Messi, Messi, Messi und noch einmal Messi – in Zürich wird der bescheidene Argentinier zum vierten Mal als Weltfussballer des Jahres ausgerufen, und es ist kein Ende der Lionel-Messi-Festspiele in Sicht.
An diesem Abend hatte Lionel Messi schwer zu tragen. Ein Glück, dass er mit dem Goldenen Ball, der ihm am Montag zum vierten Mal nacheinander in die zarten Hände gedrückt wurde, nicht auch noch kicken muss. Ihn brächte selbst der grösste Zauberer des Fussballs von heute kaum ins Rollen. Mochten auch die Arme von dem gewichtigen Präsent für den besten Kicker des Planten ein wenig durchhängen, so nahm der 25 Jahre alte Argentinier diese süsse Last liebend gern auf sich – so wie schon in den drei Jahren zuvor.
Von Jahr zu Jahr mehr scheint der argentinische Serienheld und Superstar des FC Barcelona den Moment zu geniessen, da er das gute Stück wieder einmal in Erbpacht nimmt. Mutete er 2010 bei seiner ersten Zürcher Kür durch den Internationalen Fussball-Verband (Fifa) noch beinahe gehemmt und überaus scheu an, so lächelte der 1,69 Meter lange Südamerikaner diesmal selig, als wieder einmal nur er für den grossen Preis in Frage gekommen war.
Die tausend geladenen Gäste bei der Gala im Kongresshaus dankten dem «Floh aus Rosario» mit Ovationen für seine magischen Aufführungen, die er mit seinem Freund, dem Ball, und zum Nutzen des katalanischen Weltclubs und seiner von ihm als Captain angeführten Nationalmannschaft zelebriert.
Ihn mögen eigentlich alle, gerade, weil er das, was er über sich mitzuteilen hat, mit seinem unfassbar artistischen Spiel sagt. Als ihn am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz vor der Gala ein kleiner Junge fragte, ob Messi schon in Kindesjahren der beste Spieler gewesen sei, antwortete der Südamerikaner ohne jede Koketterie: «Ich kann wirklich nicht sagen, ob ich damals der beste war; ich weiss nicht einmal, ob ich heute der beste bin. Wichtig war nur, dass ich immer mit dem Ball spielen konnte.»
Zidane und Ronaldo überholt
Nach seiner vierten Wahl nacheinander zum Weltfussballer des Jahres hat Messi auch Zinédine Zidane, den grossen französischen Spielmacher, und den brasilianischen WM-Rekordtorschützen Ronaldo (15 Treffer) hinter sich gelassen. Ihnen wurde diese höchste persönliche Auszeichnung durch den Fussball-Weltverband dreimal zuteil. Messi dagegen scheint mit seinen gerade mal 25 Jahren noch längst nicht im Landeanflug auf seiner Überflieger-Welttournee. Er wird wohl noch einige Male den Goldenen Ball so innig streicheln und behutsam absetzen wie er das am Montag wieder getan hat.
Dem grossen Rivalen einmal wieder voraus zu sein, wie bei seiner Wahl zum Weltfussballer 2008, davon hatte Cristiano Ronaldo im vergangenen Jahr lange geträumt. Als der portugiesische Stürmerstar des spanischen Meisters Real Madrid aber am Montag in die Schweiz reiste, war er längst in der Realität angekommen. Ihm blieb mit 23,68 Prozent der abgegebenen Stimmen durch die Nationaltrainer (darunter Ottmar Hitzfeld) und Nationalmannschaftscaptains (darunter Gökhan Inler) der 209 Fifa-Mitgliedsverbände der achtbare zweite Platz hinter Messi (41,60 Prozent) und vor dessen Vereinskollegen und Freund Andres Iniesta (10,91), der vor ein paar Wochen Europas Fussballer des Jahres 2012 geworden war.
Cristiano Ronaldo trägt es mit Fassung
Der portugiesische Beau war einer der ersten, die Messi nach der Wahl gratulierten und wirkte dabei alles andere als verkniffen. «Wenn ich den Goldenen Ball nicht gewinne», hatte er schon vorher gesagt, «geht das Leben trotzdem weiter. Ich glaube, dass ich meinen Auftrag auch so erfüllt habe.»
