Paulo Sousa strebt mit dem FC Basel am Sonntag (13.45 Uhr) gegen den FC Luzern den nächsten Sieg zur Titelverteidigung an. Auf dem Weg dorthin war wenig Platz für Yoichiro Kakitani. Eine Bestandsaufnahme zur Entwicklung des japanischen Posterboys.
Yoichiro Kakitani wird auch gegen Luzern nicht in der Startelf des FC Basel stehen. Obschon Derlis Gonzalez den Sonntagmittag-Match gesperrt verpassen wird, und obwohl Kakitanis Einsatzminutenkonto eher aussieht wie ein Sparkonto mit Negativzins: lausig.
Paulo Sousa hat am Freitag ausführlich und wohlwollend über Kakitani Auskunft gegeben, die Frage, ob Kakitani am Sonntag spielen werde, jedoch knapp und etwas unterkühlt beantwortet: «Es ist eine Möglichkeit.» Es sieht also eher nach Stammformation ohne Kakitani aus, zu der allem Anschein nach auch wieder Marco Streller gehören dürfte.
Dass die Sprache überhaupt auf einen Spieler kam, der es nur sieben Mal in die Startelf schaffte und das letztmals Anfang März im Cup-Viertelfinal, liegt an der Mediensprecherin des FC Basel. Andrea Roth lüftete am Freitag ein Geheimnis. Der Spieler, der bei der Medienzusammenkunft vor einem Match neben Sousa sitzt, wird nämlich keineswegs vom Trainer ausgewählt, sondern am Freitagmorgen quasi vom Frühstückstisch der Mannschaft von Frau Roth rekrutiert.
Ein schwerer Tag für uns Journalisten, die wir, wenn wir es schon nicht genau wissen oder in Erfahrung bringen, uns gerne auf unsere Interpretationsfähigkeiten (andere würden sagen: Fantasie) verlassen. Ein Spieler neben einem Trainer in der Pressekonferenz verhiess früher mal: der spielt. Heute weiss man: kann sein, muss nicht sein.
Es ist ruhig geworden um den Posterboy
Kakitani also. Ein japanischer Posterboy, den sich der FC Basel eine Stange Geld an Ablöse hat kosten lassen (man geht von um die zwei Millionen Franken aus -> siehe Interpretationsfähigkeit, Fantasie) und im vergangenen Sommer mit einem grossen Medienhype von FCB-Präsident Bernhard Heusler voller Stolz präsentiert wurde.
Der Tross der japanischen Journalisten hat sich inzwischen verflüchtigt. Zu häufig wurden sie enttäuscht, mussten sie sich mit ein paar Brocken eines Spielers begnügen, der quasi nie spielte, aber immer höflich Auskunft gibt. Auflage oder Quote macht man damit nicht.
Mit einer asiatisch anmutenden Mischung aus Höflichkeit und Demut schaut Kakitani auf seine neun Monate in Europa zurück. Er fühlt sich gut integriert im Team, er fühlt sich wohl in Basel, Deutsch sei schwierig, die Verständigung erfolgt auf Englisch und es findet sich nicht einmal ein Anflug von Klagen über seine Situation. «Aber es ist natürlich ein Wermutstropfen, dass ich nicht zeigen konnte, was ich selbst erhofft habe und was man von mir erwartet hat.»
Kakitanis Bilanz in Zahlen und Fakten liest sich so:
- In der Super League gehörte er in 21 Spielen zum Kader, er schaffte es viermal in die Startelf, achtmal wurde er eingewechselt. Bis zur siebten Runde spielte er regelmässig, erzielte zwei Tore und einen Assist. Seit der Winterpause kommt er gerade noch auf insgesamt knapp 30 Minuten Einsatzzeit.
- Von fünf Spielen im Schweizer Cup stand er dreimal in der Startelf, gehörte einmal nicht zum Kader und sass einmal, im Halbfinal in St. Gallen, 90 Minuten auf der Bank. Immerhin kommt Kakitani im Cup auf zwei Assists und vier Tore, von denen er drei im Viertelfinal in Münsingen erzielte.
- In der Champions League gehörte er fünfmal zum Kader, dreimal wurde er eingewechselt und spielte insgesamt 60 Minuten, ohne Treffer oder Torvorbereitung.
Paulo Sousa beschreibt die Situation einerseits nüchtern: «Ein Transfer wie der von Kakitani, mit grosser Bedeutung für den Spieler selbst und für den Club, ist von vielen Erwartungen begleitet. Nach meiner Erfahrung gelingt der Einstieg meistens gut, und dann beginnt der Prozess der Integration, das Begreifen von neuen Dingen ausserhalb dessen, was ein Spieler gewohnt war, vor allem, was die Spielphilosophie anbelangt, die Kommunikation auf dem Platz mit den Teamkollegen. Und dabei geht es nicht um die Sprache an sich, sondern um die Fussballsprache.»
Ein Spiel und ein Spieler in einer anderen Dimension
Eine Erklärung dafür, warum Kakitani in seiner Entwicklung stagniert, sieht der Trainer unter anderem in den Abstellungszeiten für die japanische Nationalmannschaft. «Das hat ihm die Gelegenheit genommen, sich mehr zu fokussieren, auf die individuelle Arbeit, die wir während der Länderspielpausen machen können.»
