Die Schweizer Nische auf dem globalen Markt

Schweizer Clubs funktionieren für junge Profis seit Langem als Brückenkopf auf dem Weg zu grossen Verträgen im europäischen Fussball. Aber der Markt bewegt sich.

Ein Team, elf Nationen. Die Herkunftsländer der FCB-Spieler.

Schweizer Clubs funktionieren für junge Profis seit Langem als Brückenkopf auf dem Weg zu grossen Verträgen im europäischen Fussball. Aber der Markt bewegt sich.

Der Schweizer Clubfussball ist ein Gewinngeschäft. Zugegeben, das klingt in Zeiten von Xamax-Konkurs, GC-Taumel und drohender Servette-Insolvenz unglaubwürdig. Und es ist auch ein wenig geflunkert. Aber völlig aus der Luft gegriffen ist die Behauptung nicht. In einem Bereich erarbeitet die Super League nämlich tatsächlich schwarze Zahlen: In den letzten Jahren hat die Liga stets eine positive Transferbilanz erreicht.

Das heisst, dass die zehn Clubs zusammengerechnet jeweils mehr Geld durch Spielerwechsel eingenommen als ausgegeben haben. Die Schweiz ist also ein erfolgreiches Exportland für Fussballprofis. Und das gezwungenermassen: weil die Vereine sonst nicht genug Gelder generieren, etwa durch Pay-TV. So bleibt nur, Löcher durch Transfereinnahmen zu stopfen.

Das gilt sogar für den Schweizer Branchenprimus, den FC Basel. Auch wenn dessen Präsident Bernhard Heusler immer wieder betont, dass der FCB seine Spieler «nicht auf dem Markt feilbietet». Aber das müssen die Basler auch gar nicht. Solange FCB-Profis die Qualität haben, den eigenen Club vorwärtszubringen, kommen die Angebote aus grösseren Ligen automatisch.

Natürlich sind es Schweizer Talente wie Shaqiri (FCB, bald Bayern) oder Rodriguez (Ex-FCZ, heute Wolfsburg), die die Kassen der heimischen Clubs füllen. Aber weil auch die beste Nachwuchsabteilung nicht jedes Jahr zwei bis drei Riesentalente hervorbringen kann, versuchen jene Clubs, die es sich leisten können, magere Jahre abzufedern: Sie suchen im Ausland nach talentierten Fussballern, die danach in der Schweiz weiter ausgebildet werden und später in eine grössere Liga wechseln sollen.

Bleibt die Frage, wie die Clubs vielversprechende Talente finden. Der FCB zum Beispiel hatte lange Zeit eine starke südamerikanische Fraktion mit Schwerpunkt Argentinien. Heute steht mit David Abraham nur noch ein Argentinier im Team. Und das, obwohl Chefscout Ruedi Zbinden den Kontinent noch immer bereist und ein Teilzeit-angestellter Scout weiterhin von Buenos Aires aus Südamerika im Basler Auftrag beobachtet.

Brasilianer bleiben zu Hause

Statt lateinischen Fussballern verpflichtete der FCB im Sommer einen Nord- und einen Südkoreaner. Eine bewusste Entscheidung, sich vermehrt in Asien zu engagieren, sei das aber nicht gewesen, beteuert Sportkoordinator Georg Heitz: «Ich würde darin eher Zufall als eine Tendenz sehen.»

Aber er stellt zugleich fest, dass es für Schweizer Clubs schwieriger geworden ist, Spieler aus einst traditionellen Fussball-Export-Ländern zu verpflichten. So sind durch den Wirtschaftsboom die Löhne im brasilianischen Profifussball derart gestiegen, dass weniger Talente das Land verlassen: «Und Argentinien wird dadurch teuer, dass die Transferrechte von Spielern häufig nicht bei den Clubs liegen, sondern bei privaten Investoren.»

In Kroa­tien wiederum monopolisiert ein einheimischer Club die Talente. «Dort grast Dinamo Zagreb alles ab», stellt Heitz fest. Und Spieler von Dinamo sind für den FCB wiederum zu teuer. Ähnliches geschieht in Serbien mit Roter Stern Belgrad. Dazu bearbeiten potente russische und ukrainische Clubs den osteuropäischen Raum. Trotzdem beobachtet der ehemalige Stürmer Vratislav Lokvenc im Auftrag des FCB Talente in Osteuropa.

