Es sprudelte aus ihm heraus wie es halt aus den Degen-Zwillingen spricht – zumal in einem wohltuenden Moment. Davon hatte Philipp Degen in den vergangenen Jahren sehr wenige. Nun hat der 29-jährige Verteidiger beim 4:1 des FC Basel gegen den FC Sion erstmals in seiner Karriere zwei Tore in einem Spiel erzielt.
Ein gutes Jahr arbeitet Heiko Vogel nun mit Philipp Degen zusammen, und er kennt seinen Pappenheimer. «Ich freue mich, dass Philipp Degen eine gute Leistung gekrönt hat», sagt der FCB-Trainer also über den Doppeltorschützen aus dem Nichts. Eine Kritik muss sich Degen von seinem Coach aber dennoch anhören: «Er darf nicht überheblich werden.»
Vogel spielt auf eine Szene kurz vor Degens Auswechslung an, als er es mit einem Kabinettstückchen, einem Cavenaghi-Hakenpass auf Mohamed Salah übertrieb. Direkt vor der Trainerbank. «Das macht man nicht», findet Vogel, «so eine gute Leistung zieht man bis zum Schluss durch.»
Aber natürlich wollte Heiko Vogel die Massregelung nicht falsch verstanden wissen: «Die positiven Aspekte überwiegen.» Der Trainer hatte beide Aussenverteidigerpositionen verändert, hatte Markus Steinhöfer und Joo Ho Park aus der Startelf raus rotiert. Die beiden hatten 13 respektive 14 der bis dahin 17 Saisonspiele absolviert.
Der Matchwinner
Stattdessen begannen frische Kräfte, Kay Voser (5 Einsätze/378 Minuten) und Philipp Degen (4/200). Eine geglückte Entscheidung, wie sich herausgestellt hat. Voser spielte engagiert und mutig und liess sich auch vom einen oder anderen Fehler nicht unterkriegen, und Philipp Degen avancierte zu einer Art Matchwinner.
Ein solches Attribut hat sich Degen lange Zeit nicht verdienen können, nicht in Liverpool, nicht in Stuttgart, weil einer Verletzung die nächste folgte. Auch in Basel, wo er zuletzt gegen Luzern schon nach wenigen Augenblicken mit einer Muskelverletzung vom Platz musste.
Nun hat der 29-Jährige in seinem 86. Liga-Spiel für den FC Basel zwei Tore erzielt – das ist ihm in seiner Karriere noch nie passiert.
«Die Befreiung ist bei allen
gross. Wir sind wieder da!»
Gratulation, Philipp Degen, zu diesem Sieg und den beiden Toren von Ihnen. Was hat gegen den FC Sion den Ausschlag gegeben?
So wie wir aus der Pause gekommen sind, wie wir dem Spiel unseren Stempel aufdrücken konnten – das hat es gebraucht. Es war eine schwierige Aufgabe, aber wir wollten unbedingt gewinnen. Wir sind nun mal verdammt dazu zu gewinnen. Der FC Basel hat hohe Ansprüche, das ist der erste Platz und daran müssen wir uns messen.
Wie gross ist die Befreiung?
Die ist für jeden gross, für die Spieler, den Trainer, den Staff und die Fans. Wir haben darauf hingearbeitet, und es ist in den letzten Wochen nicht einfach gewesen, aber wir haben den Kopf nie in den Sand gesteckt. Das wichtigste sind die drei Punkte und dass wir wieder in die Erfolgsspur gefunden haben. Wir sind wieder da.
War es die beste FCB-Halbzeit in dieser Saison?
Das will ich gar nicht beurteilen. Die zweite Halbzeit ist uns sehr gut gelungen, wir haben nach vorne gespielt, haben Kombinationen gezeigt und Torchancen kreiert.
Und Sie haben zwei Tore erzielt, zum ersten Mal in Ihrer Karriere.
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Es war ein langer Weg für mich zurück aufs Spielfeld. Ich bin glücklich, dass ich fast 90 Minuten durchgehalten habe, überglücklich, dass ich dem FCB helfen kann und auch noch zwei Tore beigetragen habe.
Was ist Ihnen beim zweiten Tor durch den Kopf gegangen, als Sie den Ball nach diesem tollen Schuss im Netz haben zappeln sehen?
Alles ist wieder nach oben gekommen, alles, was ich in den letzten Jahren erlebt habe. Es liegt eine lange Leidenszeit hinter mir, ich musste mich in den letzten drei, vier Jahren immer wieder zurück kämpfen. Und das war nicht einfach für mich. Auf so ein Gefühl, so ein Erfolgserlebnis habe ich lange warten müssen.
«Ich hoffe, dass ich
von meinem Körper wieder
etwas zurück bekomme»
Und wo nimmt man dann das Selbstvertrauen her, einen Ball mit vollem Risiko volley zu nehmen wie beim 2:1?
Das geht beim Fussball instinktiv, und da sollte man nicht so viel überlegen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich gar nichts überlegt. Ich habe den Ball kommen sehen und gedacht: Drauf, koste es, was es wolle!
Nach dem ersten Tor sind Sie – selbstverständlich – schnurstracks zur Bank gelaufen in die Arme Ihres Bruders. Mit welchen Worten hat er Sie begrüsst?
Hm, da braucht es keine Worte. Die Emotionen haben gereicht.
War das nun so etwas wie der endgültige Schritt zurück, haben Sie heute vielleicht ganz viel Ballast abgeworfen?
Jetzt bin ich erst mal überglücklich über dieses Spiel. Alles andere nehme ich wie es kommt. Tag für Tag. Ich kann nur hoffen, dass es der Schritt in die richtige Richtung war, dass ich von meinem Körper wieder etwas zurück bekomme und die Möglichkeit habe, über mehrere Spiele meine Leistung abrufen zu können.