Dragovic fühlt sich als Buhmann und Janko schweigt

Gemessen an der Erwartungshaltung in Österreich ist das vorzeitige Ausscheiden an der Euro 2016 ein Desaster. Der ehemalige Basler Aleksandar Dragovic spielt bei der 1:2-Niederlage gegen Island eine Haupt-, Marc Janko vom FC Basel dagegen nur eine Nebenrolle. Wortkarg verliess er den Ort des Grauens.

Football Soccer - Iceland v Austria - EURO 2016 - Group F - Stade de France, Saint Denis, Paris, France - 22/06/2016 - Austria's Aleksandar Dragovic and head coach Marcel Koller at the end of the match. REUTERS/John Sibley

(Bild: Reuters/JOHN SIBLEY)

Gemessen an der Erwartungshaltung in Österreich ist das vorzeitige Ausscheiden an der Euro 2016 ein Desaster. Der ehemalige Basler Aleksandar Dragovic spielt bei der 1:2-Niederlage gegen Island eine Haupt-, Marc Janko vom FC Basel dagegen nur eine Nebenrolle. Wortkarg verliess er den Ort des Grauens.

Mark Janko war bedient. Als Erster verliess er den Ort des Grauens, das Stade de France, in dem der österreichische Traum zerplatzte.

Auf den Rasen des WM-Finalstadions von 1998 war Janko gesunken, als mit der letzten Aktion des Spiels die Isländer in der 94. Minute den Konter zum 2:1-Siegtreffer gefahren hatten. Österreich hat ein blaues Wunder erlebt und sich doch eigentlich vor dieser Euro alles wenn nicht in Rosarot, so doch in Rot und Weiss mit Girlanden ausgemalt.

» Jankos Österreich scheitert – an Bjarnasons Island: Die Bilder aus dem Stade de France

Zum Trikottausch mit seinem Basler Clubkollegen Birkir Bjarnason hat es Janko noch gereicht. Mitfühlend hatte der Isländer den Langen in den Arm genommen, aber was war schon Trost an diesem Abend von St-Denis? 68’714 Menschen hatten miterlebt, wie sich die österreichische Nationalelf nach der nicht kalkulierten, bereits desillusionierenden Startniederlage gegen Ungarn (0:2) und dem torlosen, erlittenen Remis gegen Portugal erneut selbst aus dem Spiel nahm.

Kollers Korrektur kommt zu spät

Ein Rätsel bleibt, warum Teamchef Marcel Koller eine Systemneuerung präsentierte mit dem Ex-Basler Aleksandar Dragovic in der Mitte einer Dreierabwehrkette und Bayern-Star David Alaba erneut als Zentrumsspieler hinter der Spitze. Das hatte schon gegen Portugal nicht die erwünschte Wirkung erzielt und tat es auch diesmal nicht. Auch wenn Alaba den Penalty herausholte, den Dragovic in der 37. Minute beim Stand von 0:1 an den Pfosten setzte:

Erst als Koller in der Halbzeit die Order «zurück auf Null» ausgab, auf Bewährtes setzte, Alaba zurückzog, Janko einwechselte und fortan mit vier Stürmern alles auf eine Karte setzte, dominierte Österreich so, wie es ohne Niederlage durch die Qualifikation marschiert war.

Nach einer Stunde glich der ebenfalls eingewechselte Alessandro Schöpf zwar aus, ein Tor fehlte Österreich nun nur noch, um sämtliche Wertungen wieder auf den Kopf zu stellen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Isländer längst in ihrem «Das-geben-wir-nicht-mehr-her»-Abnützungskampf eingerichtet. Mark Janko hatte noch die beste Chance, den erlösenden Treffer zu erzielen, der Rest war verzweifeltes, aber nicht sehr überzeugendes Anrennen.

Heim zur schonungslosen Abrechnung

So begibt sich Austria früher auf die Heimreise, als ihnen auch ausserhalb der Alpenrepublik prognostiziert worden war. Daheim, wo man «bei den Sportlern seit eh und je zwischen ungezügelter Heldenverehrung und giftiger Erniederung wandelt» («Süddeutsche Zeitung»), wird die Abrechnung schonungslos sein. Zu euphorisch war die Auswahl nach Frankreich entsandt worden, zu ernüchternd fällt nun das Resultat aus.

Muster ohne Wert: Österreichs einziges Tor an der Euro 2016:

«Es hat leider nicht gereicht, nur eine Halbzeit gut zu spielen», musste Koller einräumen, der das Aus nicht als persönliches Scheitern betrachtet, sondern sich eher bestätigt fühlt in seiner Rolle als Mahner. Mit Blick auf das erstaunliche Schlussbild der Österreich-Pool – mit Ungarn als Erster, dahinter Island und dann erst Gruppenfavorit Portugal – meinte Koller trocken: «Man muss sich auch über die Gegner erkundigen. Wenn man nur von der eigenen Mannschaft ausgeht, dann haut die Erwartungshaltung schon mal über den Deckel.»

