Politisch, wirtschaftlich und emotional stellt der FC Porto In der zweitgrössten Stadt des Landes einen gewichtigen Faktor dar – und der Club ist sich dieser Macht bewusst. Für die anderen Fussballvereine bleiben nur Nischen. Teil 2 unserer Serie über den Champions-League-Gegner des FC Basel.
Feuer und Flamme: Portistas auf der Avenida dos Aliados am 19. Mai 2013, als der FC Porto den jüngsten seiner 30 Meistertitel feierte.
(Bild: Imago/Rui Oliveira, Global Images)Vergangenes Jahr wurde Rui Moreira zum Stadtoberhaupt von Porto gewählt. Überraschend, denn der Geschäftsmann und ehemalige Präsident der lokalen Unternehmervereinigung trat als unabhängiger Kandidat an. Gewiss verdankt er die Mehrheit auch der Parteienverdrossenheit. Wichtiger ist jedoch seine Verbundenheit mit dem FC Porto.
In Talkshows und als Kolumnist der Sportzeitung «A Bola» war Rui Moreira ein intelligentes Sprachrohr des Vereins. Sein Vorgänger im Amt, der Sozialdemokrat Rui Rio, hatte mit einer Tradition gebrochen. Der FCP war ihm gleichgültig, also stellte er das Rathaus nicht mehr als Schauplatz für Titelfeiern zur Verfügung. Eine bevorzugte Behandlung sei aus politischer Sicht nicht zu verantworten.
Schliesslich gibt es in Porto auch noch Boavista, den Meister von 2001, Salgueiros, nach einem Absturz in die Kreisklasse zurück auf dem Weg in die zweite Liga, und mehrere Amateurklubs, die soziale Aufgaben erfüllen und Subventionen rechtfertigen. Der Ansatz mag korrekt sein, unterschätzt hat Rio allerdings die Emotionen. Je schlechter es vielen Leuten im Zuge der Wirtschaftskrise geht, desto mehr halten sie sich am Vorzeigeclub fest.
Den letzten Meistertitel 2013 feierte der FC Porto vor dem Stadion Dragao – das Rathaus wurde vom inzwischen abgewählten Bürgermeister nicht zur Verfügung gestellt. (Bild: Imago/Rui Oliveira, Global Images)
Der FC Porto ist eine Oase in der Wüste, ein Grund, stolz zu sein. Firmen geben nach und nach auf, andere verlagern ihren Sitz nach Lissabon, der Verein jedoch widersteht und zeigt den Hauptstädtern, wo der Hase läuft.
Kauft man sonntags morgens eine Zeitung und weiss noch nicht, wie die Blauweissen gespielt haben – an den Gesichtern ist es leicht abzulesen. Ein Sieg entspannt die Leute, erhöht die Gesprächsbereitschaft und kaschiert die Probleme.
Die Kultur, der Tourismus und der Sport
Ende Januar kündigte der Bürgermeister an, dass ein städtisches Symbol privatisiert wird. Die frühere Militäranlage Castelo do Queijo (Käse-Burg) liegt an einem schönen Strand, und bei Welt- und Europameisterschaften gibt es hier Public Viewing. Das Areal ist immer gut besetzt. Nun schrumpft der öffentliche Raum, die Instandhaltung von Infrastrukturen wird für den Staat zu teuer.
Auch im Kulturbereich ist unter Rios Ägide massiv der Rotstift angesetzt worden. Dass die Kultur als Wirtschaftsfaktor Bedeutung hat und in Verbindung mit dem Tourismus zu einer Aufwertung der Stadt beitragen kann, glaubt die neue Exekutive und fördert Projekte. Gäste, die mit ihren Clubs zur Champions League angereist sind, kommen vielleicht wieder, wenn sie das Angebot überzeugt.
Im laufenden Wettbewerb brachte Athletic Bilbao viele Fans mit, vergangene Saison in der Europa League Eintracht Frankfurt. Noch stärker war die Resonanz bei den Gastspielen von Schalke 04 und Manchester United. Fast 10’000 Anhänger kamen jeweils nach Porto, die der Schalker Knappen aus vielen Teilen Deutschlands. Eine Kölner Gruppe traf ich zufällig auf der «Empore» eines winzigen Lokals beim Fischessen. Glücklich flogen sie zurück, weil Manuel Neuer die Portugiesen zur Verzweiflung gebracht hatte.
