Gelassen befolgt Serkan Sahin die Anweisungen des Fotografen. Zuerst auf der Tartanbahn, dann auf der Tribüne des Stadions Schützenmatte. Stets trägt er ein Lächeln im Gesicht, und man hat das Gefühl, dass er selbst amüsiert ist über die Posen, die er einnehmen soll. Es ist keine alltägliche Situation für den Mittelfeldmotor der Old Boys, oder besser gesagt: eine nicht mehr alltägliche Situation.
Als einziger Akteur des BSC Old Boys kennt er das Blitzlichtgewitter und den Cup-Gegner vom Sonntag aus nächster Nähe. Unter Christian Gross und Thorsten Fink lief er 2008/09 sowie 2009/10 insgesamt 22 Mal für den FC Basel auf. Er spielte unter anderem mit Alex Frei, Marco Streller und einem 18-jährigen Talent namens Xherdan Shaqiri. Nach dem Doublegewinn 2010 wechselte Sahin in die Türkei zu Konyaspor.
In der Türkei geht ein Traum in Erfüllung
«Es war immer ein Traum von mir, in der Türkei zu spielen und dann hat das geklappt. Es war schön gegen Besiktas und Galatasaray zu spielen», sagt der Sohn türkischer Eltern, der ein Besiktas-Fan ist. In der anatolischen Grossstadt Konya lebte der vielseitig einsetzbare Sahin in unmittelbarer Nähe des Trainingsgelände auf dem clubeigenen Campus. «Ich hatte dort ein Zimmer, keine eigene Wohnung. Das brauchte ich da auch nicht. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinen Teamkollegen, von denen einige aus Deutschland waren. Viele sind Freunde geblieben, und wir pflegen nach wie vor einen guten Kontakt.»
Sportlich lief es in Konya aber nicht rund: «Das erste Jahr war nicht gerade schön, da wir abgestiegen sind. Nach zwei Jahren in der zweiten Liga konnten wir wieder aufsteigen.» Dann kam es zu finanziellen Unstimmigkeiten zwischen ihm und der Vereinsführung. Man trennte sich, und Sahin sagt: «Es ist ja bekannt, dass es in der Türkei immer wieder Probleme gibt beim Auszahlen der Löhne. Manchmal haben wir ein bis zwei Monate keinen Lohn erhalten. Auf der anderen Seite waren die Prämien bei Siegen, auch für türkische Verhältnisse, sehr gut. Davon konnten wir gut leben.»
«Es gibt in der Türkei immer wieder Probleme mit den Löhnen. Aber die Siegprämien waren sehr gut.»
Für ein Jahr spielte der Mittelfeldspieler dann noch in der zweiten türkischen Liga bei Fethiyespor, bevor er anfangs 2015 in die Schweiz zurück kehrte. Rückblickend sind die fünf Jahre in der Türkei für den im Laufental aufgewachsenen Sahin dennoch eine schöne Erfahrung.
Ausbleibendes Interesse
Die Rückkehr von Serkan Sahin anfangs 2015 war mit der Vorstellung verbunden, im Schweizer Profigeschäft wieder Fuss zu fassen. Als die Angebote von Super- und Challenge-League-Vereinen ausblieben, schloss er sich den BSC Old Boys an. Ausschlaggebend waren der persönliche Kontakt zu Sportchef und Geschäftsführer Rafet Öztürk sowie die Nähe zur Familie.
Der Verein aus der Promotion League soll das Sprungbrett zurück in die höheren Ligen sein. Doch ergeben hat sich nichts. «Ich muss ehrlich sein: Ich war ein bisschen enttäuscht. Es nicht einfach, wenn man von oben wieder unten landet. Aber das ist halt Schicksal.» Vergangenes Jahr hätte er in die dritte türkische Liga zu einem Verein aus Istanbul wechseln können, «aber», so Sahin, «finanziell war das nicht machbar.»
