Von Paulo Sousa zu Urs Fischer – die zurückliegenden 14 Tage beim FC Basel waren erst geprägt von ausufernden Spekulationen sowie silenzio stampa und mündeten schliesslich in einem erneuten Trainerwechsel. Seit Donnerstag wird wieder geredet, und so lassen sich die Ereignisse zumindest aus FCB-Perspektive rekonstruieren.
Paulo Sousa ist beim FC Basel Geschichte. Der neue Cheftrainer heisst Urs Fischer. Zwischen der Meisterfeier und dem Wechsel des wichtigsten sportlichen Angestellten liegen nur 20 Tage. Das Ende der Episode Sousa nimmt am Donnerstag ebenso breiten Raum ein wie die Präsentation des neuen Coaches.
Schmutzige Wäsche wird dabei keine gewaschen, so wie das die FCB-Verantwortlichen schon im Fall der Trennung von Heiko Vogel vor zweieinhalb Jahren gehalten haben, und wie es auch beim Abschied von Murat Yakin war, der vor Jahresfrist sogar noch mit dem Präsidenten gemeinsam einen letzten öffentlichen Auftritt als FCB-Trainer hatte.
Erneut tauscht der FC Basel seinen Trainer aus. Der – wenn man das in Sousascher Diktion so nennen darf: Prozess der erneuten gegenseitigen Loslösung dauerte gut zwei Wochen. So schildern es Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz, ausführlich und so tiefgehend, wie sie es ihnen nach zwei Wochen selbst auferlegtem Schweigen in der Öffentlichkeit angebracht scheint. Eine Chronologie der Ereignisse:
Das ernst zu nehmende Alarmsignal
Erste, intensive Gespräche zwischen Clubleitung und Sousa finden schon in der Woche vor dem Cupfinal-Sonntag statt. Da wird, so Heusler, dem FC Basel klar, «dass der Trainer nicht wirklich glücklich ist bei uns. Mit uns meine ich nicht nur den Club, sondern auch das Umfeld.»
Dieser Befund ist am 3. Juni ein, so Heusler, «ernst zu nehmendes Alarmsignal» für den FCB. «Der Trainer ist die wichtigste Führungsperson in einem Unternehmen wie dem FC Basel, und um hochtalentierte Fussballprofis zu führen und zu motivieren, muss man sich zu hundert Prozent wohlfühlen in seiner Haut und im Club.»
Es folgt das aus Basler Sicht himmeltraurige Cup-Endspiel. Nicht, dass der alte und neue Meister den Erfolg eines an diesem Tag klar besseren FC Sion nicht neidlos anerkennt. Aber es steht eine Mannschaft im eigenen Stadion auf dem Platz, die nicht parat ist für den finalen Höhepunkt der Saison. Einen Zusammenhang mit den Entwicklungen im Hintergrund will Sportdirektor Georg Heitz nicht erkennen: «Die Spieler haben den Final komplett verpatzt. Die Luft war draussen.»
Nach einer erfolgreichen Saison der finale Tiefpunkt: Paulo Sousa während des verlorenen Cupfinals gegen Sion. (Bild: Meinrad Schön)
Am Mittwoch darauf, wir schreiben den 10. Juni, ist die nächste Gesprächsrunde mit Sousa angesetzt. Es treten Differenzen zutage, die der Sportdirektor grundsätzlich so beschreibt: «Es ist vorwiegend darum gegangen, dass Paulo Sousa seine Rolle als Headcoach, wie er sagen würde, ein bisschen anders beurteilt als wir für unseren Club. Und für den FCB ist das Rezept, das wir in den vergangenen Jahren angewendet haben, das richtige.»
Die Irrungen und Wirrungen gehen weiter, die Spekulationen und Gerüchte türmen sich, und was Heusler und Heitz aus Zeitungen und dem Netz entnehmen, ist, so der Präsident im Rückblick, «auch für uns gar nicht zu beurteilen gewesen». Überrascht werden sie nicht von der Entwicklung. «Wir kannten seine Biografie», sagt Heitz, «es war uns klar, dass Paulo Sousa kein Sesselkleber ist.»
Wieder verstreicht eine Woche bis zur nächsten Zusammenkunft mit Sousa. Unterdessen streckt der FCB aber vorausschauend seine Fühler Richtung Urs Fischer aus. Es ist eine erste informelle Anfrage, vor «fünf, sechs Tagen», so Heusler gestern, ob Fischer sich vorstellen könne, Trainer des FCB zu werden.