Dieser von den Protagonisten der Primera División geprägte Abend, an dem auch der spanische Weltmeistercoach Vicente del Bosque zum Welttrainer des Jahres gewählt wurde, taugte nicht für kleinliche Ego-Rechnungen. «Leo» Messi, der im Jahr 2012 Gerd Müllers Uralt-Weltrekord von 85 Treffern in einem Kalenderjahr (1972) mit 91 Toren pulverisiert hat, blieb in eigener Sache sowieso auf dem Roten Teppich.
«Bin mehr am Kollektiv interessiert»
«Ich glaube nicht», hob er selbstkritisch hervor, «dass das mein bestes Jahr war, denn wir haben mit Barcelona lediglich den spanischen Pokal geholt. Es gab Jahre, in denen wir mehr gewonnen haben.» Die Champions League beispielsweise oder die spanische Meisterschaft. Überhaupt gab der zierliche Mann mit dem Kurzhaarschnitt und dem weiss gepunkteten schwarzen Tuxedo – ein pfiffiges Outfit des Individualisten Messi – gern noch einmal sein uneigennütziges Credo preis: «Ich bin mehr an Auszeichnungen für das Kollektiv als an individuellen Preisen interessiert.»
Dem Star, der konstant fürs grosse Ganze glänzt, nehmen seine Fans dieses Bekenntnis noch immer ab. Messi, beim FC Barcelona sozialisiert, spielt ja auch in der besten Mannschaft der Welt. «Das, was wir von Messi sehen, hat es zu keiner Zeit gegeben», pries Günter Netzer, die deutsche Spielmacher-Ikone aus der fabelhaften Europameisterelf des Jahrgangs 1972, den göttlichen Argentinier, mag auch der Brasilianer Pelé für Netzer nach wie als «Gesamtkunstwerk» der bisher beste Spieler gewesen sein.
Und dann das Wichtigste: die Familie
Messi, Messi, Messi, Messi – und kein Ende der Messi-Festspiele in Sicht: Gut möglich, dass dieser Himmelsstürmer mit dem siebten Sinn für den Moment, da er vom freundlich anmutenden Mitspieler zum unaufhaltsamen Torläufer und Torjäger wird, die Welt des Sports noch jahrelang in Atem hält.
Dass Lionel Messi den Fussball liebt, beweist er Woche für Woche. Am Montag aber hat der Künstler bekannt, dass es für ihn noch etwas wichtigeres als sein Spiel gibt. «Das Leben mit meiner Frau (Antonella) und meinem (zwei Monate alten) Sohn Thiago ist das Schönste, was mir je widerfahren ist», sagte Lionel Messi und wirkte dabei sehr, sehr glücklich.
Weltfussballer seit 1991* | ||||
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Name | Herkunft | Position | Anzahl | Jahre |
Lionel Messi | Argentinien | Stürmer | 4 | 2009, 2010, 2011, 2012 |
Zinédine Zidane | Frankreich | Mittelfeld | 3 | 1998, 2000, 2003 |
Ronaldo | Brasilien | Stürmer | 3 | 1996, 1997, 2002 |
Ronaldinho Gaúcho | Brasilien | Mittelfeld | 2 | 2004, 2005 |
Cristiano Ronaldo | Portugal | Stürmer | 1 | 2008 |
Kaká | Brasilien | Mittelfeld | 1 | 2007 |
Fabio Cannavaro | Italien | Verteidiger | 1 | 2006 |
Luis Figo | Portugal | Mittelfeld | 1 | 2001 |
Rivaldo | Brasilien | Mittelfeld | 1 | 1999 |
George Weah | Liberia | Stürmer | 1 | 1995 |
Romário | Brasilien | Stürmer | 1 | 1994 |
Roberto Baggio | Italien | Mittelfeld | 1 | 1993 |
Marco van Basten | Niederlande | Stürmer | 1 | 1992 |
Lothar Matthäus | Deutschland | Mittelfeld | 1 | 1991 |
*Die Auszeichnung Ballon d’Or des Fachblatt France Football gibt es seit 1956; seit 1991 vergibt die Fifa den Weltfussballer des Jahres, seit 2010 vergeben das Fachblatt und die Fifa gemeinsam den Fifa Ballon d‘Or |
Sein Trainer aus Kindertagen erzählt, wie er dem kleinen, wie ein Irrwisch dribbelnden Lionel Messi auf dem Platz in Rosario zurief, er solle den Ball abspielen. Als Lionel Messi später beim FC Barcelona dann auch noch damit anfing, war es geschehen. Aber sehen sie selbst: