Ein von rechten Hooligans gegründeter Fussballverein schafft in der Kreisliga Jerichower Land ein Klima der Angst. Gegen einen möglichen Ausschluss will der FC Ostelbien Dornburg dennoch klagen. Am Samstag steht das erste Spiel an – doch der Gegner tritt nicht an.
Monika Lazar sitzt für die Grünen im Sportausschuss des Bundestages. Fussball und Neonazismus – das ist eines der Fach-Themen der Leipziger Hobby-Fussballerin, die froh darüber ist, dass die Umtriebe des von Rechten dominierten Kreisligisten FC Ostelbien Dornburg aus dem Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) nun auch überregional thematisiert werden.
«Das erhöht den Druck auf die Verantwortlichen.» Das und die Tatsache, dass Ligakonkurrenten wie der SV Eiche Redekin Alarm geschlagen haben und sich 59 von 65 Schiedsrichtern des Kreisfussballverbandes weigern, künftig noch Spiele des FC Ostelbien zu leiten.
Der Verfassungsschutz erkennt weiterhin keine hinreichenden Anhaltspunkte
«Wer weiss, ob die Aufregung auch so gross wäre, wenn sich die Rechten auf dem Platz als saubere Sportsmänner geriert hätten?» 15 Spieler des Kreisligisten sind rechtsextrem, 18 umfasst der Kader überhaupt nur.
Das sind keine Antifa-Einschätzungen, sondern die des sachsen-anhaltinischen Landesamtes für Verfassungsschutz, der allerdings «trotz dieser relativ hohen Schnittmenge weiterhin keine hinreichenden Anhaltspunkte» erkennen mag, «dass es sich beim Verein FC Ostelbien Dornburg um eine rechtsextremistische Bestrebung handelt, die sich aktiv und geschlossen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet.»
Die Hooligangruppe aus dem Umfeld des 1. FC Magdeburg
2011 wurde der Fussballverein gegründet, als «ein Verein von Nazis für Nazis», wie der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel dem MDR sagte. Er besteht primär aus Mitgliedern der «Blue White Street Elite» (BWSE), einer rechten Hooligangruppe aus dem Umfeld des 1. FC Magdeburg.
Dort, beim mehrmaligen DDR-Meister und frischgebackenen Aufsteiger in die Dritte Liga, legt man Wert darauf, dass die Gruppe wegen ihrer politischen Umtriebe seit mehreren Jahren ein Stadionverbot hat. In Fankreisen heisst es, einzelne Mitglieder der BWSE liessen sich bei besonders brisanten Spielen noch blicken, zum harten Kern der Szene gehörten die «Teilzeit-Fans» allerdings nicht.
Vieles deutet darauf hin, dass die rechten Schläger sich auch deshalb vor vier Jahren auf den aktiven Fussball verlegt haben, weil die Luft für sie im Umfeld des FC Magdeburg dünner wurde.
Beschimpfungen wie «Judenschwein» gehören zum gängigen Vokabular
Einer der Rädelsführer von «Ostelbien» ist Dennis Wesemann, der in seiner Heimatgemeine Stresow auch schon im Ortschaftsrat sass. Seine Rückennummer ist die «18», ein bei Neonazis beliebter Code für «Adolf Hitler».
Ein Filmbeitrag des MDR-Magazins «Exakt» dokumentierte im Juli, wie Wesemann bei einem Spiel in Paplitz einen Gegenspieler zusammentritt, ein Teamkollege Wesemanns schreit nach der Partie den Schiedsrichter an: «Du brauchst dich nicht wundern, wenn wir dich mal anstecken.»
Beschimpfungen wie «Judenschwein» gehören zum gängigen Vokabular der Dornburger Spieler. Ein aus dem Kosovo stammender Gegenspieler der SG Blau-Weiss Niegripp klagt, dass er von seinen Dornburger Gegenspielern permanent rassistisch beleidigt worden sei. Er gehört zu denen, die «lieber auf die drei Punkte verzichten, als noch mal gegen Dornburg zu spielen.»
Wer aussagt, lebt gefährlicht
Auch gegen Wesemann sollen schon häufig Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet worden sein. Verurteilt wurde er nie.
Das spricht nach Ansicht von Ortskundigen weniger für die Unschuld Wesemanns als für die Tatsache, dass die rechte Szene in der Region stark genug ist, um ihre Gegner massiv einzuschüchtern. Wer gegen einen von ihnen aussagt, lebt gefährlich, heisst es.
Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Leipzig II) zählt gewiss nicht zu den Politikerinnen, die aus Angst davor, potenzielle Wähler in der Region zu brüskieren, schweigt: Als im sächsischen Freital die Flüchtlinge terrorisiert wurden, war bei ihr «jede Ekelgrenze überschritten», in vielen Regionen im Osten stellt sie eine «irrationale Angst» fest.
«Und das, wo viele DDR-Bürger entweder aus politischen Gründen in den Westen geflohen sind, oder weil sie schlicht ein besseres Leben wollten.»
Das rechtsradikale Potenzial ist bundesweit vorhanden
Dennoch hat sich Lazar in den vergangene Wochen oft dabei ertappt, wie sie die Ostdeutschen in Schutz genommen hat. Zu viele Wessis machten es sich zu leicht, wenn sie Neonazismus und Fremdenfeindlichkeit als primär ostdeutsche Phänomene bezeichneten.
Gegenüber den Menschen in Leipzig sei das beispielsweise hochgradig ungerecht. «Hier herrscht eine überwältigende Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen.» Das gelte auch für den Fussball, wo zahlreiche Leipziger Vereine Flüchtlinge gezielt integrierten.
«Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn auch im bürgerlichen westdeutschen Süden bald die ersten Nazis auf die Idee kommen, selbst im Fussball aktiv zu werden. Das Potenzial ist leider bundesweit vorhanden.» Umso wichtiger sei es, dass die Verbände von sich aus aktiv würden und nicht warteten, bis die Medien überregional berichten.
Traktor Schermen verweigert das Spiel gegen Ostelbien
Der Fussballverband Sachsen-Anhalt (FSA) hat derweil ein Ausschlussverfahren gegen den FC Ostelbien beantragt. «2015 kam es zu einer Häufung von Verstössen gegen das Fairplay sowie grober Unsportlichkeiten und Diskriminierungen», heisst es.
Verhandelt wird am 31. August, zwei Tage nach dem ersten Ligaspiel, das eigentlich unabhängig dieses Verfahrens stattfinden sollen. Doch der Gegner, Traktor Schermen, weigert sich, anzutreten.
Bestraft wird Schermen wegen des laufenden Verfahrens deswegen nicht. Sollte Ostelbien allerdings nicht ausgeschlossen werden, bleibt dem Verband nichts anderes übrig, als die Gegner zu bestrafen, wenn sie nicht antreten.
Die Neonazis haben ihrerseits bereits angekündigt, dass sie im Falle eines Ausschlusses in Revision gehen werden. Der Spuk ist noch nicht vorbei.