«Diese Wahl macht mich sehr stolz»

Simon Ammann hebt in Lillehammer in die neue Saison ab. Der 31-Jährige hat noch lange nicht genug und will 2014 in Sotschi Jagd auf seinen fünften Olympiasieg machen.

Der grösste Schweizer Olympionike: Simon Ammann bei der Ehrung am 3. Oktober im Rahmen der Swiss Indoors in Basel. (Bild: EQimages/Melanie Duchene)

Simon Ammann hebt in Lillehammer in die neue Saison ab. Der 31-Jährige hat noch lange nicht genug und will 2014 in Sotschi Jagd auf seinen fünften Olympiasieg machen.

Simon Ammann, Sie sind jetzt Verwaltungsrat und Investor bei der Toggenburg Bergbahnen AG. Bereiten Sie gerade Ihren Absprung aus dem Leistungssport vor?
Keine Angst, ich bin in erster Linie schon immer noch Sportler und Skispringer. Aber ich sehe das als spannende neue Aufgabe für die Zukunft. Und eines kann ich schon jetzt versprechen: Ich gehe sicher nicht nur einfach zu den Sitzungen hin, denn ich will nicht nur auf dem Papier Verwaltungsrat und Investor sein.

Sondern?
Erstens interessiert mich das Thema wirklich, zweitens ist mir diese Aufgabe eine Herzensangelegenheit. Ich habe den Wunsch, etwas der Region zurückzugeben, die mich in der Vergangenheit immer unterstützt hat. Man muss auch einmal den Mut haben, etwas Neues zu beginnen.

Wie geht es Ihnen im Wissen, dass Sie im Spätherbst Ihrer Karriere angelangt sind: Verspüren Sie Wehmut?
Wehmütig würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Mir fallen nur öfter Dinge auf, die ich zum letzten oder vorletzten Mal mache. Bewusster trifft es wahrscheinlich besser. Ich lebe bestimmt bewusster und versuche die Zeit richtig zu geniessen und mich auch nicht vom Leistungsdruck erdrücken zu lassen. Weil mir klar ist, dass es als Skispringer nicht mehr ewig gehen wird.

«Ich will nicht, dass es heisst, der springt nur noch, weil er nicht weiss, was er sonst tun soll.»

Wie erwischt man als Sportler den richtigen Zeitpunkt für das Karriere-Ende?
Für mich gab es im Jahr 2011 eine Phase, wo ich mich intensiv mit diesem Schritt beschäftigt habe. Damals habe ich wirklich nicht gewusst, was ich tun soll.

Was hat am Ende den Ausschlag für die Fortsetzung Ihrer Karriere gegeben?
Für mich war die Aufgabe noch nicht vollendet. Ich hatte das Gefühl, dass es noch einige Ziele gibt, die ich als Skispringer erreichen möchte. Ich bin zwar froh, wenn es in zwei, vielleicht auch erst in drei Jahren dann vorbei sein wird mit dem Spitzensport, aber bis dahin werde ich alles dem Skispringen unterordnen. Denn ich will nicht, dass der Sport zum Lückenbüsser wird und die Leute vielleicht auch noch sagen: Der springt nur weiter, weil er nicht weiss, was er sonst tun soll.

Aber wird es für jemanden wie Sie, der schon so lange im Weltcup dabei ist, nicht manchmal monoton? Immer die gleichen Schanzen, immer nur von einem Weltcup zum anderen, das ständige Leben aus dem Koffer?
Richtig langweilig wird es dann doch nie. Jetzt gibt es bei uns zum Beispiel wieder neue Teamkollegen, die sind alle zehn Jahre jünger als ich. Da entstehen dann manchmal ganz lustige Situationen. Mir macht es Spass, wenn ich den anderen Springern etwas mitgeben kann.

«Wenn man die Tournee gewinnen will, muss man es passieren lassen.»

Was hat jemand wie Sie, der fast alles gewonnen hat, was es im Skispringen zu gewinnen gibt, überhaupt noch für Ziele? Siebte Plätze werden Sie ja wohl nicht befriedigen.
Wenn es in der ganzen Saison nur ein siebter Platz wäre und ich die restliche Zeit immer weiter vorne lande, dann könnte ich damit gut leben. Aber im Ernst: Ich habe mir immer grosse Ziele gesetzt, die Olympischen Spiele in Sotschi sind so ein Ziel.

