Die Fans von Borussia Dortmund lassen ihrem Frust über den Wechsel von Starspieler Mario Götze freien Lauf. BVB-Trainer Jürgen Klopp bittet derweil um Ruhe und Unterstützung für das wichtige Spiel vom Mittwochabend gegen Real Madrid.
Es war ein ziemlich glaubwürdiges Lächeln, das der Trainer von Borussia Dortumund, Jürgen Klopp, im Gesicht trug, als er am Dienstag vor die Presse trat, um eine überaus bittere Nachricht zu kommentieren. In den Stunden zuvor war bekannt geworden, dass Mario Götze im Sommer über eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag für 37 Millionen Euro zum FC Bayern München wechseln wird.
Er selbst wisse schon seit knapp zwei Wochen von der Entscheidung seines Juwels, erzählte Klopp «und ich habe gemerkt, die Zeit heilt alle Wunden», versuchte er alle aufgebrachten Gemüter zu beruhigen und dann richtete der Trainer einen flammenden Appell an die Dortmunder Anhänger: «Lasst uns morgen einen ganz speziellen, einen besonderen, einen BVB-Abend machen und gegen Real Madrid gewinnen.»
Dass das gelingt ist aber keineswegs sicher, im Internet war zuvor ein Shitstorm über Götze hinweggefegt. 2700 Kommentare waren dort innerhalb von zwei Stunden eingegangen, die Emotionen kochten. «Du warst mein absoluter Lieblingsspieler auf der ganzen Welt und jetzt empfinde ich nichts mehr ausser Verachtung und Wut, wenn ich deinen Namen höre!!», verkündete ein Nutzer, ein anderes Mitglied schrieb nur: «Geld!».
Klopp bittet die BVB-Fans nun darum, die Sache während des Spiels zu vergessen und die Mannschaft konstruktiv zu unterstützen. «Falls das jemand nicht kann, wäre es schön, wenn er die Karte noch weiter geben könnte», sagte er, und zu seiner Strategie der Entdramatisierung gehörte auch, dass er versuchte, die Beweggründe seines Zöglings zu erklären.
Das Verhältnis zwischen Dortmund und Bayern kühlt sich weiter ab
Götze sei eben «der Wunschspieler von Pep Guardiola», dem neuen Trainer des FC Bayern», erläuterte Klopp: «Er möchte sich diese Chance, mit diesem aussergewöhnlichen Trainer zusammen zu arbeiten, nicht entgehen lassen». Solche sportlichen Argumente überzeugen den Dortmunder Fussball-Lehrer, was ihm aber gar nicht gefällt ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung.
«Jeder kann sich vorstellen, warum das geschehen ist. Aber wer auch immer wollte, dass wir in der Vorbereitung auf das Spiel gestört werden, wir werden alles dafür tun, dass er keinen Erfolg hat». Wobei den Zuhörern am Ende der Pressekonferenz nicht wirklich klar war, wen er nun der Indiskretion beschuldigte, wenn nicht den Konkurrenten aus München. «So weit geht die Rivalität dann doch nicht», widersprach er diesem naheliegenden Gedanken.
Dass das Verhältnis der beiden besten deutschen Clubs der Gegenwart in dieser Woche noch weiter abkühlt ist, ist aber nicht zu übersehen. «Bayern wird weiter an die Top-Talente herangehen», hat BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke der «Sport-Bild» gesagt – noch bevor die Transferbombe platzte. Die Strategie der Münchner sei seit vielen Jahren gleich. «Dazu gehört seit jeher auch, den Konkurrenten zu schwächen. Wir kalkulieren Angriffe aus München ein. Allen Solidaritätsaussagen zum Trotz.»
Wahrscheinlich wusste Watzke schon, dass Götze den Lockrufen erlegen war, als er diese Sätze formulierte. Unmittelbar nach der Auslosung war dieses Champions League-Halbfinale in den vergangenen Tagen als Grossduell zwischen Spanien und Deutschland inszeniert worden, das ist nach diesem Tag nicht mehr so.
Spekulationen um den Zeitpunkt der Veröffentlichung
Nach diesem Tag handelt es sich irgendwie auch um ein mit Abscheu geführtes Ringen des FC Bayern gegen Borussia Dortmund. Denn das Einzige, was den Münchnern ihre imposante Rekordsaison noch verderben könnte, wäre, wenn der BVB in der Champions League weiterkommt als die Bayern. Hier könnte eine Erklärung für das ungelegene Bekanntwerden des Sensationstransfers liegen.
Denkbar wäre ausserdem, dass die Münchner angesichts der Affäre um Uli Hoeness, die im Augenblick medial bedeutsamer zu sein scheint als der Syrien-Krieg, Nordkorea und die Schuldenkrise zusammen, ein paar grelle Schlagzeilen jenseits ihres Präsidenten gebrauchen konnten. Deshalb habe irgendwer an der Säbener Strasse die Sache mit dem Wechsel lanciert, glauben trotz Klopps Dementi zahlreiche Beobachter. Beweisen lässt sich das aber nicht.
Ein gewisses Befremden der Dortmunder Klubführung über die Münchner war allerdings schon der offiziellen Meldung vom Vormittag zu entnehmen. «Vom FC Bayern München hat sich bis zum heutigen Tag in dieser Angelegenheit kein Offizieller bei Borussia Dortmund gemeldet», heisst es in dem Bulletin, die Replik der Bayern kam prompt: Aus Rücksicht auf das anstehende Spiel gegen Real wollten die Bayern Götzes Zusage «erst nach dieser Begegnung gegenüber dem BVB anzeigen».
Nun ist die Meldung aber trotzdem auf dem Markt, und sie tangiert nicht nur Götze. Wie Robert Lewandowski darauf reagiert, ist auch ungewiss. Mit dem Wechsel Götzes und den gewaltigen Einnahmen braucht der BVB, dem diese erfolgreiche Saison ohnehin Millionensummen in die Kasse spült, nämlich kein Geld, sondern gute Spieler. Es galt ja lange als wahrscheinlich, dass auch der beste Torjäger der Liga auf eigenen Wunsch nach München transferiert wird, allerdings gibt es im bis Juni 2014 laufenden Vertrag des Polen keine Ausstiegsklausel.
Der BVB wird als Reaktion auf den Götze-Verlust wahrscheinlich darauf bestehen, dass Lewandowski bleibt. Eine konzentrierte Vorbereitung auf Real ist angesichts dieser Unruhe wahrlich nicht möglich, aber Klopp wäre nicht Klopp, wenn er all die Ärgernisse nicht zumindest rhetorisch in einen Vorteil verwandeln würde: «Das ist eine klassische Jetzt-erst-Recht-Situation».