Nach 26 Jahren ist Schluss. Nach 1500 Spielen als Trainer von Manchester United tritt Alex Ferguson zurück. Mit ihm geht der grosse letzte Autokrat des Fussballs.
Das Gerücht vom Ende der Ära hatte schon am Dienstag in Spielerkreisen die Runde gemacht, der «Daily Telegraph» hatte es aufgeschnappt und am späten Abend veröffentlicht. Doch selbst die angekündigte Bombe knallte tagsdarauf noch dermassen laut, dass ganz (Fussball-)Grossbritannien für ein paar Stunden ins Wanken geriet. Alex Ferguson tritt zurück. Alex Ferguson tritt zurück. Wieder und wieder lief dieser Satz über TV-Bildschirme und Monitore, mit jedem Mal ein Stückchen unplausibler.
Peter Schmeichel, der ehemalige United-Torwart, brachte die Stimmung in einer Twitter-Meldung auf den Punkt. «Enttäuscht, geschockt, traurig. Ich kann nicht glauben, dass heute DIESER Tag ist», schrieb der Däne.
Disappointed, shocked, sad. Didn’t think THAT day would be today.
— Peter Schmeichel (@Pschmeichel1) 8. Mai 2013
Doch es ist wahr. Am kommenden Sonntag wird Alex Ferguson nach 26 Jahren im Amt zum letzten Mal im Old Trafford Stadion auf der Bank sitzen, sieben Tage später stellt das Auswärtsmatch bei West Bromwich Albion den Schlusspunkt da. Es wird sein 1500. Spiel als Trainer der Red Devils sein.
Die Langlebigkeit mit Erfolg zu verbinden war sein grosses, einmaliges Kunststück. Am liebsten hätte er vor dem Abschied ein drittes Mal die Königsklasse gewonnen, doch auch so ist der Zeitpunkt sehr gut gewählt. Der Schotte verlässt – natürlich – als Meister die Bühne, sein Vermächtnis bleibt damit intakt. Als er 1986 ins Old Trafford wechselte, war das erklärte Kampfziel die Erzrivalen vom FC Liverpool «von ihrem verdammten Sockel zu stossen».
Einst war Manchester vor allem trinkfest
Ferguson brauchte vier lange Jahre, um die trinkfeste, hauptsächlich von der Vergangenheit des Clubs zehrende Truppe in Schuss zu bringen. Der Gewinn des FA-Cup rettete ihn 1990 vor dem Rausschmiss, in der Dekade danach formte er United als Weltmarke und setzte sich mit dem dramatischen Last-Minute-Sieg im Europapokalfinale 1999 gegen den FC Bayern ein Denkmal.
Dreizehn Mal hat er die Premier League mit United gewonnen, dazu zwei Mal die Champions League, einen Cup der Cupsieger und fünf FA-Cups. Dazu kommen acht grosse Titel mit Aberdeen. «Niemand hat für die Premier League so viel getan wie Alex Ferguson», erklärte Liga-Chef Richard Scudamore, «sein Antrieb, sein Siegeswille, sein Können, seine Leidenschaft und seine Vision haben nicht nur Manchester United, sondern den Fussball, wie wir ihn heute kennen, geformt.»
«Ich habe mir das genau überlegt und mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Zeit ist einfach gekommen», sagte Ferguson in der offiziellen Pressemitteilung. Gesundheitliche Gründe dürften eine wichtige Rolle spielen. Der 71-Jährige, der seit 2004 einen Herzschrittmacher trägt, wurde vor zwölf Monaten wegen anhaltenden Nasenblutens im Krankenhaus behandelt. Diesen Sommer unterzieht er sich einer Hüft-Operation.
Seine Frau wollte ihn nicht im Haus haben
2002 hatte er schon einmal mit dem Gedanken gespielt, sich zur Ruhe zu setzen, aber (der 2009 verstorbene) Sir Bobby Robson und Fergusons Frau Cathy stimmten ihn um. «Sie wollte mich nicht im Haus haben», erzählte Sir Alex.
Cathy darf beruhigt sein: Komplett aufs Altenteil wird sich der letzte grosse Autokrat des Fussballs auch in Zukunft nicht zurückziehen. Er wird für United, sein United, als Vorstandsmitglied und Botschafter arbeiten. Als sein Nachfolger wird der Schotte David Moyes (50) vom FC Everton gehandelt. Bis Ende der Woche will der Club Sir Alex‘ Nachfolger bekannt geben. Von einem Ersatz kann dann aber nicht die Rede sein: Einen Mann wie Ferguson wird es nie wieder geben.
«Er hat mich Boss und Grosser Mann genannt, als wir nach dem Hinspiel unseren Drink nahmen. Es würde aber helfen, wenn seine Huldigungen von einem guten Glas Wein begleitet werden würden. Was er mir gab, war Lack-Entferner.»
Alex Ferguson über José Mourinho – aus einer Zitatensammlung Fergusons‘ auf spiegel.de
26 Jahre Alex Ferguson in Statistiken
Die Data-Journalisten des Guardian haben sich um Alex Ferguson gekümmert und versucht, eine schier unfassbare Karriere in Zahlen greifbar zu machen.
1498 Spiele war Ferguson bis jetzt Trainer von Manchester United, zwei werden vor dem Rücktritt noch folgen. An seiner beeindruckenden Zahl von rund 60 Prozent gewonnener Begegnungen werden diese Partien aber auch nichts mehr ändern. Am Rande erwähnt: Vor dem Hintergrund dieser Zahlen hat der FC Basel eine fantastische Bilanz gegen Ferguson vorzuweisen: Von vier Begegnungen mit Sir Alex haben die Rotblauen bloss eine verloren (2002), zwei unentschieden gespielt (2003/2011) und einmal gewonnen (2011); alles in der Champions League.
Diese Grafik zeigt an, in welchen Wettbewerben Ferguson die United wie häufig gecoacht hat.
Wer doppelt soviele Tore schiesst als er zulässt, geht im Schnitt meist als Sieger vom Platz.
38 Titel hat Ferguson mit Manchester United gewonnen. In Worten: ACHTUNDDREISSIG!
In den letzten 21 Saisons hat Manchester unter Ferguson 13 Mal den Meistertitel gewonnen. Von den aktuellen Trainern der Premier League kann ihm keiner auch nur annähernd das Wasser reichen.
Eine Behauptung der Gegner von Manchester United wird hier gestützt. Unter Ferguson gab es für die United zuhause im Vergleich zu den Spielen, in der sie führte im Schnitt 79 Sekunden mehr Nachspielzeit, wenn sie in Rückstand lag. Bitter für Chelsea: Wenn Chelsea zuhause zurück liegt, geben die Schiedsrichter 31 Sekunden weniger Nachspielzeit als wenn Chelsea führt.