Ein FCB-Fan wie ein Geschichtsbuch: Markus Vogel (1953–2018)

Markus Vogel blieb dem FC Basel ein Leben lang treu. Er hätte bestimmt auch an einem Cupspiel in Echallens seine Freude gehabt.

FCB, Fanclub Bebbi, Arbeit, Familie: die Prioritäten im Leben von Markus Vogel (1953–2018).

Seine Eltern waren nicht schuld. Markus Vogel wurde 1962 zum FCB-Fan, Mutter und Vater hatten sich nie für Fussball interessiert. Vogel wuchs im Kleinbasel auf, machte als Waggis bei den Runzlebieger Fasnacht, spielte beim TV St. Joseph und beim TV Münchenstein Handball. Seine Liebe für Rotblau habe er einfach im Blut, das könne er nicht erklären, sagte Vogel einmal in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».

Seinen beiden Kindern Christian und Brigitte gab Vogel den FCB-Virus weiter. Nach der Trennung von seiner Frau Irene wuchs der Sohn Christian bei ihm auf, Tochter Brigitte bei der Mutter. Christian Vogel und Gaby Ebner, die langjährige Partnerin von Markus Vogel, erinnern sich beide daran, dass Familienfeste nach dem FCB-Spielplan organisiert wurden. Die Reihenfolge der Prioritäten in Vogels Leben habe geheissen: FCB, Fanclub Bebbi, Arbeit, Familie.

Familiäre Momente abseits von Fussballstadien oder Fanclub-Aktivitäten waren zwar selten, gemeinsame Ferien aber wichtig. «Bei Markus musste immer etwas gehen, Badeferien waren nicht sein Ding», sagt Gaby Ebner. Dafür ging es in die Walliser Berge zum Skifahren oder Wandern.

802 FCB-Spiele in Serie

Die Liebe zum FCB begleitete Vogel auch beruflich. Er arbeitete 22 Jahre lang bei der Buch- und Offsetdruckerei von Walter Bielser, der 1953 als Spieler mit dem FC Basel Schweizer Meister geworden war. Bielser liess dem engagierten FCB-Fan viele Freiheiten. Deshalb verpasste Vogel von 1982 bis 1988 nur sieben Spiele des FCB wegen Knochenbrüchen oder der Mitarbeit an Festen der FCB-Junioren, für die er sich ehrenamtlich engagierte.

Rotblau im Blut: Auf dem Barfi vor dem Cupfinal-Marsch.

Als der FCB 1988 den Gang in die Niederungen der Nationalliga B antreten musste, schloss Vogel mit einigen Freunden eine Wette ab. Im Glauben, die Rückkehr in die höchste Liga werde schnell Realität, beschloss die Gruppe, bis zum Aufstieg kein Spiel zu verpassen.

Der Aufstieg sechs Jahre später war das schönste Erlebnis für Markus Vogel, wie er im Sommer 2002 dem «Baslerstab» sagte. Aus der Wette von damals wurde ein Selbstläufer. Bis zur Diagnose seiner Demenz-Erkrankung 2012 verfolgte Vogel 802 FCB-Spiele in Serie.

Unterschriften gegen orange Trikots

Markus Vogel scheute sich nie, den Vereinsoberen seine Meinung kund zu tun. Im Frühherbst 1972 organisierte der damals 19-Jährige eine Unterschriftensammlung: Der Vorstand des Fussballvereins hatte beschlossen, bei Heimspielen nicht mehr in rotblauen, sondern in orangen Trikots anzutreten. Über 3500 Fans unterschrieben abwechselnd in Rot und Blau die Petition an den Vereinsvorstand und forderten diesen auf, den FCB wieder in den traditionellen Farben antreten zu lassen.

Der Vorstand trat auf das Anliegen nicht ein, sah sich aber zu einer Rechtfertigung genötigt. Präsident Felix Musfeld erklärte im Cluborgan, der FCB habe in den vergangenen Jahren wichtige Entscheidungsspiele bei sonnigem Wetter verloren. Der Verein habe deshalb den Zusammenhang zwischen Dressfarben und Sonneneinwirkung untersuchen lassen. Es habe sich gezeigt, dass Rot und Blau die Wärme am stärksten aufnehmen würden. Die besten Farben seien Weiss und Orange.

Musfeld betonte immerhin, dass die Vereinsfarben Rot und Blau bleiben, egal in welchen Trikots der FCB spiele. Diese Argumentation überzeugte die Fans jedoch nicht. Das Orange verschwand schon nach kurzer Zeit wieder. Aktionen wie diese Unterschriftensammlung führten in den folgenden Jahrzehnten dazu, dass Vogel zum «bekanntesten, treusten und unerschütterlichsten Anhänger des FCB» wurde, wie Josef Zindel in seinem Nachruf auf der Website des FCB schreibt.