Was wohl so viel heissen soll wie: sie ist übergekocht. «Ich versuche ja immer wieder zu dämpfen», sagt der Zürcher, dem Österreich beim Siegeszug durch die Ausscheidung zu Füssen gelegen hatte.

Janko: «Wie ich die Österreicher kenne, wird es nur Schwarz oder Weiss geben»

Was jetzt kommt, wird dem üblichen Muster entsprechen. «Wie ich die Österreicher kenne, wird es nur Schwarz oder Weiss geben», ahnt Marc Janko. Das war, in ein Schweizer Radiomikrofon gesprochen, der einzige Satz nebst ein paar hastig hingeworfenen Floskeln («Viel Lehrgeld bezahlt»; «Gut beraten, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen»), was Janko zu dieser EM-Kampagne zu sagen hatte.



Football Soccer - Iceland v Austria - EURO 2016 - Group F - Stade de France, Saint-Denis near Paris, France - 22/6/16 - Austria's Marc Janko reacts. REUTERS/John Sibley

Marc Janko – die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. (Bild: Reuters/JOHN SIBLEY)

Als er mit eiligem Schritt das Stade de France hinter sich liess, gab er immerhin noch zu verstehen, nicht verletzt gewesen zu sein. Über seinen Fitnesszustand war viel spekuliert worden. Im ersten Spiel wurde er, nachdem er fast wirkungslos geblieben war, ausgewechselt, im zweiten sass er 90 Minuten auf der Bank, und gegen Island sollte er nach der Pause retten, was fast nicht mehr zu retten war.

Alaba hält die Geschichte für noch nicht vollendet

«Ich habe Marc Janko zur zweiten Halbzeit gebracht, aber er hatte nicht die nötige Matchfitness. Das wussten wir. Er konnte nicht zeigen, was er kann», so Koller über seinen Mittelstürmer, dem er zu einem zweiten Karrierehoch verholfen hat, der sieben Tore zur EM-Qualifikation beitrug, jedoch nach einer Oberschenkelverletzung mit wenig Spielpraxis aus Basel zum Nationalteam gereist war.

Wie das Marc Janko selbst sieht, muss vorerst offen bleiben. Ebenso, wie es mit ihm, der am Samstag seinen 33. Geburtstag feiert, im Nationalteam weitergeht. Ob er noch dabei sein wird, wenn die Geschichte weitergeht, die der Hobbypoet David Alaba so zusammenfasste: «Unser Traum ist geplatzt. Aber es ist nur ein Kapitel, kein schönes zwar, aber das Buch ist noch nicht zu Ende geschrieben.»

Dragovic: «Jetzt bin ich halt der Buhmann»

Der 25-jährige Aleksandar Dragovic hat von 2011 bis 2013 für den FC Basel 112 Spiele bestritten und ist danach zu Dinamo Kiew gewechselt.

Aleksandar Dragovic, wieso sind Sie zum Elfmeter angetreten und nicht David Alaba?
Dragovic: Er ist zu mir gekommen und hat gesagt: Normalerweise soll der Gefoulte nicht schiessen, und ich habe mich gut gefühlt. Jetzt bin ich halt der Buhmann, damit muss ich leben. Aber es haben auch schon andere grosse Spieler verschossen, Cristiano Ronaldo und Ramos bei diesem Turnier zum Beispiel. Es tut mir einfach leid für die Mannschaft.

Sie mussten im ersten Spiel einen unglücklichen Platzverweis hinnehmen, deshalb gegen Portugal zuschauen und nun ist nach dem dritten Spiel schon Schluss für Österreich. Dabei hat man doch viel mehr erwartet.
Auch ich habe das getan. Aber man muss sich die anderen anschauen. Die Schweiz musste auch lange warten, ehe sie zum ersten Mal bei einer EM weitergekommen ist. Wir haben es knapp verpasst und müssen aus diesem Turnier lernen. Vielleicht waren wir im ersten Spiel gegen Ungarn (0:2) zu naiv, vielleicht hätten wir das Unentschieden halten sollen oder müssen. Aber hätte und wenn – wir sind ausgeschieden.

Was hat denn nicht funktioniert?
Es sind die kleinen Details. Und das Pech. Wenn David Alaba im ersten Spiel nicht den Pfosten trifft, führen wir nach 30 Sekunden. Dann kommt mein Ausschluss. Und das Glück, dass wir gegen die Portugiesen gehabt haben, hatten wir gegen Island nicht. Der Ball wollte einfach nicht rein.

Kann so ein Ausscheiden ein Team auch noch enger zusammenschweissen?
Natürlich sind wir jetzt alle enttäuscht, aber wir werden wieder aufstehen und in die WM-Qualifikation gehen. Die Mannschaft hat Potenzial, und wir waren gegen Island meiner Meinung nach 90 Minuten lang die bessere Mannschaft. Aber so ist nun mal Fussball.

Was nehmen Sie mit von diesem Turnier?
Etwas Gutes zu finden nach einem Ausscheiden fällt im Moment schwer. Wir müssen das jetzt erst einmal sacken lassen. Aber nach jedem Regen kommt auch wieder Sonnenschein. (cok)

Nächster Artikel