Fischer kann. Nach «ein, zwei Tagen, in denen ich nicht so gut geschlafen habe». Eine grundsätzliche Einigung mit Fischer ist rasch getroffen, ohne dass der FCB gross mit anderen Trainern in Verhandlung tritt, die ihm stapelweise angeboten werden. Georg Heitz drückt es so aus: «Es war kein Kampf zwischen fünf Trainern, die wir ähnlich beurteilt haben. Urs Fischer war sehr schnell unser Wunschkandidat.» Doch noch sind die «Hausaufgaben» mit Paulo Sousa zu erledigen.
Es wird viel geredet, die Differenzen bleiben
Unterdessen weiss der FCB nicht, was dran ist an den Meldungen aus Italien, an Sousa und der Fiorentina, «weil wir nicht mit ihm darüber geredet haben, respektive hat er uns gesagt, dass es aktuell nicht sein Problem sei, unbedingt beim Club x oder y unterschreiben zu wollen», schildert Heusler die Situation. «Es wurde eher akzentuiert über die Themen geredet, bei denen wir Differenzen erkannt haben.» Im Communiqué des FCB zur Trennung lautet die Formulierung unmissverständlich: erfolgreich, aber auch «mit unbeirrbarer Konsequenz» habe Sousa beim FCB gewirkt.
Sportdirektor Heitz äussert sich dazu diplomatisch und zurückhaltend: «Es war zu erahnen, dass es schwierig wird, mit ihm weiterzuarbeiten.»
Das geht so bis Mittwoch, 17. Juni. Quasi bis zum Showdown zwischen dem FCB und Paulo Sousa. Das nächste Treffen, lange, intensive Gespräche, die sich über fast fünf Stunden hinziehen. Heusler sagt dazu: «Wir haben uns entschieden, einen Schlussstrich zu ziehen, indem wir den Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben haben. Was ihm die Freiheit gibt, seine Zukunft zu planen und uns auch.» Welche Verabredungen getroffen wurden, darüber herrscht Stillschweigen. Also auch zur Frage, ob Geld fliesst für die Vertragsauflösung, ob sich der Portugiese freigekauft hat.
Sousa ist Geschichte, und Heusler sagt zur Entwicklung der vergangenen zwei Wochen: «Ich nehme es Paulo Sousa nicht übel: Er hat uns auch zu Beginn des Drei-Jahre-Projekts nie vorgespielt, dass er beim FC Basel pensioniert werden möchte.» Dass die zurückliegenden Tage aufreibend waren, dass ihn sein nun ehemaliger Trainer währenddessen auch genervt hat, diesen Eindruck gewinnt man bei Bernhad Heusler jedoch ebenso.
Aber die neue Lösung scheint ihn über manches Ungemach hinwegzutrösten: «Bei Urs Fischer sind wir überzeugt, dass er sich mit dieser Aufgabe absolut identifiziert und Basel nicht als Durchgangsstation betrachtet.» Der Clubchef formuliert seine eigenen Erwartungen noch eindringlicher und setzt darauf, dass Fischer «mit voller Motivation, Freude und Überzeugung und hoffentlich mit einem Glücksgefühl in Körper und Geist für den FCB tätig ist und die Mannschaft motiviert.»
Ein vorläufig letztes Treffen mit Sousa
In den kommenden Tagen wird es noch einmal zu einem Treffen zwischen der Basler Clubspitze, Sousa und dessen Assistenten kommen. «Wir werden uns verabschieden voneinander, und wenn ich von jemanden auseinandergehe, dann lebe ich mein Leben nach dem Prinzip, dass ich künftig nicht das Trottoir wechseln muss, wenn mir derjenige wieder entgegenkommt.»
Und wer weiss: Sechsmal sind Heusler und Sousa sich begegnet, als der Portugiese mit Videoton und Maccabi im Europacup auf den FCB traf. «Vielleicht», sagt Heusler, «gibt es auch noch ein siebtes und achtes Mal.»
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Erste Worte und Ankündigungen von Fischer an der Medienkonferenz: Inzwischen schläft der neue FCB-Trainer Urs Fischer wieder gut
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