Die Trackbike-Premiere in Riehen ist zu hip für die Basler Fixie-Szene

Basler Fixie-Szene fürchtet neues Trackbike-Rennen, das in den Trendmetropolen Tausende lockt.

World Champion Swiss messenger Jerome Thiriet from Basel in action during the skid competition at the Cycle Messenger World Championships in Lausanne, Switzerland, Thursday, August 1st, 2013. During the skid competition riders block their rear wheels and skid as far as possible. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

(Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON)

Rasende Bahnvelo-Hipsters brettern seit ein paar Jahren auf den Boulevards der Metropolen um Rennsiege. Nun laden die Basler Velokuriere zum ersten solchen Kriterium der Schweiz. Doch die hiesige Fixie-Szene kneift.

Die Austragungsstätten des Red Hook Crit sprechen für sich: Milano, London, Barcelona – was auf diesen Boulevards rollt, muss Trend sein. Das erste Kriterium dieser neuen Rennserie, wo Bahnfahrer ihre Runden ausserhalb des Velodroms drehen, fand 2008 in Brooklyn statt – dem Mutterpflaster aller Hipsters. Tausende Zuschauer säumen heute die Strecken dieser Kriterien.

Der Rennmodus bietet Spektakel. Jede Runde werden Zwischenwertungen ersprintet, was im Feld zu harten Positionskämpfen führt. Dabei klatscht immer wieder ein Bart in die Bande. Die Wangen rasieren die waghalsigen Fahrer dieser sturzintensiven Disziplin weniger, die Waden dagegen schon – wegen der besseren Schürfwundenheilung.

Rennpremiere ohne Bremsen im Riehener Wohnquartier

Diesen Samstag findet beim 30. Rad-Kriterium Riehen das erste Trackbike-Kriterium der Schweiz statt. Im beschaulichen Wohnquartier Kornfeld rasen zwar auch klassische Strassen-Gümmeler in den 900 Metern Rundschlaufe. Doch gestartet wird in getrennten Kategorien.

Das Werkzeug, also das Velo, unterscheidet sich nämlich enorm. Beim 1. Crit Royal werden ausschliesslich Trackbikes zugelassen – ohne Bremsen und Lichter. Diese ursprünglichen Eingänger mit Starrlauf begründeten Ende des 19. Jahrhunderts die Velogeschichte. Mit dem Aufkommen von Gangschaltung, Freilauf und Bremsen wurden die Ur-Velos von den Strassen verdrängt und vegetierten lange nur noch in geschützten Lebensräumen, sogenannten Velodroms und Radrennbahnen.

Doch nicht nur für Henri Desgrange, Begründer der Tour de France und Vater des modernen Radsports, war das Starrlaufvelo mit einem Gang das einzig wahre Zweirad: «Ist es nicht besser, mit der Kraft der eigenen Muskeln zu triumphieren als mit der künstlichen Kraft einer Kettenschaltung? Wir verweichlichen immer mehr. Kommt schon, Leute! Lasst uns sagen, dass dieser Test eine nette Demonstration war – für unsere Enkel.»

Basler Kuriere übernehmen Track-Trend aus New York – mit der Masse entdeckt das auch die Polizei.

Erst die Ururenkel des 1940 verstorbenen Desgrange brachten «die einzig wahren Zweiräder» zurück auf die Strasse. Es waren die New Yorker Velokuriere, die in den 80er-Jahren wieder mit Starrlauf durch die Strassen flitzten. Der Trend schwappte nach Zürich, mit dem neuen Jahrtausend auch nach Basel. Anfangs kamen die Track-Pioniere mit ihrer ungebremsten Fahrfreude bei der Polizei dank Sportgeräte-Bonus und Charme meist ungeschoren davon.

Dem puristischen Fahrgefühl der Bahnvelos, wo man dank Starrlauf mit den Beinen beschleunigt wie bremst und Kurven mit ganz anderen Radien und Tempi fährt, konnte man hier jedoch nur kurze Zeit frönen. Dann entdeckten Architekten, Grafiker sowie andere Stil- und Design-affine Velofans die simple Schönheit der Bahnvelos. Schnell füllten sich die Strassen damit und die Polizei wurde entsprechend geschult.

Doch der Trend war nicht zu stoppen. Heute finden sich in Basel diverse Fachgeschäfte, die auf Fixies, Trackbikes – oder wie auch immer diese Starrlaufvelos genannt werden – spezialisiert sind. Verkauft werden natürlich nur Räder mit Bremsen.

Man müsste deshalb meinen, Crit-Royal-Veranstalter Mischka Korm würde nun von Anmeldungen überrollt. Fahrer aus Italien, Frankreich, Deutschland und Zürich reisen denn auch extra nach Riehen, weil es in grossem Radius keine solche Rennen gibt. Doch bis vor Kurzem hat sich kein Basler für das erste Schweizer Trackbike-Kriterium angemeldet.

Die Lokalmatadorin ist verletzt, die Kurierszene eingeschlafen.

Auch die Frauen scheinen die Ehre der Basler Fixieszene nicht retten zu können. Lokalmatadorin Astried Hübner, die seit zwei Jahren solche Rennen bestreitet, steckt mal wieder in einer Verletzungspause.

Eigentlich müsste das Rennen auch ein paar Velokuriere anlocken. Einerseits trugen sie beim Kriterium Riehen während zwei Jahren ihre Meisterschaften aus, andererseits fahren einige ihre Schicht mit Starrlauf. Doch Korm winkt ab: «Die lokale Szene ist dieses Jahr eingeschlafen.» Normalerweise messen und feiern sich die Kuriere monatlich bei ihren Alley-Cat-Rennen. Dieses Jahr gab es noch kaum einen dieser Szenetreffen.

«Das Rundrennen ohne Rucksack und Lieferungen entspricht nicht ganz dem Kuriergroove», verteidigt Jérôme Thiriet, selbst jahrelanger Fixie-Fahrer und Organisator vieler Kurieranlässe, die Lieferprofis. Er selbst konzentriert sich jetzt auch vor allem auf seine Tätigkeit als Geschäftsführer seiner Kurierfirma: «Für die Rennen muss eine neue Generation übernehmen.»

Wahrscheinlich dauert es einfach ein paar Jahre, bis der Trend in Basel ankommt. Die aktuelle Fixie-Szene scheint sich mehr für Farben und hippe Accessoires zu interessieren als für die eigentlichen Qualitäten dieser Rennmaschinen, die dank ihrer Einfachheit die effizienteste Kraftübertragung haben. Das Werkzeug wird Spielzeug. Was wohl Desgrange dazu fluchen würde?

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Falls sich doch noch ein Starrlauffahrer in den Sattel wagt: Man kann sich per E-Mail an mischkabaerchen@gmail.com anmelden oder am Renntag von Samstag, 3. September, zwischen 15 und 16 Uhr bei der Startnummer-Ausgabe. Das Rennen startet um 16.15 Uhr.

30. Rad-Kriterium Riehen, 3. und 4. September, Kornfeldquartier Riehen.
 

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