Eine schwere Niederlage steht am Anfang des Aufstiegs von Andy Murray zum Weltklassespieler. Als er im Sommer 2012 Roger Federer im Wimbledon-Final unterlag, fühlte er sich erstmals angekommen auf dem Niveau der ganz Grossen. Am Australian Open beweist Murray mit dem Sieg gegen den Baselbieter Federer, dass er seine Lektionen gelernt hat.
Die Geschichte dieses süssen Sieges begann für Andy Murray (25) mit einer bitteren Niederlage. Es war auf dem heiligen Rasen des All England Club im vergangenen Sommer, als der Schotte auf einer der grossen Tennisbühnen zum ersten Mal wirklich auf Augenhöhe mit einem der Superstars der Branche spielte.
Er verlor damals zwar den Final seines Heim-Grand-Slams gegen Roger Federer (31), aber im Drama auf dem berühmtesten aller Centre Courts schimmerte seinerzeit ein neuer Wettkämpfer in Murray durch, ein Mann, der an den Sieg glaubte und nicht mehr irgendwie ins Verlieren verliebt war.
«Ich habe zum ersten Mal in einem so bedeutenden Match wirklich innerlich auf Sieg gespielt, mit der richtigen Einstellung, mit einer klaren Kampfansage an den Gegner», sagte Murray später, als er auf den tränenreichen und doch so wegweisenden Fehlschlag zurückblickte, «es war das Spiel, das mir den Durchbruch brachte.»
Wenige Wochen später gewann Murray an selber Stelle die olympische Goldmedaille gegen Federer. Und zum Ende des verrückten britischen Sportsommers holte er dann seinen ersten Grand-Slam-Titel in New York gegen Novak Djokovic. Er war damit gefühlt der Mann und Aufsteiger des Jahres 2012.
Bislang war Federer für Murray ein Spassverderber gewesen
Und nun, gleich auf den ersten Metern der neuen Saison, spricht dieser gereifte Mittzwanziger auch ein gehöriges Wörtchen mit bei der Titelvergabe in der Rod Laver Arena zu Melbourne. Bezeichnender Weise nach einem gewonnenen Fünf-Satz-Drama der Australian Open gegen eben jenen Roger Federer, der ihm zumindest bei den wertvollsten Turniergelegenheiten bisher als unüberwindbarer Spassverderber gegenüberstand.
Mit beinahe lässiger Genugtuung, ganz im Stile seines Trainers Ivan Lendl, quittierte Murray seinen 6:4, 6:7, 6:3, 6:7, 6:2 Vorschlussrundensieg gegen den Schweizer Altmeister, ein Triumph, der ihm nach einer mitreissenden Vier-Stunden-Tennisschlacht die sonntägliche Finalverabredung mit Novak Djokovic sicherte, der Weltnummer 1. «Das wird ein weiterer, vielleicht noch grösserer Zermürbungskampf», sagte Murray, «da muss ich über die Schmerzgrenze gehen.»
Nach den ersten vier verlorenen Grand-Slam-Endspielen seiner Karriere winkt dem mal unterkühlten, mal hitzigen Tennisstreiter aus Dunblane nun auf einmal das Kunststück einer neuen Bestmarke – nämlich als erster Spieler direkt nach dem Major-Premierentitel gleich noch eine weitere Siegtrophäe holen zu können. «Ich bin bereit für den nächsten Erfolg. Ich habe mir jetzt oft genug bewiesen, dass ich unter gewaltigem Druck die wichtigen Spiele gewinnen kann», sagte Murray, der in dem Vergleich mit Federer weitgehend das Tempo, den Rhyhtmus und den Takt diktiert hatte.
Federer ist trotz der Niederlage zufrieden
«Andy hat eindeutig mehr Chancen herausgespielt, das Ergebnis geht schon okay», sagte Federer später. Zugleich wehrte er schnell wieder Einschätzungen zurück, er könne fortan nur noch der ewige dritte Mann hinter Murray und Djokovic sein, den Protagonisten eines neuen Dauerduells um die Weltspitze und um Grand-Slam-Titel: «Ich bin sehr zufrieden mit meinem Saisonstart. Ich bin in Schlagdistanz zu den grossen Titeln. Jeder hat in den letzten Monaten gesehen, dass es in den Topspielen stets nur um kleinere Nuancen geht».
Murray profitierte bei seinem Sieg im nächtlichen Melbourne nicht nur von einem leichteren Turnierprogramm in den ersten anderthalb Wochen, sondern eben auch von jener neuen Durchsetzungskraft und mentalen Stärke, die auch seinem Übungsleiter Ivan Lendl zu verdanken sind.
Die Verpflichtung des eingebürgerten Amerikaners zum Saisonstart 2012 war eindeutig der letzte entscheidende Schritt in der Evolution Murrays zum Grand Slam-Champion, zu einem Rivalen, der nun wie selbstverständlich auf derselben Stufe der Hackordnung wie Djokovic und Federer steht. Lendl habe ihn einfach «ausgeglichener» gemacht in seinem ganzen Auftreten, sagt Murray und erinnert sich noch an die früheren Gefühlsschwankungen in Topmatches, an Berg-und-Talfahrten, in denen es «emotional drunter und drüber ging».
Dem Djoker könnte der Titel-Hattrick gelingen
Die wahrscheinlich schwerste Aufgabe steht dem Federer-Bezwinger nun indes erst bevor, der Kampf gegen Titelverteidiger Novak Djokovic. Der wirkte, mit Ausnahme des Spiels gegen Stanislas Wawrinka, bisher ziemlich unnahbar bei seinem Versuch, den ersten Titel-Hattrick eines Spielers bei den Australian Open auf den Court zu zaubern.
Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr führte Murray im fünften Halbfinal-Satz mit 5:3 gegen Djokovic , servierte zum Sieg, ehe ihm der Mann aus Belgrad den Erfolg noch wegschnappte. Es wird den neuen Murray mit seiner ganzer Klasse brauchen, um diesen Spassverderber mit dem Spitznamen Djoker nun zu stoppen.