Und wie ist es mit der Vierschanzentournee? Warum fehlt Ihnen ausgerechnet dieser Titel noch in Ihrer Trophäensammlung?
Vielleicht war ich in der Vergangenheit das eine oder andere Mal bei der Tournee ein wenig übermotiviert. Manchmal bist du aber auch schlicht chancenlos, weil ein Konkurrent in dieser Zeit gerade in Höchstform ist. 2009 hätte ich die Tournee gewinnen können, aber der Wolfgang Loitzl hat sich da in einen Siegesrausch hineingesteigert, der nicht zu bremsen war. Eines weiss ich aber: Wenn man die Tournee gewinnen will, dann muss man es passieren lassen. Deshalb ist auch mein Ziel für heuer: Ich will die Tournee locker angehen und mich nicht allzu sehr verkrampfen.

Kürzlich wurden Sie anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums von Swiss Olympic zum grössten Olympiahelden Ihres Landes gewählt. Hat Sie diese Ehrung in Basel bei den Swiss Indoors irgendwie überrascht oder gar überwältigt?
Ich gebe es offen zu: Mich macht diese Auszeichnung sehr stolz. Genauso stolz wie meine beiden Siege bei der Wahl zum Sportler des Jahres. Wobei ich jetzt nicht gewusst hätte, wen ich anlässlich 100 Jahre Swiss Olympic hätte wählen sollen. Natürlich hat kein Schweizer bei Olympia mehr Goldmedaillen gewonnen als ich, aber wie will man diese Erfolge mit jenen von Bernhard Russi, Pirmin Zurbriggen oder Vreni Schneider vergleichen? Der Olympiasieg von Russi war in jener Zeit sehr wichtig für den Skisport. Ich sage: Jede Goldmedaille ist sehr viel wert.

Ihre Skisprung-Kollegen Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern klagen mitunter über den extremen Hype in ­Österreich. Wie ergeht es Ihnen als Superstar?
Dann sollten die beiden in die Schweiz kommen, denn bei uns ist es definitiv ruhiger. Ich muss zugeben: Ich selbst bin nicht allzu oft ausgegangen, seit ich berühmt bin. Es kann manchmal auch anstrengend sein, wenn man ständig nur gefragt wird: Wie ist die Form, wie läufts, und, und, und. Das ist dann eben die Kehrseite des Erfolgs. Aber ich gehe davon aus, dass das Interesse an meiner Person abnimmt, wenn ich einmal nicht mehr aktiv springe.

«Eine Mannschaftsmedaille? Dann gäbe es kein Halten mehr.»

Und wie wird es dann ohne das Aushängeschild Simon Ammann um das Schweizer Skispringen bestellt sein?
Wir haben seit 2002 sicherlich eine gute Zeit erwischt. Auch mit Andreas Küttel, der 2009 Weltmeister geworden ist, und auch durch mich. Wir haben mit Leistung eine grosse Aufmerksamkeit für das Skispringen erkämpft. Das ist uns gelungen, obwohl der Sport in der Schweiz nur auf wenige Köpfe verteilt ist. Natürlich wäre es schöner, wenn es bei uns mehr Nachwuchs gäbe.

Damit Sie auch einmal eine Chance auf eine Mannschaftsmedaille hätten?
Ich unterhalte mich öfter mit den österreichischen Kollegen über die Wertigkeit des Teambewerbs. Die gewinnen ja seit Jahren praktisch bei jedem Grossereignis. Diese Ehre hatte ich leider nie. Eine Medaille mit der Mannschaft – das wäre das Grösste überhaupt. Wenn das noch passieren würde, dann kann ich schon jetzt versprechen: Dann gibt es kein Halten mehr. Das wäre die Krönung.

Nervt Sie eigentlich Ihr Ruf als Harry Potter der Schanzen?
Überhaupt nicht. Das gehört zu meiner Biografie, ich habe eine eigene Geschichte. Ich finde es cool, wenn ich heute zurückblicke zu den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City. Im Endeffekt war das eine echt gute Zeit. Hey, ich war bei David Letterman und auf der Titelseite der «New York Times». Wenn das nicht cool ist.

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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12

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