Die Wände wackeln im Theater der Träume

Nachdem zum ersten Mal seit 1996 die Teilnahme an der Champions League verpasst wird, entlässt Manchester United erstmals seit 1986 wieder einen Trainer: David Moyes ist nach zehn enttäuschenden Monaten als Nachfolger von Alex Ferguson bereits wieder Geschichte.

Im Regen stehen gelassen: David Moyes, bei Manchester United entlassener Trainer. Rechts Clubikone Ryan Giggs, der interimistisch die Mannschaft übernimmt. (Bild: Reuters/PHIL NOBLE)

Nachdem zum ersten Mal seit 1996 die Teilnahme an der Champions League verpasst wird, entlässt Manchester United erstmals seit 1986 wieder einen Trainer: David Moyes ist nach zehn enttäuschenden Monaten als Nachfolger von Alex Ferguson bereits wieder Geschichte. Vorerst übernimmt Spielerikone Ryan Giggs, und Louis van Gaal gilt als heisser Kandidat, um in Old Trafford, dem Theatre of Dreams, wieder grosse Aufführungen zu gewährleisten.

Das zehnmonatige Missverständnis endete am Dienstagmorgen mit 33 dürren Worten. «David Moyes hat Manchester United verlassen», verkündete der Verein um 8:30 Uhr im Internet und sprach dem Schotten gleichzeitig «Dank für harte Arbeit, Ehrlichkeit und Integrität» aus. Eine halbe Stunde vorher war dem 50-Jährigen am Trainingsgelände von United-Geschäftsführer Ed Woodward offiziell mitgeteilt worden, was sämtliche englischen Gazetten schon am Vortag in Erfahrung gebracht hatten: der Club wollte die Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen.

Moyes‘ erst im vergangenen Sommer unterschriebener Vertrag war bis 2019 datiert, aber die vorzeitige Trennung kostet die Red Devils nur ein Jahressalär von knapp fünfeinhalb Millionen Euro. Da der von Sir Alex Ferguson persönlich ausgewählte Coach mit dem 0:2 in Everton am Ostersonntag die Qualifikation für die Königsklasse verpasste, wird eine Klausel wirksam, die eine geringere Abfindung fixiert. Zuletzt hatte United 1995/96 auf die Champions League verzichten müssen. Drei Spieltage vor Saisonende sieht es so aus, als ob der Tabellensiebte es nicht einmal in die Europa League schafft.

Das prinzipielle Okay für Moyes‘ Demission soll dem Vorstand von den amerikanischen Clubbesitzern, der Glazer-Familie, schon nach dem peinlichen 0:2 gegen Olympiakos im Februar erteilt worden sein. Die beschämend schlechte Vorstellung bei der elften Saisonniederlage, gegen Moyes‘ Ex-Club Everton vor zwei Tagen, dürfte den finalen Auslöser für die Entscheidung gegeben haben.

Die Entlassung ist auch eine Niederlage für Ferguson

Die Entlassung auf Raten wirft allerdings kein gutes Licht auf den Club. «Mir gefällt nicht, wie die letzten 15, 16 Stunden abgelaufen sind, das gibt kein gutes Bild ab», sagte der ehemalige United-Captain Gary Neville im britischen Fernsehen. Vielleicht fehlte United schlichtweg die Erfahrung für diese Situation. Der letzte Trainer (Ron Atkinson) war im Old Trafford 1986 gefeuert worden, vor der Amtsübernahme von Sir Alex.

Bei seinem Abtritt im vergangene Mai hatte Ferguson das Stadion-Publikum darauf eingeschworen, seinen Nachfolger zu unterstützen. Das gescheiterte Experiment mit dem grundsoliden, in elf Jahren an der Mersey aber weder mit dem Gewinn von Trophäen noch einer spektakulären Spielweise aufgefallenen Coach ist auch eine persönliche Niederlage für Sir Alex, der seit dieser Spielzeit im Vorstand sitzt. Grundsätzlich war man bei United bereit, Moyes ein Übergangsjahr zuzugestehen, aber bei Spielern und Vorgesetzten war zuletzt der Glaube an seine Fähigkeiten rapide geschwunden.

Moyes und der «Hauch der Angst»

Moyes blieb auf der Bank des englischen Branchenriesen der Denkweise aus seiner Zeit beim Mittelklasse-Club Everton verhaftet und unterschätzte von Anfang an die Dimensionen der neuen Aufgabe. Der «Daily Telegraph» berichtete von einem Strandbesuch in Sydney während der Sommertour im Juli, die damit endete, dass Sicherheitsleute die von Massen von Fans bedrängten Spieler in eine Disco retten mussten. Moyes, der zuvor an selber Stelle problemlos einen ähnlichen Ausflug mit Everton unternommen hatte, hatte nicht realisiert, dass der Erkennungswert der United-Spieler in Australien deutlich höher lag.

David Moyes: Der Denkweise des Mittelklasse-Clubs Everton verhaftet und in Manchester nach zehn Monaten gescheitert.

David Moyes: Der Denkweise des Mittelklasse-Clubs Everton verhaftet und in Manchester nach zehn Monaten gescheitert. (Bild: Reuters/PHIL NOBLE)

Bei anderer Gelegenheit gab er zu, dass ihn «ein Hauch von Angst» ins Amt begleitete. Diese Unsicherheit verriet sich in einer Reihe von missverständlichen Aussagen, die einigen Schlüsselspielern vor den Kopf stiessen. Nationalstürmer Wayne Rooney bezeichnete Moyes beispielsweise indirekt als Ersatzmann von Robin van Persie.

Ein Trainerstab ohne Autorität

Seinem Trainerstab fehlte ebenfalls die Autorität. Die «Times» berichtete, dass Moyes und sein Team im Trainingszentrum in Carrington unter der Hand «Everton» gerufen worden; Assistenztrainer Phil Neville (Bruder von Gary) firmierte bei den Spielern dem Vernehmen nach als «Fuck you Phil», weil die gestandenen Profis mit seinen Anweisungen nichts anfangen konnten.

Ausschlaggebend für die vorzeitige Trennung dürften nicht zuletzt auch Moyes‘ ständige Forderungen nach teuren Neuverpflichtungen gewesen sein. United liess ihn bereits 78 Millionen Euro für Marouane Fellaini (Everton) und Juan Mata (Chelsea) ausgeben, beide halfen der Mannschaft jedoch nur bedingt weiter. Der Plan des Trainers, den Kader mit fünf, sechs weiteren Spitzenspielern zu verstärken, wurde von der Führungsriege als finanziell nicht umsetzbar verworfen.

Van Gaal gilt als heisser Kandidat

In den letzten vier Saisonspielen wird nun Vereinsikone Ryan Giggs als Interimstrainer die Geschicke des Teams leiten, die Veteranen Paul Scholes und Nicky Butt werden ihm assistieren. Der 40-Jährige Giggs stand in dieser Spielzeit 21 Mal auf dem Platz und war Teil von Moyes Trainerstab; zwischen beiden hatte es jedoch schon vor Monaten gekracht.

Der ehemalige Bayern- und Barcelona-Coach Louis van Gaal, 62, gilt als aussichtsreichster Kandidat für eine Festanstellung, nachdem Jürgen Klopp United im «Guardian» eine Absage erteilt hat: «Mein Bekenntnis zu Dortmund ist unerschütterlich.» Der Verein strengt sich unterdessen an, die traumatisch-dürren Monate unter Moyes so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis zu tilgen. Sämtliche Artikel über den Schotten waren am Dienstagmorgen bereits von der Vereinsseite gelöscht.

 

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