Madonna und Cristiano Ronaldo, das ist natürlich eine schwer zu schlagende Kombination. Die Musiklegende sass auf der Ehrentribüne des Estadio da Luz von Lissabon, wo sie ihren Adoptivsohn in der Jugendakademie von Benfica eingeschrieben und deshalb jetzt auch in der Nähe Wohnsitz genommen hat. Derweil quittierte der vierfache Weltfussballer das eindrucksvolle Absingen der Nationalhymne durch die 61’500 Zuschauer mit einem Nicken und einem Lächeln. Heute wird es was geben, sollte das wohl heissen.
Und das gab es dann auch, für Portugal, das bei diesem 2:0 einen durchaus europameisterlichen Auftritt hinlegte. Die Schweizer machten es ihm aber auch nicht allzu schwer. Weshalb es an diesem Abend womöglich sogar ohne Madonna und Cristiano Ronaldo gereicht hätte – der vierfache Weltfussballer blieb erstmals in dieser Qualifikationskampagne ohne Treffer. Bei der 0:2-Niederlage in Basel, die bei den Schweizern so grosse Hoffnungen weckte, hatte er verletzt gefehlt.
«Schweden ist der stärkste Gegner»
Die Schweizer Auswahl ist also auf die Barrage zurückgeworfen, wo der Gegner Schweden, Irland, Nordirland oder Griechenland heissen wird. Granit Xhaka zählte das Quartett eine knappe Stunde nach Schlusspfiff schon korrekt und lückenlos auf, und der Arsenal-Profi hatte auch eine erste Einschätzung parat: «Ich glaube, Schweden ist die stärkste Mannschaft von allen vieren.»
Die Barrage: Auslosung am 17. Oktober
Das Prozedere ist festgelegt, wie die vier Playoff-Begegnungn der acht besten Gruppenzweiten in Europa ermittelt werden: Anhand der Anfang kommender Woche aktualisierten Fifa-Weltrangliste werden die vier besten Mannschaften gesetzt, die anderen vier wandern in einen zweiten Topf. Separat ausgelost wird das Heimrecht im ersten Spiel. Die Auslosung findet am nächsten Dienstag, 17. Oktober, um 14 Uhr in Zürich statt; die Spiele werden zwischen dem 9. und 14. November ausgetragen.
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Schwächer als Portugal sind alle, und das kann nur gut sein für die Schweizer, die nach der Ernüchterung von Lissabon nicht nach Ausreden suchten. «Es war ein Charaktertest für uns», sagte Xherdan Shaqiri über die im Vorfeld vielbeschworene Chance, den mit der Siegesserie angedeuteten Fortschritt durch ein Statement auf grosser Bühne zu veredeln: «Aber wir waren einfach nicht so gut wie sonst.»
«Wir waren zu wenig mutig, das hätte ich nicht gedacht.» – Vladimir Petkovic
Ob sie die Atmospäre im Estadio da Luz eingeschüchtert hatte, die Pfiffe, die sie nach dem Aufwärmen in die Kabine begleiteten? Und die infernalische Verdichtung dieser Pfiffe, als sie dann nach Anpfiff zu ihren ersten Ballstafetten ansetzten? «Wir waren zu wenig mutig», monierte Trainer Vladimir Petkovic, «das hätte ich nicht gedacht.»
Doch so grundsätzlich wollten seine Spieler nicht werden. «Mut hat nicht gefehlt», sagte Shaqiri an seinem 26. Geburtstag, und Xhaka lehnte die naheliegende These ab, leichte Gegner zuletzt hätten die Mannschaft womöglich eingelullt. «Wir wussten, dass Portugal noch mal ein anderes Kaliber sein würde. Wir haben einfach nicht die Leistung der vergangenen Spiele gebracht.»
Die Schweizer Nationalmannschaft enttäuscht in allen Aspekten des Spiels.
Tatsächlich enttäuschte die Mannschaft von Vladimir Petkovic in allen Aspekten des Spiels. Im ganzen Match kam sie zu nur einer nennenswerten Torchance – und wirkte hinten permanent anfällig. «Portugal war physisch und mental weiter als wir», sagt Xhaka. Auch organisatorisch, liesse sich noch hinzufügen.
