Ein Hochbegabter kommt an

Der FC Basel erhält mit Mohamed Elyounoussi einen Offensivspieler, der als Zweijähriger von Marokko nach Norwegen kam, erst mit zehn Jahren in einem Verein spielte und Deutsch versteht, weil er japanische Mangas bei RTL schaute.

Der FC Basel erhält mit Mohamed Elyounoussi einen Offensivspieler, der als Zweijähriger von Marokko nach Norwegen kam, erst mit zehn Jahren in einem Verein spielte und Deutsch versteht, weil er japanische Mangas bei RTL schaute.

Wer mit Mohamed Elyounoussi ein Interview führt, weiss nach 30 Minuten nicht mehr, ob er Fragesteller oder Befragter ist. Die Grenzen werden fliessend, denn der 21-Jährige will nicht nur von sich erzählen. 

Vor zwei Wochen hat der Offensivspieler beim FC Basel einen Vierjahresvertrag unterschrieben, ist erstmals weg vom Land seiner Kindheit. Er möchte erfahren, wie die Menschen in der mehrsprachigen Schweiz miteinander kommunizieren, macht grosse Augen, als er von Palmbäumen im Tessin hört oder fragt, wie viele Marokkaner in Basel leben (2015 waren es 161, Norweger waren es 60).

In Al-Hoceïma, einer kleinen Hafenstadt an der marokkanischen Mittelmeerküste, kommt er 1994 zur Welt. Der Vater lebt bei der Geburt in Norwegen, die Mutter kommt mit dem Nachwuchs zwei Jahre später nach. Mohamed Elyounoussi wächst mit einem Bruder und zwei Schwestern in seiner neuen Heimat auf. Im Elternhaus spricht die Familie Tarifit, eine Sprache der Berber, die eine Mehrheit in Al-Hoceïma bilden.

Zu diesem Zeitpunkt sind gerade mal zehn Jahre vergangen, seit er zum ersten Mal in einem Verein die Fussballschuhe schnürte. Auf Zuruf seiner Freunde und seines Cousins Tarik, der in der Karriere des Mohamed Elyounoussi eine tragende Rolle einnimmt: Tarik ist sechs Jahre älter und spielt bei Hoffenheim in der Bundesliga. Als Profis standen die beiden nur gerade neun Minuten gemeinsam auf dem Platz: mit Norwegen im Freundschaftsspiel gegen England, einer der bisher fünf Partien Mohameds im Dress des Nationalteams.

Zum Zusammenspiel der beiden Cousins kommt es aber immer noch: im Urlaub. Zuletzt, als sie für eine Hochzeit in Marokko waren und wie immer in den Strassen ihrer Heimatstadt mit den Kindern spielten. Wie früher eben, der jüngere und ältere Cousin einer Familie, die eng verflochten ist: Nicht nur ihre Väter sind Brüder, ihre Mütter sind ebenfalls Geschwister.

Sein Vater hat sich zur Ruhe gesetzt: «Es ist jetzt Zeit, sich zurückzulehnen, habe ich ihm gesagt, ich kümmere mich um alles.»

Die beiden Väter sind früh nach Norwegen gezogen, der Arbeit wegen. 30 Jahre war Mohameds Vater in einem Pizza-Take-away tätig, wo der Junior aushalf. Er könne Hamburger und Pizzas noch immer zubereiten, sagt Elyounoussi. Sein Brot verdient er inzwischen als Fussballer, und sein Vater hat sich, etwas über 50 Jahre alt, zur Ruhe gesetzt: «‹Es ist jetzt Zeit, sich zurückzulehnen›, habe ich ihm gesagt, ich kümmere mich um alles», schildert Elyounoussi, dessen Einkommen mit dem Arbeitspapier beim FC Basel vorerst gesichert ist.

Als 16-Jähriger einem Journalisten auf den Leim gegangen

Welche anderen Vereine an ihm interessiert waren, will Elyounoussi nicht sagen. «Vor etwa einem Monat habe ich über meinen Agenten vom Interesse des FCB gehört. Die Zustimmung zum Wechsel war einfach, auch weil die Stadt Basel meiner Freundin gefällt und sie irgendwann nachziehen wird. Dieser Transfer ist der perfekte Schritt für mich», sagt der sechste von bisher neun Zugängen beim Schweizer Meister. Zum Wechsel geraten hat ihm auch Tarik Elyounoussi, der familieninterne Berater: «‹Stell sicher, dass du den richtigen Club findest›, sagte er mir. Es macht vieles einfacher mit einem älteren Cousin, der den gleichen Beruf ausübt.»

Diesen Beruf hat Mohamed Elyounoussi nicht nur auf dem Rasen lernen müssen. Sondern auch daneben. Er erzählt die Geschichte, wie er als 16-Jähriger vor die Kameras gebeten wurde. «Der Journalist hat mich zuerst zum Spiel befragt. Das ging noch. Aber dann kam die Frage, ob dieser und jener Club an mir interessiert sei. Da reagierte ich wenig professionell, mein Pokerface war damals noch nicht ausgereift und der Journalist hat mein Lachen durchschaut. Heute würde ich ruhig Antwort geben und mir nichts anmerken lassen.»




Zwei Neue beim FC Basel im Gespräch: Seydou Doumbia (links) und Mohamed Elyounoussi.

Gut sechs Jahre und zwei Vereinswechsel sind seit diesem Fernsehauftritt vergangen. Beim FC Basel spielt Elyounoussi nach 16 Einsätzen im Europacup erstmals in der Champions League. Dort wurde Ole Gunnar Solskjaer als Spieler von Manchester United 1999 mit dem Finaltor gegen die Bayern zum festen Bestandteil der Fussballgeschichte.

«Wir haben sehr viel Respekt vor ihm, er ist der grosse Star, den Norwegen zurzeit nicht mehr hat», sagt Elyounoussi über seinen letzten Trainer bei Molde. «Ole Gunnar Solskjaer sagte mir im Winter, dass ich im Sommer wechseln werde. Als Coach wolle er seinen besten Mann zwar nicht verlieren, aber als ehemaliger Spieler wisse er, dass dieser Schritt kommen müsse.»

Nach dem Wechsel arbeitet Urs Fischer mit Elyounoussi da weiter, wo Solskjaer aufgehört hat. Aber der 21-Jährige glaubt, dass er der grossen norwegischen Figur in seinem Fussballerleben wieder über den Weg laufen könnte. «Vielleicht ist Solskjaer irgendwann Nationaltrainer Norwegens. Da muss man einen guten Kontakt behalten.» In den Augen des Mannes, der mit Zeichentrickserien Deutsch gelernt hat, blitzt in diesem Moment der Schalk. Den hat er bei aller Professionalität dann doch noch bewahrt.




Mohamed Elyounoussi und sein letzter Trainer bei Molde, Ole Gunnar Solskjaer.

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