Christian Constantin hat sich unter der Woche mal wieder auf Trainersuche begeben – dabei hat sich der Präsident des FC Sion etwas überraschend an Raimondo Ponte erinnert. Die erste Prüfung für den 58-Jährigen ist die Reise zum FC Basel, wo Davide Callà am Samstag zum Debüt in Rotblau kommen könnte (19.45 Uhr, #rotblaulive).
Murat Yakin hat unter der Woche die Zeitungen ganz genau gelesen. Und so ist dem Trainer des FC Basel in der Flut der Berichterstattung über die Olympischen Spiele die kleine Polemik nicht entgangen, die nach dem 3:2-Sieg seiner Basler über die Young Boys entstanden ist.
In Bern wurde jeder einzelne Entscheid des wirklich nicht guten Schiedsrichters Nikolaj Hänni seziert – und für parteiisch befunden. Das allein hätte Yakin wohl einfach durchgehen lassen. Dass sich dann aber auch noch Schiedsrichter-Chef Carlo Bertolini im «Blick» zu Wort meldete und verschiedene Szenen nachträglich aufgrund von TV-Bildern beurteilte, kommentierte der FCB-Trainer am Freitag mit wenig Verständnis und maliziösem Lächeln: «Seit wann pfeift er denn wieder?»
Es sei trotz der negativen Berichterstattungen gelungen, unter der Woche konzentriert zu arbeiten, berichtete Yakin dann auch noch. Trotzdem? Als wäre irgendwer auf die Idee gekommen, der kleine Sturm im Berner Wasserglas hätte die seit 15 Ligaspielen unbesiegten Basler aus der Ruhe bringen können. Der FCB hat in der laufenden Saison wahrlich aufgeregtere Zeiten erlebt.
Die Angst, die Constantin umtreibt
Überhaupt – was sollte da erst der Gegner vom Samstag sagen? Der FC Sion würde wohl jede Diskussion um fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidungen mit Begeisterung über sich ergehen lassen. Doch die Walliser haben andere Probleme. Sie drohen mit noch sieben Punkten Vorsprung auf Lausanne in Richtung Abstiegskampf abzurutschen.
Und weil Präsident Christian Constantin genau davor Angst hat, kommen die Sittener – wieder einmal – mit einem neuen Trainer ins Joggeli. Es ist ihr dritter in der laufenden Saison. Und der FCB hat tatsächlich den Kurzarbeiter Laurent Roussey übersprungen. Beim 2:2 in Basel Ende September war noch Michel Decastel an der Seitenlinie gestanden.
Am Samstag jedenfalls wird einer die Aufstellung machen, der in der Deutschschweiz beinahe in Vergessenheit geraten ist: Raimondo Ponte, der von 2007 bis 2013 im Tessin gearbeitet hat, nacheinander in Chiasso, Bellinzona und Lugano.
Pontes Realismus und sanfter Hinweis
Ponte ist mit dem nötigen Realismus nach Sion gereist. Einen Vertrag hat er gar nicht erst unterschrieben. Er habe sich mit Constantin einfach auf eine Zusammenarbeit bis Ende Mai geeinigt, erzählte Ponte «Le Matin»: «Wir werden genug Zeit haben, die Zukunft zu regeln. Ich weiss, wie das Spiel funktioniert.»
Trotzdem konnte der Aargauer bei seinem Amtsantritt im Wallis den sanften Hinweis nicht lassen, er sei eigentlich ein äusserst vereinstreuer Mensch. Schliesslich habe er beim FC Chiasso ebenso fünf Jahre lang an derselben Stelle gearbeitet wie zuvor beim FC Zürich von 1995 bis 2000. In Zürich hatte ihn ein administrativer Fehler den Job gekostet. Der FCZ musste in die Abstiegsrunde, weil Ponte gegen Xamax einen ausländischen Spieler zu viel aufs Matchblatt gesetzt hatte – was nachträglich mit einer 0:3-Forfaitniederlage bestraft wurde.
«Ich bin keiner, der wegen fünfzig Franken mehr Lohn gleich davon rennt», stellte Ponte bei seiner Vorstellung auch noch fest. Und das war dann entweder äusserst treuherzig – oder ein kleiner Witz auf Kosten seines neuen Arbeitgebers. Denn Constantin ist eher keiner, dem die Trainer abgeworben werden. Vorher wirft er sie schon selber raus. Und wer sich jetzt fragt, welche Trainer CC denn so verschlissen hat, dem sei unsere Statistik empfohlen, die bei 39 Wechseln hier den Rahmen sprengen würde.
Im Wallis fehlt die Lebensfreude
Mit welchen Problemen Ponte an seinem neuen Arbeitsplatz kämpfen wird, hat er schnell festgestellt. Er habe mit seinem neuen Assistenztrainer Freddy Chassot einen ihrer Spieler auf der Strasse getroffen, erzählte er dem «Nouvelliste»: «Ich habe kein Leben gespürt, als uns der Spieler gegrüsst hat. Dabei ist Lebensfreude ist essentiell, um in einer Gruppe Erfolg zu haben.»
Geht es nach Yakin, dann werden die Walliser ihres Lebens auch im Joggeli nicht froh. Natürlich will der Münchensteiner, dass sein Team das Spiel gewinnt. Und er hinterlässt nicht den Eindruck, als ob ihn der FC Sion nach der Trainerrochade überraschen könnte. Sein Bruder Hakan hat in Bellinzona ein paar Monate unter Ponte gespielt. Deswegen glaubt Murat Yakin Pontes Idee vom Fussball ziemlich gut zu kennen.
Davide Callà steht vor seinem Debüt
Er ist sich darum ziemlich sicher, dass Ponte das mit nach Basel bringen wird, was er selbst auch gerne beim FCB sähe – aber schon mehrfach erfolglos ausprobiert hat: eine Dreierkette. Und die Beobachter im Wallis geben Yakin recht – auch wenn Ponte bislang noch kein einziges taktisches Training mit seiner Mannschaft absolviert hat.
Yakin seinerseits scheint gewillt, dem neusten Basler Zugang gleich von Beginn weg Auslauf an der neuen Arbeitsstätte zu geben. Davide Callà, erst am Dienstag auf den rotblauen Zug aufgesprungen, könnte davon profitieren, dass Matias Delgado eine Gelbsperre absitzt – und sowohl Valentin Stocker als auch Marco Streller für das Spiel vom Samstag fraglich sind.