Eibar in der Primera Division: Mehr Märchen geht nicht im Fussball

Das Stadion fasst knapp 5000 Zuschauer, der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte kostete 150’000 Euro und ein 90-Jähriger rettete den Traum: Der SD Eibar startet in der Primera Divison. Ein Fussballmärchen.

epa04234367 Players of SD Eibar celebrate the promotion of their team to the Spanish Primera Division after the Segunda Division soccer match between SD Eibar and CD Lugo in Eibar, northern Spain, 31 May 2014. EPA/JUAN HERRERO (Bild: JUAN HERRERO)

Das Stadion fasst knapp 5000 Zuschauer, der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte kostete 150’000 Euro und ein 90-Jähriger rettete den Traum: Der SD Eibar startet in der Primera Divison. Ein Fussballmärchen.

Zwei Tage vor Saisonstart hatte Álex Aranzábal mal wieder eine gute Nachricht zu überbringen. Der Präsident der Sociedad Deportiva Eibar konnte zwar keinen neuen Star vorstellen oder den Einstieg eines potenten Sponsors annoncieren, aber immerhin: «Erstmals in der Vereinsgeschichte haben wir 4000 Dauerkarten verkauft.»

Zur Einordnung dieses Ereignisses helfen am besten ein paar weitere Zahlen: Eibar hatte in der vergangenen Saison einen Zuschauerschnitt von rund 3000 Fans. Was damit zu tun hat, dass die ganze Stadt bloss 27’000 Einwohner zählt (zum Vergleich: Allschwil hat knapp 20’000 Einwohner). Diese Saison aber sollte es keine Probleme geben, das Estadio Ipurua regelmässig zu füllen, auch wenn es nach einem kurzfristigen Ausbau nun schon 5910 Menschen fasst statt bisher 5200. Denn Eibar spielt jetzt in Spaniens erster Liga.




Klein, kleiner, SD Eibar: Kein Verein in der Primera Division hat ein kleineres Budget als der Verein aus der Kleinstadt. (Bild: Wikipedia)

«Ich denke, es ist eine interessante Geschichte, eine andere Geschichte», sagt Aranzábal. Er könnte auch sagen: Mehr Märchen geht nicht im Fussball.

Der Aufstieg gelang mit einem Etat von rund 3,5 Millionen Euro, dem niedrigsten der zweiten Liga und dem 150. Teil dessen, was Real Madrid pro Saison veranschlagt. In Eibar sind sie für ihren Kampfgeist und ihren Zusammenhalt bekannt. Dafür, ein harter, unbequemer Gegner zu sein, aber deshalb können sie natürlich nicht gleich den ganzen modernen Fussball aus den Angeln heben. Sie haben sich also der neuen Realität angepasst und tief in die Tasche gegriffen. Für die Verpflichtung von Dani Nieto aus der zweiten Mannschaft des FC Barcelona wurde ein neuer Transferrekord aufgestellt: Der Aussenstürmer kostete 150’000 Euro.

Eibar hat zur Saison einen clubeigenen Transferrekord aufgestellt: Dani Nieto kostete 150’000 Euro, so viel wie noch ein Spieler.

Am Sonntag geht es los, dann kommt gleich der baskische Nachbar Real Sociedad aus der Provinzhauptstadt San Sebastián in den Bergort auf halber Strecke nach Bilbao. Eibar liegt in einem schmalen Tal, seine Ausdehnung erreichte es durch die Waffenindustrie, «los armeros», nennt sich die Elf daher auch: die Büchsenmacher. Für ambitionierte Radler sind die steilen Hügel ein Paradies, ansonsten verirren sich kaum mal Touristen in den Ort, in dem es ein einziges Hotel gibt. Das ist jetzt an Spieltagen immer schon mit den ganzen Fernsehleuten ausgebucht.

