Ein China-Reisli und ein Sponsor namens Wanda

Die FCB-Spieler Marek Suchy und Tomas Vaclik reisen mit der tschechischen Nationalmannschaft für zwei Testspiele nach China. Dort sollen Stars aus Europa, die weltgrösste Juniorenakademie und eine Boygroup bestehend aus Frauen die Bevölkerung mit dem Fussballvirus infizieren.

Marek Suchy (links) und Tomas Vaclik entdecken China – mit der tschechischen Nationalmannschaft beim Einladungsturnier «China Cup».

Nach dem lang ersehnten ersten Heimsieg gegen Sion am Wochenende sind elf Spieler des FC Basel zu ihren Landesauswahlen gereist. Die meisten von ihnen bleiben in Europa. Tomas Vaclik und Marek Suchy reisen weiter: nach China, in die rund 9000 Kilometer entfernte Stadt Nanning im Süden des Landes. Dort leben sieben Millionen Menschen und dort bestreitet die tschechische Nationalmannschaft in den kommenden Tagen zwei Testspiele.

Basels Trainer Raphael Wicky sagt: «Vielleicht freuen sich die beiden, zehn Tage nach China zu reisen. Ich weiss es nicht.» Wir wissen es auch nicht. Aber interessant ist die Reise gewiss.

Vor über fünf Jahren hat China zum letzten Mal ein Freundschaftsspiel in einem anderen Land bestritten, seither hat die Volksrepublik ihre Gegner ohne Ausnahme zu sich eingeladen. Unter anderem an eben diesen China Cup. Tschechien ist eines von vier Teams, die anderen sind Wales, Uruguay und Gastgeber China.

China träumt davon, die Weltmeisterschaft 2030 ins eigene Land zu holen – und 2050 Weltmeister zu werden.

2017 feierte das erste internationale Fussballturnier in China Premiere; Island, Kroatien und Chile folgten der Einladung. Die Isländer waren ein paar Monate nach ihrer überraschenden Viertelfinalqualifikation an der Europameisterschaft in Frankreich in aller Munde. Chile hat Alexis Sanchez (Manchester United) oder Arturo Vidal (Bayern München) im Kader, Kroatien Ivan Rakitic (FC Barcelona) oder Luka Modric (Real Madrid).

Die vier Fussballer von Weltformat blieben dem Turnier zwar fern. Aber Chinas Absicht schien klar: Man wollte den Menschen grosse Namen präsentieren. Genau so, wie das die Chinese Super League macht, indem sie mit schier grenzenlosen finanziellen Möglichkeiten gestandene Professionals aus Europa anlockt.

Die Begeisterung für den Fussball soll ins Land getragen werden. Denn China will die Lücke zu den grossen Nationen schliessen. Es ist ein ambitioniertes Ziel für ein Land, das vor über 2000 Jahren mit dem Spiel Tsu‘ Chu (oder Cuju) zwar eine Variation des Fussballs erfunden, aber keine Fussballtradition nach europäischem Vorbild hat. China nahm erst ein einziges Mal an einer WM teil (2002 in Südkorea und Japan) und rangiert aktuell auf Platz 65 der Weltrangliste – hinter Kap Verde oder Burkina Faso.

Der Neffe von Sepp Blatter zieht in China die Fäden

Die Weltmeisterschaft in Russland findet ohne China statt. Damit die Volksrepublik bald wieder an einer Endrunde spielt, unternimmt das Land so einiges. Ein Faktor spielt dabei der China Cup. Nicht, weil er den Chinesen sportlich viel brächte. Sondern weil am Turnier verschiedene Entscheidungsparteien beteiligt sind.

Das Turnier wurde 2017 von der Wanda Sports Holding ins Leben gerufen, deren Verankerung bis in die Schweiz reicht. 2015 kaufte die Dachorganisation Wanda Group den Ironman-Organisator World Triathlon Corporation und für etwas mehr als eine Milliarde Franken den Sportvermarkter Infront Sports & Media AG mit Sitz in Zug.

Pompöse Sessel und ein Auge für jedes Detail: Alles stimmt unmittelbar vor der Unterschrift, mit der Chinas reichster Mann Wang Jianlin (links) 20 Prozent von Enrique Cerezos (rechts) Verein Atletico Madrid übernimmt.