Mit dem Hitzfeld-Express nach Bern

Die Cupfinals 1972 und 1973 blieben trotz zwei Niederlagen gegen den FC Zürich einer kleinen Gruppe FCB-Fans um Vogel speziell in Erinnerung. Sie wanderten von Basel nach Bern ins Wankdorf-Stadion. 1975 folgte ein dritter Fanmarsch an den diesmal erfolgreichen Cupfinal gegen den FC Winterthur.

Der Hitzfeld-Express ist startklar.

Start war jeweils am Karfreitag auf dem Barfüsserplatz. Die Teilnehmer nahmen Wägeli mit, in denen sie ihre Fan-Utensilien verstauten und denen sie Namen von FCB-Spielern gaben. Markus Vogel war mit dem Hitzfeld-Express unterwegs. Karli Mösch, seit 1969 ein enger Freund von Vogel, erinnert sich: «Wir liefen einfach los und übernachteten unterwegs. Einmal verbrachten wir eine Nacht im ‹Bären› in Langenbruck und die zweite in Kirchberg bei jemandem, den wir dort in einem Restaurant kennengelernt hatten.»

Unterwegs zum Cupfinal nach Bern.

Neben Mösch, der seit 1966 rund drei Viertel aller FCB-Spiele gesehen hatte, nahm Heinz Käppeli teil. Er erzählt von einem früheren Marsch zu einem Uhrencupfinal mit Basler Beteiligung. So genau wisse er nicht mehr, wann das gewesen sei (der FCB spielte 1969, 1970 und 1971 im Final), sagt Käppeli: «Etwa acht bis zehn Personen liefen am Samstagmorgen los. Ich stiess später in Aesch zur Gruppe, da ich verschlafen hatte.» Durch das Kaltbrunnental und über den Weissenstein ging es nach Grenchen, wo sie am Sonntag rechtzeitig zum Finalspiel eintrafen.

Das Gesicht des Fanclubs Bebbi

Vogel sah sein Fan-Sein nicht an eine Institution gebunden. Den ersten FCB-Fanclubs, die sich Mitte der 1970er-Jahre gebildet hatten, stand er zunächst skeptisch gegenüber. Neben der sportlichen Misere des FCB machte sich in den frühen 1980er-Jahren Gewalt auf den Rängen bemerkbar. Verantwortlich waren vor allem die Blue-Red Army mit Anführer «Hamster» und Mitgliedern des Fanclubs Mighty Eagles. Sie brachten mit der Gewalt auch die rechtsextreme Skinhead-Bewegung in die Muttenzerkurve.

Die Mighty Eagles lösten sich 1982 wegen interner Reibereien auf. Dirk Ziesemer von den Mighty Eagles suchte für eine Neugründung Mitstreiter. Er habe Markus Vogel im Stadion als engagierten Fan erlebt und ihn deshalb für eine Teilnahme angefragt, erzählt er: «Es brauchte aber mehrere Gespräche, bis Vogel bereit war mitzumachen. Für ihn war ein Fanclub gleichbedeutend mit Gewalt.»

Markus Vogel im alten Joggeli.

Dirk Ziesemer wurde Präsident und Vogel Beisitzer im Vorstand des 1982 gegründeten Fanclub Bebbi. Der Fanclub distanzierte sich von Anfang an von Gewalt. Damit wurde er zu einem Feindbild der Hooligans und Rechtsextremen. Das «Basler Terror-Blatt» etwa bezeichnete 1983 die Mitglieder des Fanclubs Bebbi als «unsere Oberjuden».

Er habe mit Vogel eine «fruchtbare Streitkultur» gepflegt, sagt Ziesemer. Konflikte seien offen ausgetragen worden. Vogel habe gerne die Kontrolle über die Aktivitäten gehabt. Folgerichtig übernahm er 1984 das Präsidium des Fanclubs Bebbi, den er bis zu seiner Erkrankung 2012 führte. Seine eigensinnige Art führte intern zu Konflikten. Ausgetretene Mitglieder gründeten ihren eigenen Fanclub Rhyschwalbe.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich Vogel immer mehr zum Gesicht des Fanclubs Bebbi. Er verdankte dies dem unermüdlichen Engagement für den FC Basel. Im Anschluss an eine öffentliche Orientierung, an welcher der FCB über ein Millionenloch berichtete, sammelte er mit Fanclub-Mitstreitern mit einer ausgerollten Fahne vor Ort mehrere Tausend Franken, die sie dem verdutzten Vorstand übergaben.

Der Fan mit Coach Gusti Nussbaumer.

Vogel half immer wieder beim Geldsuchen mit, verkaufte Fanartikel oder engagierte sich bei einem Spendenfest auf dem Landhof. Als sich das Krisenszenario in den 1990er-Jahren wiederholte und der FCB vor dem Konkurs stand, waren Vogel und der Fanclub Bebbi erneut zur Stelle. «Er war der Fan, den man am meisten wahrgenommen hat», sagt der damalige FCB-Teamcoach Gusti Nussbaumer, der mit Vogel im Kleinbasel aufgewachsen war.

