Die Blamage gegen Albanien zum Auftakt der Qualifikation zur Euro 2016 ist das eine, der Trainerwechsel von Paulo Bento zu Fernando Santos das andere – und mittendrin im Interessengeflecht des portugiesischen Fussballs macht Cristiano Ronaldo seine Politik.
In kaum einer europäischen Nation kommt der Fussball bisweilen so undurchsichtig daher wie in Portugal. Die Spitzenclubs Porto, Benfica und Sporting verfügen über enormen Einfluss, dazu gibt es noch den Mega-Agenten Jorge Mendes, den Mega-Trainer José Mourinho und den Mega-Spieler Cristiano Ronaldo: Figuren, die fast zu gross sind für ein kleines Land (und über Mendes alle miteinander verbandelt).
Irgendwo zwischen all diesen Akteuren laviert der Nationalverband FPF also durch die Klippen des Sports. Für sein Auftreten in den letzten Wochen wird es dabei mal wieder eher keine Ehrennadel von Transparency International geben.
Gegenstand zur Debatte bieten etwa weiterhin die Umstände der Demission von Trainer Paulo Bento einige Tage nach dem peinlichen 0:1 zum Qualifikationsauftakt gegen Albanien: Trat er zurück? Wurde er entlassen? Verbandschef Fernando Gomes erklärte, Bento habe sich zu einer weiteren Amtsausübung nicht imstande gesehen.
Doch so manch anderer Finger zeigte auf Ronaldo, und bei einem exklusiven Posthum-Interview im portugiesischen Staatsfernsehen unternahm Bento wenig, um diesen Verdacht voll umfänglich aus der Welt zu räumen. «Ich will es nicht glauben», sagte er auf die Frage, ob er glaube, dass Ronaldo etwas mit seinem Ausscheiden zu tun gehabt habe. Kryptisch fügte er hinzu: «Ich habe nicht mehr und nicht weniger von ihm erwartet».
Die Woche der Dementis
Auch am Sonntag ging es mehr um die Vergangenheit als um das am Dienstag anstehende und nach der Auftaktblamage umso bedeutsamere Spitzenspiel in Dänemark. Ronaldo selbst sprach im portugiesischen Teamquartier: «In den elf Jahren, die ich bei der Nationalelf bin, war es meines Wissens nach immer der Präsident, der die Entscheidungen traf.» Der Captain komplettierte damit gewissermassen die Woche der Dementis.
Vor einigen Tagen war ihm der FPF bereits mit einem offiziellen Communiqué gegen das Boulevardblatt «Correio da Manhã» zur Hilfe geeilt. Portugals auflagenstärkste Zeitung hatte behauptet, Ronaldo selbst habe die Rückkehrer Tiago und Ricardo Carvalho zu öffentlichen Entschuldigungen für ihre einstigen Abgänge aufgefordert.
Beide standen am Samstag beim 1:2 verlorenen Freundschaftsspiel in Frankreich erstmals seit 2011 wieder für Portugal auf dem Platz – nachdem sie tatsächlich Abbitte geleistet hatten. Ob ein 33-Jähriger und ein 36-Jähriger den EM-Halbfinalisten mittelfristig wieder auf Kurs bringen können, lässt sich natürlich diskutieren. Doch der neue Nationaltrainer Fernando Santos darf sich das Veteranenfaible erlauben. Bei der Entscheidung für ihn sind sich vorerst mal alle einig, dass sie richtig war.
Ronaldos neue Rolle auf dem Platz
Der gelernte Ingenieur gehört zu dem kleinen Kreis von Personen, die keiner Partikularsympathien verdächtig sind – er steht nicht bei Mendes auf der Klientenliste und hat schon für alle drei Grossclubs gearbeitet. Die letzten sieben Jahre verbrachte der 60-Jährige in Griechenland. «Ein anderer Typ mit anderen Ideen», sagt Ronaldo, «der Mister liefert aussergewöhnliche Arbeit ab, die Zukunft trägt ein Lächeln».
Das sind schon andere Worte als während der enttäuschenden WM, die ein knieverletzter Ronaldo mit einem Tor, schlechter Laune und der späteren Erklärung beendete, er habe für das Turnier seine Karriere riskiert. Bentos Schwanengesang gegen Albanien erlebte er dann wegen seiner Blessur gar nicht erst mit.
Nun ist Ronaldo wieder gesund und voll bei der Sache: in neuer Position. Santos plant aus Portugals ewiger Not – dem Fehlen hochqualifizierter Mittestürmer – eine Tugend zu machen und schickte in Paris eine 4-4-2-Formation mit Ronaldo und Nani als Angriffsduo auf den Platz. Der Superstar erlaubte sich dadurch alle Freiheiten und arbeitete noch weniger nach hinten als in Bentos 4-3-3, wo er einen Flügel zu besetzten hatte; sehr zum Gefallen der Franzosen, deren Überzahl auf den Aussen das Spiel prägte. Portugal kam nur zu zwei echten Chancen, das Tor entsprang einem unberechtigten Elfmeter, den mit Ricardo Quaresma ein weiterer Rückkehrer verwandelte.
«Das beste System für die Spielertypen, die wir haben», lobte Ronaldo. Das Beste vor allem für ihn, lästerte «Mais Futebol»: «Wir wissen alle, dass Ronaldo besser als die anderen ist. Aber das sollte nicht bedeuten, dass er machen kann, was er will.»
CAS setzt Santos’ Sperre aus
Oder doch? Bei Fernando Santos gibt es ja noch ein Problem: Wegen Schiedsrichterbeleidigung nach Griechenlands verlorenem WM-Achtelfinal gegen Costa Rica wurde er für acht Pflichtspiele gesperrt. Offiziell springt sein Assistent Ilidio Vale ein. Inoffiziell könnte der vermeintliche Verbandspolitiker Ronaldo ja gleich auch noch das Coaching übernehmen.
Die Berufung Santos‘ vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS hat dem Nationaltrainer vorerst Aufschub verschafft. Vor ihrer endgültigen Entscheidung hoben die Sportrichter am Montag die Suspendierung vorerst auf. Santos darf also in Dänemark auf der Bank sitzen.