Infront und die World Triathlon Corporation bilden zusammen die Wanda Sports Holding. Sie hat ihren Hauptstandort in Zug, an ihrer Spitze steht Philippe Blatter. Der Neffe des ehemaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter ist CEO von Infront und soll Wanda Sports zu einem «Branchenriesen» mit «einem Umsatz von zehn Milliarden Dollar» machen, wie die «Handelszeitung» schreibt.

Wanda ist im Immobiliengeschäft und im elektronischen Handel tätig, besitzt Einkaufszentren, Hotels, Kinos und Vergnügungsparks. Das Unternehmen gehört Wang Jianlin, dem reichsten Mann Chinas mit engen Verbindungen zu Chinas Politbüro. Dessen Vorsitz hat Staatspräsident Xi Jinping inne, ein grosser Fussballfan.

Chinesen kaufen sich in Spanien ein und finanzieren die Fifa

Wanda gehören 20 Prozent des spanischen Erstligisten Atletico Madrid, dessen Stadion inzwischen Wanda Metropolitano heisst. Seit 2011 ist Wanda Hauptsponsor der Chinese Super League und seit 2016 Geldgeberin an den Weltmeisterschaften der Fifa, mit einem Vertrag bis 2030 und einem geschätzten Sponsoring-Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro.

Der Grund für das Engagement bei der Fifa ist klar: «Der Konzern sei künftig besser aufgestellt, ‹um eine Rolle im Bieterprozess für die Vergabe grosser Fussballturniere wie der Weltmeisterschaft zu spielen›», zitiert welt.de aus einer Medienmitteilung von Wanda. China träumt davon, die Weltmeisterschaft 2030 ins eigene Land zu holen – und 2050 Weltmeister zu werden.

Luftaufnahme der Guangzhou Evergrande Youth Academy – 300 Hektaren Land für 2500 chinesische Junioren.

Damit dieser sportliche Erfolg der bevölkerungsstärksten Nation näher rückt, hat sich China einiges einfallen lassen. Unter Xi Jinpings Führung ist beispielsweise Fussball in den Lehrplan aufgenommen worden. Andere Massnahmen sind Akademien wie jene des Serienmeisters Guangzhou Evergrande. Auf 300 Hektaren trainieren 2500 junge Fussballer auf 50 Fussballfeldern, unter anderem trainiert von 24 spanischen Profitrainern. Einen grösseren Fussball-Campus gibt es nirgends sonst.

Die androgyne Boygroup muss nur noch eines lernen: Fussballspielen

Fussball im Lehrplan, Stars aus Europa in der eigenen Liga und grosse Akademien für die Jugend – das sind nur die offensichtlichsten Massnahmen, der Bevölkerung den Fussballvirus einzuimpfen. Doch China denkt weiter.

Die Boygroup FFC Acrush soll der Bevölkerung in China den Fussballvirus einimpfen. Dafür tragen androgyne junge Frauen unter anderem Fussballtrikots.

Zhejiang Huati Culture Communication, eine Firma aus der Unterhaltungsindustrie, hat junge Menschen gecastet und aus ihnen vier Musik-Gruppen gebildet, die den Chinesen den Fussball schmackhaft machen sollen. Eine dieser Bands heisst FFC Acrush. Der Präfix FFC steht für «Fantasy Football Confederation» und stammt vom gleichnamigen chinesischen Sportartikelhersteller.

Während die anderen drei Bands ganz offensichtlich Girlgroups sind, besteht Acrush aus fünf jungen Frauen, die keinem Geschlecht zugeordnet werden möchten. Der Vermarktung des Fussballs soll die Androgynie nicht abträglich sein. Dafür braucht es eigentlich nur noch eines: Fussball-Skills. Die Band soll an Konzerten und in Videos Fussball-Tricks zeigen, wofür die Mitglieder den Umgang mit dem Ball erst einmal erlernen müssen.

Ob sie inzwischen Fussball spielen können, wissen wir nicht. Aber wir glauben immer mehr, dass Tomas Vaclik und Marek Suchy sich auf ihre Reise in dieses Land freuen dürfen.

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