Der Markt weitet sich aus

Angst, dass irgendwann keine Spieler mehr für den FCB übrig bleiben, hat Heitz sowieso nicht. Denn das Angebot werde tendenziell grösser: «Durch Programme der Fifa und der Uefa gibt es in immer mehr Ländern gut ausgebildete junge Fussballer.» Von den baltischen Staaten würden wahre Wunderdinge erzählt. Und wegen der grossen Fortschritte des Fussballs in Asien überlegt der FCB, nun auch dort Turniere der Nachwuchs-Nationalteams zu sichten, so wie er das bereits in Afrika tut: «Spieler, die in ihrem Land nicht in einer Junioren-Auswahl stehen, sind für den FCB auch kaum interessant.»

Doch trotz aller Anstrengungen ist für Heitz klar, dass Kommissar Zufall für Schweizer Clubs immer eine Rolle spielen wird. So wurde der vom FCB umworbene Ägypter Mohamed Salah in Südamerika entdeckt. Dort spielte er mit Ägyptens U20 an der WM in Kolumbien, wo sein Talent dem argentinischen Scout des FCB ins Auge sprang.

Dabei sei es noch eine Seltenheit, dass ein Spieler durch einen eigenen Angestellten entdeckt werde, sagt Hansruedi Hasler, jahrelang Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbandes und nun in derselben Funktion für die Young Boys tätig. Weit häufiger seien Schweizer auf Kontakte im Netz der Berater und Agenten angewiesen: «An die zunehmende Internationalisierung mussten sich die Schweizer Clubs erst herantasten. Trotzdem haben selbst Basel und Bern nur beschränkte Ressourcen.»

Young Boys: Abkehr von Afrika

YB hat sich lange Zeit auf einen Mann und einen Kontinent verlassen: den Spielerberater Jean-Bernard Beytrison und Afrika. Zwar haben die Berner nicht den so heiss ersehnten Titel gewonnen, dafür eine Menge Transfererlöse erzielt. Für Bienvenu (Fenerbahçe), Zayatte (Hull), Mangane (Lens), Doubai (Udinese) und Doumbia (ZSKA Moskau) flossen rund 30 Millionen Franken, wovon laut «Berner Zeitung» nach Abzug der Provisionen für Spieler und Agenten circa 20 Millionen Franken hängengeblieben sein sollen.

Im Winter hat YB trotzdem auf einem anderen Kontinent zugeschlagen. Mit Josef Martinez (18) und vor allem mit dem von einigen europäischen Clubs umworbenen Verteidiger Alexander Gonzales hat YB zwei Talente aus Venezuela verpflichtet. Die Entdeckungen nennt Hasler «keinen Zufall». Ohne das Lobbying von Gabriel Urdaneta wäre es jedoch wohl noch schwerer gewesen, die beiden zu holen. Urdaneta, 77-maliger Nationalspieler für Venezuela, war von 2004 bis 2005 bei YB unter Vertrag und lässt mit 36 Jahren seine Karriere in Köniz ausklingen.

Zum Discountpreis kauft man allerdings auch an der Karibikküste nicht mehr ein. Ein «bisschen günstiger» als Brasilianer und Argentinier nennt Hasler die Verpflichtungen der beiden Venezolaner; die Rede ist von rund einer Million Franken, die investiert wurde. Hasler sagt: «Die beiden sind sehr talentiert und wissen bereits, was sie wert sind.» Das bedeutet für YB Investitionen in eine ungewisse Zukunft.

Intensive Betreuuung für junge Ausländer

Denn selbst wenn die Ausbildung junger Ausländer eine Nische im globalen Fussballmarkt ist, die Schweizer Clubs erfolgreich bearbeiten: Risikolos ist das Geschäftsmodell nicht. Nicht jedes Talent setzt sich durch. Und junge Spieler von einem anderen Kontinent brauchen viel Betreuung – gerade neben dem Feld. «Du musst es dir leisten können, dich intensiv um diese Spieler zu kümmern», sagt Heitz.

Der FC Basel tut das. Inzwischen glaubt Heitz gar, dass sich dadurch ein vordergründiger Nachteil in einen Vorteil gewandelt hat. Gerade weil die Schweiz nicht zu Europas Top-Ligen zählt, kann ein Talent behutsamer an grössere Aufgaben herangeführt werden. Und dass die Basler dies besonders erfolgreich tun, hat sich in der Szene herumgesprochen.

Das durchschnittliche Alter der ausländischen Spieler des FCB

Anteil der unter 23-Jährigen unter den FCB-Ausländern

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

Nächster Artikel