Der Goalie in der roten Hose

Im Dezember 1983 organisierte der Fanclub Bebbi sein erstes internationales Hallenfussballturnier für Fanclubs. In Spitzenzeiten nahmen bis zu 32 Teams aus der ganzen Schweiz und vor allem aus Deutschland teil. Das 2010 zum letzten Mal durchgeführte Bebbi-Hallenturnier war lange Jahre die Königin unter den Fanturnieren.

Das Gesellige, der freundschaftliche Austausch mit anderen FCB-Fans und Fanclubs anderer Mannschaften war oft wichtiger als der sportliche Erfolg. Wobei Markus Vogels Ehrgeiz so gross war, dass die Bebbi-Mannschaft regelmässig vorne mitspielte. Sich selber stellte er ins Tor. Seine erst rote und später gelbe Trainerhose wurden zu seinem Markenzeichen.

Die Bebbi-Mannschaft am Hallenturnier 1983: Markus Vogel mit roter Hose in der vorderen Reihe.

Ebenfalls in den frühen 1980er-Jahren organisierte der Fanclub Bebbi die ersten Carfahrten an Auswärtsspiele. Diese waren für viele der Grund, dem Fanclub Bebbi beizutreten. Weil es nämlich auf einigen Carfahrten zu verbalen Ausfällen und chaotischen Zuständen gekommen war, durften nur noch Fanclub-Mitglieder mitreisen.

Niggi Holenstein, Inhaber der Holenstein Car Reisen in Reinach, fuhr über 30 Jahre lang für den Fanclub durch die Schweiz. Er lernte Vogel schätzen: «Markus wusste alles über den FCB», sagt Holenstein. Als der Fanclub die Carreisen einstellte, stiegen Vogels Freunde Karli Mösch und Paul Mohler auf den Zug um. Seither fahren sie im Extrazug an die Auswärtsspiele, im «Spitex-Wagen» oder in der «Geriatrie-Abteilung», wie die beiden über 60-Jährigen sagen.

Der Pionier des rotblauen Merchandising

Die Fanclub-Mitglieder trafen sich im alten Joggeli jeweils beim Würstlistand in der Kurve. Mohler erinnert sich daran, dass Vogel oft sein Wägeli dabei hatte und Souvenirs verkaufte, zum Beispiel Aufnäher des Fanclubs oder Aufkleber.

Vogels Souvenirstand im alten Joggeli.

Ein Merchandising des Vereins gab es damals noch nicht. Erste Gehversuche in diesem Bereich unternahm die Versicherung Pax, die seit der Saison 1977/78 Trikotsponsor des FCB war. 1981 eröffnete sie im Stadion einen Souvenirstand. Nach dem Abstieg 1988 und dem Ausstieg von Pax als Sponsor meldete sich der FCB bei Markus Vogel. Dieser verlegte den Souvenirstand vom blauen Pax-Zelt in das Kassenhäuschen beim Eingang B.

Vogel habe den Stand auf eigenes Risiko betrieben, erinnert sich Christian Vogel. Er habe das Material selber bestellt und auch im Voraus bezahlt. Vogel steigerte den Umsatz und übergab den Stand nach einigen Jahren dem FCB.

Über Jahrzehnte hatte Vogel Tausende Stunden in seine Liebe FCB investiert. Es ist eine schöne Geschichte, dass sich die Firma Permashop, die zehn Jahre lang bis 2011 das Merchandising für den FCB betrieb, an Vogel erinnerte, als dieser nach dem Konkurs der Firma von Walter Bielser arbeitslos war.

FCB-Fanshop in der Centralbahnpassage.

2004 begann Vogel im Fanshop in der Centralbahnpassage zu arbeiten und übernahm diesen 2007 in Eigenregie. Der «Fanshop Markus Vogel» wurde zu seinem Lebensmittelpunkt und überlebte nach Vogels Erkrankung 2012 nur dank dem grossen Engagement von Gaby Ebner bis Mitte Juli 2018.

Glücksschuhe als ewige Begleiter

Eine unbedeutende 0:1-Niederlage gegen die Grasshoppers zum Schluss der Meistersaison 2015/16 war Vogels letztes Spiel im Joggeli. Wenig später zwang ihn seine Krankheit in ein Pflegeheim. Im Mai 2018 ist Markus Vogel mit 65 Jahren gestorben. Wenige Wochen später musste Gaby Ebner den Fanshop in der Centralbahnpassage schliessen.

Beim Saison-Eröffnungsspiel des FCB am 21. Juli dieses Jahres zeigte die Muttenzerkurve während einer Schweigeminute für Vogel das Spruchbanner: «Uff das, dass dini Glücksschueh di immer no begleite: e rote und e blaue.» Dass der FCB das Spiel gegen St. Gallen 1:2 verlor, danach in eine Krise schlitterte und Trainer Wicky gehen musste, hätte Vogel engagiert zur Kenntnis genommen und sicher eine eigene Meinung dazu gehabt.

Geändert hätte sich für ihn aber nichts. Die Liebe zum Verein stand für ihn immer über dem Erfolg.

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