Yoichiro Kakitanis Leistungsdaten der laufenden Saison:
Dass es für einen Spieler mit einem Wechsel des Kontinents und einer neuen (Fussball-)Kultur nicht einfach wird, belegen viele Beispiele. Andere schaffen das schneller, bei Kakitani dauert es offensichtlich länger. Sousa sagt: «Er ist sehr freundlich, sehr kommunikativ, versucht ständig Anschluss zu seinen Teamkollegen zu haben – das ist toll. Es ist eher die Frage eines neuen Fussballstils, einer anderen Dimension, einer anderen Intensität, ein Stil, in dem auf dem Platz andere Entscheidungen getroffen werden müssen.»
Der Trainer und das Erfolgsdiktat
Und dann sagt Sousa, fast entwaffnend offen: «Als Trainer werde ich nach den Ergebnissen beurteilt, und deshalb habe ich die besten Entscheidungen im Sinne des Teams zu treffen, um die Ergebnisse zu erzielen, die von uns erwartet werden. Dafür bin ich verantwortlich.» Sprich: Im Erfolgsdispositiv war (meistens) kein Platz für einen Neuankömmling wie Kakitani.
Obwohl für Kakitani, der im Januar 25 Jahre alt geworden ist, in der Zwischenzeit auch kein Platz mehr im Nationalteam ist und er den Asien-Cup verpasste, will er nicht von einem verlorenen Jahr sprechen. «Das empfinde ich nicht so.» Kakitani spricht von Erfahrungen, die er während der vergangenen Monate gemacht habe, von Emotionen, von einer Denkweise über Fussball, die sich verändert habe, und all das hofft er, «gewinnbringend und fördernd», wie sein Begleiter und Dolmetscher Jonathan Wüst übersetzt, einsetzen zu können.
Sousa über Kakitani: «Er hat alles»
An den Qualitäten Kakitanis lässt Sousa keinen Zweifel: «Er hat alles: technisch, konditionell, er ist schnell und beweglich. Er bringt alles mit, um erfolgreich zu sein. Es ist eine Frage der Integration. Im Winter zum Beispiel haben wir die Variante mit zwei Stürmern eingeübt, auch, um seine Qualitäten nach vorne zu bringen. Er ist ein Stürmer, der auch schon als Flügel gespielt hat, aber meistens als Umschaltspieler in einem Konterfussball. Und unser mehrheitlich auf Ballbesitz basiertes Spiel ist ein anderer Fussball.»
Kakitani, so Sousa, adaptiere den neuen Stil, sei integriert ins Team, «aber unglücklicherweise haben die Ergebnisse nicht zugelassen, dass wir ihn öfter im Team haben.» Und so schicksalsergeben sieht es der Spieler selbst auch: «Die Spieler, die eingesetzt wurden, haben gute Ergebnisse erzielt. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht so oft zum Einsatz komme.»
Momentan deutet also nicht viel auf den Durchbruch von Kakitani-san beim FC Basel hin. Ob das Konsequenzen für die Kaderplanung hat, darüber wird in einer sensiblen Saisonphase nicht gewerweisst. Kakitani sagt: «Natürlich kann ich nicht zufrieden sein. Aber ich bin froh, dass ich in dieses Team gekommen bin, ich habe es sehr gern. Und es sieht ja so aus, als ob wir Meisterschaft und Cup gewinnen könnten. Deshalb denke ich nicht über meinen Vertrag nach und über das, was nächste Saison könnte.»
Ungewohnte Anstosszeit im Joggeli: Um 13.45 Uhr geht es los am Sonntag, und nach dem Vorverkauf (29’500) kündigt sich eine prächtige Kulisse an. Die wird allem Anschein nach das gewohnte Bild vom FCB präsentiert bekommen.
Grund zum Wechseln gibt es nicht für Paulo Sousa, dem Shkelzen Gashi (ein letztes Mal nach Reduzierung der Strafe) und Derlis Gonzalez gesperrt fehlen. Allerdings steht Captain Marco Streller nach überwundenen Achillessehnenbeschwerden wieder zur Verfügung. «Die Chance, dass er spielt, ist gross», sagt Sousa.
Nach dem schwer erkämpften Sieg in Sion, der für Sousa auch der Ausweis des Charakters seiner Mannschaft war («Qualität allein reicht nicht»), erwartet den FCB nun ein FC Luzern, der nach wie vor gegen Abstieg kämpft. Dreimal hat der FCB in dieser Saison gegen die Zentralschweizer hoch gewonnen, 4:1 und zweimal 3:0.
Sousa sieht den Gegner aber seit der Winterpause klar verbessert und attestiert seinem Kollegen Markus Babbel, grössere taktische Mobilität in das Spiel der Luzerner gebracht zu haben. Mit nur neun Gegentoren weisen die Luzerner in der zweiten Saisonhälfte bisher die beste Defensive aus. Deshalb sieht der FCB-Coach auch dieses Heimspiel als «grosse Herausforderung». Weniger tut es bei ihm nicht.