Geld gab es bei so einem Verein noch nie. Eibar spielt in blau-rot, weil es bei der Vereinsgründung 1940 mit geschenkten Trikots des FC Barcelona antrat. Als der Jurist Aranzábal vor sechs Jahren übernahm, schaffte er sogar die zweite Mannschaft ab. Eibar kommt ohne hauptamtliche Mitarbeiter aus, ist dafür aber schuldenfrei und sehr stolz darauf, denn das ist ja nun wirklich eine Ausnahme, erst recht in Spanien. Und deshalb wäre der SD dieser Umstand auch beinahe zum Verhängnis geworden.

Das einzige Hotel ist bereits ausgebucht an den Spieltagen – von den TV-Leuten.

Ein Gesetz schreibt seit einigen Jahren allen Vereinen der ersten oder zweiten Liga ein Stammkapital von aktuell mindestens 2,146 Millionen Euro vor. Der Wert errechnet sich anhand des Durchschnitts aller Klubs, also auch derer, die sich auf Pump aufblasen. Eibar besass nur gut 400’000 Euro als Grundvermögen, ging sportgerichtlich gegen den Passus vor und hatte dabei alle Sympathien auf seiner Seite, aber keinen Erfolg.

Wahrscheinlich rettete es am Ende nur der Aufstieg. Die Publicity ermöglichte es, in wenigen Wochen die nötige Kapitalerweiterung zu stemmen, ohne die basisnahe Kultur des Vereins aufgeben und sich einem einzelnen Grossinvestor ausliefern zu müssen. 8000 neue Anteilseigener gibt es nun aus 48 verschiedenen Ländern: ein Hafen für Fussball-Romantiker aus aller Welt. «Was eine Strafe war, ist jetzt eine Stärke», sagte Aranzábal, als die letzte nötige Aktie von einem 90-jährigen Mitglied gezeichnet wurde.

Das Stadion (u. l.) ausbauen? Ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Stadion (u. l.) ausbauen? Ein Ding der Unmöglichkeit. (Bild: Wikipedia)

Doch das nächste Problem mit den Fussballbehörden wartet schon. Ab dem zweiten Jahr in der ersten Liga ist ein Fassungsvermögen von 15’000 Zuschauern vorgeschrieben. Unmöglich erfüllbar: das Ipurua liegt auf einer steilen Kuppe inmitten von Wohnungen, schon wegen der anvisierten Erweiterung auf 6700 Plätze gibt es Ärger mit den Nachbarn. In dem engen Tal ist einfach kein Platz für heutige Erstligastandards.



Sein Lohn hat das gesamte Geld des Trikotsponsors aufgebraucht: Neuzugang Derek Boateng. Links Präsident Alex Aranzábal, rechts Sportchef Fran Garagarza.

Sein Lohn hat das gesamte Geld des Trikotsponsors aufgebraucht: Neuzugang Derek Boateng. Links Präsident Alex Aranzábal, rechts Sportchef Fran Garagarza.. (Bild: GORKA ESTRADA)

Während der Ort sich herausputzt für sein grosses Jahr, versucht Trainer Gaizka Garitano dennoch, den Abstieg zu verhindern. Die besten Spieler haben den Verein wie immer verlassen, weil sie ebenfalls wie immer nur ausgeliehen waren. Unter den Neuen sind die Bekanntesten noch Manu del Moral, der vor vielen Jahren mal ein Länderspiel für Spanien machte, und der Ghanaer Derek Boateng, der eigentlich bei Rayo Vallecano unterschrieben hatte, dem bisherigen Asterix der Liga, dort aber nach den ersten Trainings für zu schwach befunden wurde.

In Eibar ist noch Platz für ihn, sie müssen nur den Etat etwas erhöhen, um den vorgeschriebenen Mindestlohn eines Erstligaspielers von 120’000 Euro zahlen zu können. Das ist exakt so viel, wie der Trikotsponsor für eine Saison überweist.

So 24.08. 19:00 SD Eibar Real Sociedad  

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Der 1. Spieltag der spanischen Primera División 2014/2015 in der Übersicht bei fussballdaten.de.

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