Der 22-jährige belgische Torhüter Thibaut Courtois zählt zu den besten Torhütern der Welt und trotzdem droht ihm nach der WM ein Platz auf der Ersatzbank.
Eigentlich hätte seine Karriere ganz anders verlaufen sollen. Als 18-Jähriger sollte Thibaut Courtois zu 1899 Hoffenheim gehen. Der Wechsel platzte nicht etwa an der Ablösesumme, die verschwindend gering gewesen wäre. Der belgische Keeper war durchs Mathe-Abitur gefallen. Vater Thierry bestand auf eine Ehrenrunde und einem Verbleib bei Racing Genk. Mit dem heutigen Wissen hätte Hoffenheim damals sicher ein Dutzend Nachhilfelehrer nach Belgien geschickt, denn Courtois zählt längst zu den besten Torhütern der Welt.
Wenn Titelanwärter Argentinien am Samstag (18.00 Uhr MESZ) im WM-Viertelfinale auf Belgien trifft, steht die grösste Gefahr im belgischen Tor. Es ist nicht nur die Tatsache, dass die Roten Teufel in 21 Spielen mit ihrem 1,99-Meter-Riesen im Tor noch nie ein Länderspiel verloren haben.
Messi mit Courtois-Trauma
Auch der argentinische Superstar Lionel Messi hat gerade ein kleines Courtois-Trauma entwickelt. In den letzten sieben Aufeinandertreffen erzielte der Ausnahmefussballer mit dem FC Barcelona gegen Atletico Madrid nicht einen Treffer. «Ich kenne ihn sehr gut. Dass Schöne ist, dass ich mir keine Videos von Messi anschauen muss. Aber er ist unberechenbar. Man muss hochkonzentriert sein», sagt der 22-Jährige.
Hochkonzentriert ist Courtois auch bei dieser WM. In den vier bisherigen Spielen kassierte er erst zwei Gegentore, eines davon gegen Algerien vom Elfmeterpunkt. Besser war bislang keiner. Schon in der WM-Qualifikation musste er nur viermal den Ball aus dem Netz holen. «Er bleibt immer ruhig, verspürt keinen Druck und ist hungrig», beschreibt Marc Wilmots seine Nummer eins. Courtois ist für sein Alter schon ungewöhnlich reif, was wohl auch daran lag, dass er sich bereits mit 19 Jahren im Ausland durchsetzen musste. Gegen Argentinien könnte er mit seiner Klasse den Unterschied ausmachen. Denn auf der Gegenseite steht Sergio Romero im Tor, der in der laufenden Saison nur dreimal für den AS Monaco zum Einsatz kam und auch bei der WM die eine oder andere Unsicherheit zeigte.
Nach England auf die Ersatzbank
Courtois, der passenderweise mit dem Spitznamen Tarantel versehen worden war, hat dagegen ein phänomenales Jahr hinter sich. Mit Atletico gewann er überraschend die spanische Meisterschaft und zog ins Finale der Champions League ein. Auf dem Weg dorthin schaltete er mit den Spaniern auch den FC Chelsea im Halbfinale aus. Ein Duell, was für viel Wirbel um seine Person gesorgt hatte.
Denn Courtois gehört eigentlich den Engländern. Ein Jahr nach dem geplatzten Hoffenheim-Coup, als der Keeper gerade eine starke Saison gespielt hatte, sicherten sich die «Blues» für neun Millionen Euro seine Dienste und verliehen ihn gleich weiter an Atletico. Denn Bedarf hatte Chelsea nicht, durch den früheren Welttorhüter Petr Cech war der Platz zwischen den Pfosten bestens besetzt. Zur kommenden Saison könnte es aber zur Wachablösung kommen. Startrainer Jose Mourinho hat den Jungstar zurück nach London beordert. Und da Cech die ersten Saisonspiele mit einer Schulterverletzung ausfällt, ist der Weg frei.
So recht anfreunden kann sich Courtois mit einem Wechsel nach England nicht. «Ich bin zu jung für die Bank», sagt der Schlussmann mit ein wenig Sorge. Es wäre in der Tat verschwendetes Kapital. Gegen Russland blieb er in seinem 218. Karrierespiel zum 100. Mal ohne Gegentor. In seiner Heimat ist «Thibauting» bereits ein gängiger Begriff, wenn Fans seine Paraden nachstellen.
So jung war noch keiner
So ist der Sohn zweier internationaler Top-Volleyballspieler auf dem besten Weg, es seinen berühmten Vorgängern im belgischen Tor nachzumachen. Ex-Bayern-Schlussmann Jean-Marie Pfaff (1986) und Michel Preud’homme (1994) waren zu den besten Torhütern der WM gewählt worden. Und wenn Pfaff mit Blick auf die belgische Auswahl vom «heissesten Versprechen» spricht, meint er in erster Linie auch Courtois, der bereits mit 19 Jahren im Länderspiel gegen Frankreich – natürlich ohne Gegentor – debütierte. So jung war vor ihm noch kein belgischer Keeper in der A-Mannschaft.
«Ich würde mich nicht als einen der besten Torhüter der Welt bezeichnen. Wenn andere das sagen, ist das toll», sagt Courtois, der mit seiner Ruhe und Bescheidenheit für einen angenehmen Ausgleich im Multi-Kulti-Team der Belgier sorgt. Es sind Eigenschaften, die er sich von seinem Vorbild Edwin van der Sar abgeschaut hat.
Auch der Niederländer zählte nicht zu den Lautsprechern im Team, bestach aber wie Courtois mit konstant fehlerfreien Leistungen. Wobei eine Schwäche wollen US-Statistiker beim Belgier ausgemacht haben. Bei Elfmetern wirft er sich fast immer in seine rechte Lieblingsecke. Hätte Messi das mal bei seinem Fehlschuss an die Latte im August 2013 mal gewusst. Vielleicht erinnert sich der viermalige Weltfussballer am Samstag daran, sollte es zum erneuten Duell kommen.