Im Alltag angekommen
Mittlerweile ist Sahin 29-jährig und sagt pragmatisch: «Einen Schritt nach oben wird es nicht mehr geben. Das sehe ich auch ein, und da muss man realistisch sein.» Er konnte immer auf die Unterstützung seiner Familie zählen, und er wirkt nicht konsterniert, dass es mit der ganz grossen Karriere nicht geklappt hat.
Das Profil und die Leitungsvita von Serkan Sahin bei transfermarkt.ch
«Ich habe es wirklich gut, ich habe meine Familie und Freunde hier und auch ein gutes Verhältnis zum Vorstand». Auch deshalb kann er sich gut vorstellen, künftig in der Juniorenabteilung der Old Boys tätig zu werden: «Die Leidenschaft für das Spiel ist aber noch da und ungebrochen.» Das zeigt sich auch an den jüngsten Leistungen: Drei Tore aus zwei Spielen sind eine Ausbeute, die sich sehen lassen kann, zumal Sahin meist als Sechser agiert.
«Wenn man Profi werden will, muss man als Junger einiges hintanstellen.»
Mittlerweile arbeitet er neben dem Fussball in einem Fitnesscenter. «Es ist ein grosser Aufwand, zu arbeiten und daneben noch vier Mal die Woche zu trainieren und am Wochenende Spiele zu bestreiten.» Die hohe Belastung der Profijahre ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. «Nach den Spielen bin ich jetzt vor allem eins: kaputt», sagt er und fügt schmunzelnd an: «Die Jungen haben noch die Energie, nach dem Spiel in den Ausgang zu gehen.» Sahin geht dann mit seiner Frau etwas essen und denkt vor allem an eins: erholen.
Als erfahrener Spieler im jungen Team der Old Boys hat er auf dem Platz und in der Kabine eine Vorbildrolle eingenommen. «Meine Erfahrungen kann ich in den Spielen und in der Garderobe einsetzen. Es ist wichtig mit den jungen Spielern positiv umzugehen. Natürlich muss ich auch manchmal lauter werden.»
Jungen, hoffnungsvollen Spielern rät er, auf dem Boden zu bleiben und immer realistisch zu sein. «Fussball ist ein Tagesgeschäft, man muss sich ständig beweisen.» Für junge Spieler heisst das auch, auf einiges zu verzichten: «Meine Freunde haben häufig gesagt, komm’, gehen wir noch hier oder da hin. Ich musste ihnen dann antworten, dass es nicht geht, dass ich noch Training habe, mich auf ein Spiel vorbereiten oder mich erholen muss. Wenn man das Ziel hat, Profi zu werden, dann muss man einiges hintanstellen.»
Die guten Erinnerungen an Bern
An den Cup-Gegner YB hat Serkan Sahin gute Erinnerungen. In der Finalissima der Saison 2009/2010 bezwang der FCB die Berner im Stade de Suisse 2:0 und holte sich den Titel. Sahin stand da zwar nicht auf dem Platz, aber «wir haben mit dem Pokal in der Kabine gefeiert, das war schön.»
Das Team von der Schützenmatte musste auf diese Saison hin einige Abgänge verkraften. Die neuen Akteure sind vornehmlich junge Spieler. So erstaunt es auch nicht, dass die ersten drei Spiele verloren gingen. Mittlerweile haben sich die Old Boys aber wieder gefunden. Der Mittelfeldregisseur und dreifacher Saisontorschütze ist zuversichtlich: «Wir sind jetzt seit vier Spielen ungeschlagen. Und ich bin überzeugt, dass wir den Ligaerhalt schaffen werden.»
Das Spiel vom Sonntag sieht Sahin natürlich als schwierige Aufgabe. «YB will unbedingt weiterkommen, da sie in den letzten Jahren immer relativ früh ausgeschieden sind. Ich hoffe aber, dass sie uns unterschätzen. Für uns wird es nichts zu verlieren geben.»
Schweizer Cup, Sonntag, 17. September, 15.00 Uhr, Schützenmatte: BSC Old Boys–Young Boys | Die Spiele der zweiten Runde im Überblick