Portuenses, Portistas und Boavisteiros
Es gibt auch in Porto Leute, die mit dem FCP nichts am Hut haben. Zwischen Portuenses und Portistas wird unterschieden, zwischen Stadtbewohnern und Clubfans. Als verkappter Boavisteiro galt Rui Rio. Legt man die englisch-elitären Wurzeln des Vereins in bester Lage und die Präferenz des Politikers für Wirtschaftseliten zugrunde, scheint die Vermutung nicht aus der Luft gegriffen.
Meisterschaften (30) 1922 | 1925 | 1932 | 1937 | 1939 | 1940 | 1956 | 1959 | 1978 | 1979 | 1985 | 1986 | 1988 | 1990 | 1992 | 1993 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 | 1999 | 2003 | 2004 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2011 | 2012 | 2013
Pokalsiege (16) 1956 | 1958 | 1968 | 1977 | 1984 | 1988 | 1991 | 1994 | 1998 | 2000 | 2001 | 2003 | 2006 | 2009 | 2010 | 2011
Pokal der Landesmeister, Champions League (2) 1987 | 2004
Uefa-Cup, Europa League (2) 2003 | 2011
Freilich hat sich Boavista nach der Euro 2004 drastisch gewandelt und gleicht heute einem verarmten Aristokraten. Das neue Trainingszentrum und der Umbau des Bessa-Stadions überstiegen die finanziellen Möglichkeiten, ein Bankrott drohte. Als die «Zebras» wegen Schiedsrichterbestechung auch noch zwangsrelegiert wurden, sah es ganz trüb aus. Doch der Prozess wurde neu aufgerollt, Verfahrensfehler wurden festgestellt.
Ein administrativer Entscheid katapultierte Boavista aus der dritten in die höchste Liga, wo sich das Team seit August erstaunlich gut schlägt und den Klassenerhalt schaffen dürfte. Höchst erstaunlich war das torlose Remis im Drachen-Stadion gegen den FC Porto. Hinter Benfica, Porto, dem Sporting Clube de Portugal, dem Sporting Clube de Braga und Vitoria de Guimaraes steht Boavista bei den Zuschauerzahlen auf Rang 6.
Salgueiral – mit der Kraft des Kollektivs
Eine Vielzahl Fans hat auch der Sport Comercio e Salgueiros aus einem Stadtteil von Porto. Proletarisch verwurzelt, verschwand er vorübergehend von der Bildfläche und wurde als Salgueiros 08 neu gegründet. Das Stadion Vidal Pinheiro gibt es nicht mehr, gespielt wird zur Miete auf verschiedenen Plätzen. Junge Familien und Rentner sorgen für Stimmung.
Stadionlandschaft von Porto: Das Estádio Engenheiro Vidal Pinheiro (links) des S.C. Salgueiros gibt es nicht mehr, das Antas (Mitte) wurde abgerissen und für den FC Porto das Dragao (Mitte, Hintergrund) gebaut, und Boavista spielt im Estádio do Bessa (rechts).
Den guten Ruf verdanken die Rotweissen ihrer Nachwuchsschulung. In Kneipen sind die jovialen Anhänger leicht zu identifizieren. Bau- und Transportunternehmer hielten den Club über Wasser, bis die Krise auch ihre Möglichkeiten einschränkte. Nun trifft man sich mit Boavista in Bescheidenheit und erfreut sich an der Konsolidierung.
In einem Stammlokal wird sofort das Thema Salgueiros angeschnitten. Es gäbe in der Jugend herausragende Talente, sagt der Salgueiros und Porto gleichermassen zugetane Wirt. Zum kleinen Rivalen passt das Bild einer Kooperative. Technische Finessen und Spielkultur sind gefragt, während Boavista rustikaler auf Kampfgeist setzt. Man wird vom «Salgueiral», der 1990 in der ersten Uefa-Cup-Runde scheiterte und einige Nationalspieler ausgebildet hat, wieder hören.
Lesen Sie morgen: Pedroto – Meister mit Porto und Revolutionär des portguiesischen Fussballs
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