BBC, «ich weiss nur nicht, ob ich dann noch im Amt bin». Der 55-Jährige hat eine Affäre um sexistische Emails über eine Mitarbeiterin schadlos überstanden. Er macht seine Arbeit einfach zu gut.
Immer weniger englische Spieler und Trainer
Englands schändliches Vorrunden-Aus bei der WM in Brasilien? Auch kaum ein Thema. Natürlich würden sich alle eine bessere Nationalelf wünschen, doch bei den meisten Fans steht das Wohl des eigenen Clubs an höchster Stelle. «Man sieht, dass etwas falsch läuft, fragt aber dann doch nur, wer als nächstes gekauft werden soll», sagt Sam Wallace vom «Independent». Das Erfolgsrezept der Premier League, ihre radikale Internationalisierung, ist Gift für englische Spieler und Trainer. Sie sind wegen der ständigen schwindenden Zahl der Arbeitsplätze die Verlierer dieses Milliarden-Spiels.
Das Publikum stört sich daran nicht. Es erfreut sich an der einzigen Spitzenliga, bei der es mehr ernsthafte Meisterschaftsanwärter als Champions-League-Startplätze gibt. Van Gaal ist hier mit seinem XXL-Ego exakt an der richtigen Stelle. Sein United eröffnet am Samstagmittag gegen Swansea City die Saison. Und die Welt wird zuschauen.
» Der erste Spieltag in der Premier League