Die verschobenen Dreierreihen des Paulo Sousa

Vor dem Heimspiel gegen Real Madrid scheint der FC Basel seine Stilsicherheit unter Paulo Sousa gefunden zu haben. Unter anderem, weil der Trainer endlich ein Plätzchen für Shkelzen Gashi gefunden hat. Doch was macht das Basler Spiel derzeit aus?

Die Entstehung der Tore unter Paulo Sousa, bis und mit 20. November 2014.

Vor dem Heimspiel gegen Real Madrid scheint der FC Basel seine Stilsicherheit unter Paulo Sousa gefunden zu haben. Unter anderem, weil der Trainer endlich ein Plätzchen für Shkelzen Gashi gefunden hat. Doch was macht das Basler Spiel derzeit aus?


Dargestellt sind alle Tore, die der FC Basel unter Paulo Sousa erzielt hat (ohne die Cupspiele gegen Unterklassige). Unter «Einleitung» werden entscheidende Aktionen verstanden, die vor einem Assist stehen. «Spiel» bedeutet, dass das Tor nicht aus einem Standard entstand. Sollte die Karte beim Zoomen verschwinden, müssen Sie die Seite leider neu laden. Bitte entschuldigen Sie diese Unannehmlichkeit.

Die Erleuchtung kam Paulo Sousa nach rund einer Viertelstunde im Heimspiel gegen die Grasshoppers. Das war der Moment, in dem der Trainer des FC Basel eine kleine Rochade vornahm: Er stellte Luca Zuffi vom linken Flügel ins offensive Mittelfeld und zog Shkelzen Gashi nach links. Seither hat der Basler Topskorer sein Plätzchen im Basler Spiel gefunden – und der FCB zugleich vier Spiele in Serie gewonnen – mit einem Torverhältnis von 13:0.

Natürlich liegt es trotz seiner fünf Treffer in den vergangenen vier Partien nicht an Gashi allein, dass der FCB derzeit so stilsicher wirkt wie noch nie in der Ära Sousa. Aber es ist ein Zeichen neuer Stabilität, dass der Portugiese eine Lösung gefunden hat, wie er seinen treffsichersten Spieler im Team unterbringt, ohne dabei sein taktisches Konzept zu opfern.

4-3-3, 3-4-3 – Sousa ist das einerlei

Sousa ist kein Freund der Zahlenreihen, mit denen die Spielsysteme von Fussballmannschaften behelfsmässig umschrieben werden. 3-4-2-1, 4-3-3, 3-4-3, das ist ihm alles ziemlich einerlei. Und wer sich anschaut, wie sich die FCB-Spieler derzeit auf dem Feld verteilen, der kann das gut nachvollziehen.

Zu Saisonbeginn hatte Sousa noch Taulant Xhaka während der Partie fliegend zwischen Innenverteidiger (bei Ballbesitz FCB) und zentralem Mittelfeldspieler (bei Ballbesitz Gegner) wechseln lassen. Diese Variante ist inzwischen passé. Neu spielt der FCB in einer asymmetrisch anmutenden Aufstellung.

Wer sich anschaut, wie die Basler beim 4:0 gegen Ludogorets Razgrad auf dem Feld verteilt waren, sieht drei jeweils seitlich gegeneinander verschobene Dreierreihen plus einen reinen Offensivmann im Sturm:



Die tatsächlichen Hauptpositionen der FCB-Spieler im Heimspiel gegen Ludogorets Razgrad am 4. November 2014.

Die tatsächlichen Hauptpositionen der FCB-Spieler im Heimspiel gegen Ludogorets Razgrad am 4. November 2014.

Auf der Grafik zu sehen sind jene Positionen, auf denen sich die Spieler während der Partie am häufigsten aufgehalten haben. Was auf der statischen Darstellung leicht merkwürdig erscheinen mag, ergibt in der Bewegung auf dem Feld durchaus Sinn.

Weil die Dreierreihe der Abwehrspieler nach links verschoben ist, kann sich zum Beispiel Shkelzen Gashi getrost darum kümmern, was er am besten kann: Sich unbemerkt in den Strafraum schleichen – und dann treffen. Schliesslich kümmert sich der Linksverteidiger hinter ihm – meist Behrang Safari – praktisch nur um die Defensive.