Dass etwa die Abwehr oft nicht sortiert wirkte, hatte seine Gründe tendenziell schon weiter vorn, wo das Mittelfeld selten kompakt genug war und Portugal damit schon früh das eröffnete, was man dieser laufstarken Mannschaft am wenigsten geben darf: Raum. Mit einem eher anarchischen Vortrag spielte sich die Schweiz in einer Art Lose-Lose-Situation fest. Ohne bei ihren Vorstössen nach vorn wirklich Gefahr zu entwickeln, zerbrach sie in der Rückwärtsbewegung schnell in zwei Teile.
So kam es in der 32. Minute auch zur ersten Grosschance des Spiels. Portugal konnte mit vier gegen vier auf die Schweizer zulaufen. Nach einer versuchten Einzelaktion von Ronaldo gelangte der Ball eher zufällig in die linke Strafraumhälfte, wo Bernardo Silva freistand. Seinen harten, hohen Versuch parierte Yann Sommer glänzend.
Generell konkretisierten sich die Schweizer Probleme zumeist auf der rechten Abwehrflanke, wo Captain Stephan Lichtsteiner bisweilen zu weit einrückte. Von dort kam in der 41. Minute auch die tückische Hereingabe von Eliseu, mit der das Unheil für die Schweiz seinen Lauf nahm. Sommer kam aus seinem Tor, erreichte den Ball jedoch nicht. Hinter ihm blieb Djourou, bedrängt von João Mário, keinerlei Reaktionszeit. Der Ball sprang dem Innenverteidiger gegen das Bein und kullerte von dort quälend langsam ins Tor. Ein Verteidiger sieht in so einer Szene nie gut aus. Wirkliche Schuld traf den 30-Jährigen nicht.
Das portugiesische Pressingkommando
Madonna jubelte. Das Publikum feierte mit La Ola, was im Da Luz ein beeindruckendes Spektakel ist. Und die Schweiz konnte dieses lange Qualifikations-Rennen über zehn Spiele nun erstmals nicht mehr von der Spitze aus kontrollieren. Die Reaktion darauf blieb praktisch inexistent. «In der zweiten Halbzeit wollten wir mehr machen, aber das hat nicht funktioniert», gestand Xhaka.
Portugal war jetzt in seiner Lieblingssituation. Die einstigen Ballzauberer bevorzugen seit einer Generation eher den Konterstil, ihre Spielertypen legen das nahe. Doch angepeitscht vom frenetischen Publikum überraschten sie eingangs der zweiten Halbzeit mit einem Pressingkommando. Sie machten die Räume dicht und erteilten den Schweizern eine Lektion darin, wie man aggressiv den Gegner am Angriff hindert.
Schweizer Anstrengungen enden im Nichts
Sie holten sich früh die Bälle, und dann wurde es in der 57. Minute sogar richtig portugiesisch. 47 Sekunden lang und über neun verschiedene Spieler zirkulierte der Ball, immer auf der Suche nach dem noch besser postierten Mitspieler. André Silva verwandelte am langen Pfosten schliesslich zum 2:0.
Die Schweizer Versuche endeten dagegen nicht selten so wie in der 62. Minute ein Schussversuch von Admir Mehmedi: im Seitenaus. Die beste Gelegenheit war noch die Volley-Verlängerung eines Shakiri-Schusses durch Haris Seferovic, sie ging knapp daneben (67.).
Derweil konzentrierte sich Portugal darauf, Ronaldo zu seinem 16. Qualifikationstor und damit der Einstellung des Europarekords von Robert Lewandowski zu verhelfen. In der 80. Minute unterliess der Weltfussballer allein vor Sommer den Querpass auf João Mário, der das sichere 3:0 bedeutet hätte. Stattdessen verzettelte er sich beim Versuch, das Tor selbst zu machen.
Ein Rückschlag soll neun Siege nicht ungeschehen machen
An anderen Tagen hätte so eine Szene vielleicht noch einmal eine psychologische Wendung bringen können. Aber dafür fehlte der Schweiz gegen einen selbstbewussten Europameister letztlich auch der Glauben.
Bis zur Barrage sollte der wieder da sein. «Wir freuen uns auf die Spiele und müssen positiv bleiben, auch wenn wir mal verlieren», sagte Xhaka. «Die Mannschaft hat Qualität, auch wenn wir sie heute leider nicht gezeigt haben.»
Neun Siege am Stück, die soll ein einziger Rückschlag nicht ungeschehen machen. «Wir können stolz sein», sprach der frühere FCB-Spieler das Schlusswort unter diese historische Gruppenphase. «Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Schweiz neun Spiele nacheinander gewinnt. Das gab es in den letzten Jahren nicht, und das wird es auch in den nächsten Jahren nicht geben.»
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