Der offensivere Auftrag über rechts

Etwas anders sieht es auf der anderen Seite aus. Dort hat der Rechtsverteidiger – hier Taulant Xhaka, oft aber auch Philipp Degen – einen viel offensiveren Auftrag.

Weil er weitaus höher steht als sein linker Teamkollege, besteht die Gefahr, dass der Gegner in seinen Rücken stösst. Aus diesem Grund ist das zentrale Mittelfeld nach rechts verschoben. So kann der rechte Mann im Zentrum, hier Mohamed Elneny, zusammen mit dem rechten Innenverteidiger (Fabian Schär) eingreifen, wenn der Basler Rechtsverteidiger ausgespielt wird.

Den Vorteil dieses vorgeschobenen Aussenverteidigers ist in der Grafik zur Entstehung der Tore oben gut zu erkennen: Über den rechten Flügel macht der FCB immer wieder Druck, entsprechend viele Treffer fallen über diese Seite. Auch, weil der rechte Verteidiger seinen Vordermann (etwa Derlis Gonzalez) immer wieder rechts überholen darf.

Gashi zieht gern in die Mitte – schliesslich steht dort das Tor

Das ist links kaum einmal der Fall. Kommt dazu, dass Gashi die Tendenz hat, ins Zentrum zu ziehen. Schliesslich steht dort auch das Tor, in das er so regelmässig trifft. Entsprechend gibt es keine Assists von ganz links aussen.

Etwas, das beim FCB nicht ganz neu ist. Schon in der Vorsaison unter Murat Yakin zog es den linken «Flügel» Valentin Stocker jeweils stark ins Zentrum, wo er dann zu seinen Toren und Assists kam.



Die tatsächlichen Hauptpositionen der FCB-Spieler im Heimspiel gegen den Chelsea FC am 26. November 2013.

Die tatsächlichen Hauptpositionen der FCB-Spieler im Heimspiel gegen den Chelsea FC am 26. November 2013.

Weitaus wichtiger als die Positionierung der Spieler auf dem Feld allerdings ist, dass die Akteure auch wissen, was sie in welcher Situation zu tun haben. Und genau hier scheint der FCB unter Sousa seit Ende Oktober einen entscheidenden Schritt voran gekommen zu sein. «Ein System muss dynamisch sein», sagt Sousa dazu: «Und wer sorgt für die Dynamik? Die Spieler.»

Tatsächlich wirkte das Basler Offensivspiel in dieser Saison über weite Strecken zu statisch. Fast so, als ob die Rotblauen vor jeder Aktion noch einmal in Gedanken durchgehen müssten, welche Option sie in der jeweiligen Situation nun denn wohl wählen sollten.

Jetzt ist dieser FCB richtig variabel

Diese Phase der mentalen Langsamkeit scheint nun allerdings überwunden. Das ist nicht allein daran zu erkennen, dass der FCB zuletzt in jedem Spiel für viele Torchancen und Tore gut war. Sondern auch daran, wie die Basler zu ihren Treffern kommen: höchst unterschiedlich nämlich.

Als Beispiel können die beiden Partien gegen die Grasshoppers (2:0) und gegen den FC Vaduz (4:0) dienen. Gegen das tief stehende GC waren es im Heimspiel lange Ballstaffetten, die zu den beiden Treffern führten:

Gegen Vaduz dagegen vergingen jeweils kaum drei Sekunden zwischen einer Basler Balleroberung und dem erfolgreichen Torschuss. Marcelo Diaz’ Freistosstreffer natürlich ausgenommen.

Der FCB kann also einerseits geduldig auf seine Chance warten. Er kann den Torerfolg aber auch mit schnellem Umschalten suchen. Das bedeutet, dass er für seine Gegner extrem schwierig auszurechnen ist.

Die Spieler können die Varianten selber wählen

Und es zeigt, dass die Spieler inzwischen die «fünf Prinzipien des Fussballs», die ihnen Sousa immer und immer wieder predigt, langsam verinnerlicht haben. So sehr nämlich, dass ein Spieler auf dem Feld in der Situation selbst entscheiden kann, welche Spielvariante er wählt – und dass seine Nebenleute gleichzeitig begreifen, was das nun für sie bedeutet.

Das sind gute Neuigkeiten für den Prozess des Paulo Sousa. Eigentlich müsste er nun während der Spiele nicht mehr an der Seitenlinie herumdirigieren, als ob es kein Morgen gäbe.

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