Endlich wahr und wirklich

Arjen Robben war im Champions-League-Final der Mann des Spieles. Er, der so viel einstecken musste, befreite sich – und konnte den Erfolg dennoch kaum glauben – auch nach dem Spiel.

Die Erlösung: Arjen Robben war nicht nur der Mann des Spiels, für ihn war der Sieg die Aufarbeitung eines fussballerischen Traumas. (Bild: Matt Dunham)

Arjen Robben war im Champions-League-Final der Mann des Spieles. Er, der so viel einstecken musste, befreite sich – und konnte den Erfolg dennoch kaum glauben – auch nach dem Spiel.

Beim Abpfiff sank er auf die Knie und weinte vor Glück. Später stürmte er auf die Tribüne in Rot zu und brüllte «was, was, was?», ehe er die Arme ausbreitete, die Augen schloss und für ein paar Sekunden ganz bei sich war. Arjen Robben war plötzlich wieder der beifallumtoste Liebling der Massen, der Held des Tages, der «Spieler des Spiels», der Mann, der den FC Bayern München am Samstag mit seinem Treffer zum 2:1 in vorletzter Minute zum Champions-League-Triumph schoss.

Gegen die Borussia aus Dortmund, wo Robben am 30. Spieltag der vergangenen Saison einen seiner schlimmsten Momente erlebte, als er bei einem Strafstoss an Torwart Roman Weidenfeller scheiterte, damit die Serie seiner Fehlschüsse in entscheidenden Momenten um eine weitere Episode verlängerte und den Borussen den Weg zur Titelverteidigung ebnete.

Auch im Londoner Wembleystadion fand der 29 Jahre alte Niederländer zweimal allein vor Weidenfeller in dem überragenden Torhüter des BVB bei diesem deutschen Finale seinen Meister. Das aber war in der ersten Hälfte, als der alte «Chancentod» von Neuem unterwegs schien.

Danach, als alle Bayern immer besser auf Touren kamen, lief Robben heiss. Er bereitete Mandzukics Treffer zum 1:0 (60.) vor und war dann nach Ribérys Vorlage da, Weidenfeller auf dem falschen Fuss zu erwischen und sich und seine Mannschaft in den Fussballhimmel zu schiessen. Als ihn die schottische Trainerlegende Sir Alex Ferguson mit einer Urkunde zum «Man oft the Match» auszeichnete, war der sensible Holländer noch einmal gerührt.

Als «Alleinikow» verspottet

Auf ihn, den Einzelgänger, der als «Alleinikow» verspottet worden war und in diesem Jahr dank der klugen Aufbauarbeit seines Trainers Jupp Heynckes zu einem Mannschaftsspieler mit solistischem Zusatzpotential reifte, auf ihn prasselten in London Lob, Jubel und Sprechchöre ein, die Robben im Trikot der Bayern noch nie so genoss wie nach diesem denkwürdigen Finale. Und das nicht nur, weil er damit wie auch seine Kollegen Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Franck Ribéry seinen ersten grossen internationalen Titel gewann.

«Ich kann das so kurz nach dem Spiel gar nicht fassen», sagte Robben über sein Glücksgefühl, «das bedeutet mir so viel. Das sind die ganz grossen Momente einer Karriere. Als ich getroffen habe, ist mir meine ganze Karriere durch den Kopf gegangen.» Dazu gehörten auch die Albträume des Arjen Robben, die er in entscheidenden Sekunden durchlebt hat.

So beim Weltmeisterschaftsfinale 2010 in Johannesburg, als sich ihm kurz vor Schluss gegen Spanien die Chance zum Ausgleich bot und Robben in Torhüter Casillas seinen Meister fand. Die Spanier feierten wenig später ihren ersten WM-Titel dank eines 1:0-Sieges.

«Als ich getroffen habe, ist mir meine ganze Karriere durch den Kopf gegangen.»
Arjen Robben

Robben versagten auch im Champions-League-Finale des Vorjahrs daheim in München die Nerven, als er wie in London zum Gewinner des Tages hätte werden können. Seinen Elfmeter parierte Chelseas Torhüter Petr Cech, und die Engländer gewannen wenig später gegen die völlig deprimierten Bayern per Elfmeterschiessen. Robben war damals vollkommen vereinsamt inmitten der Pfiffe enttäuschter Bayern-Fans, die ein paar Wochen später bei einem Benefizspiel der Münchner gegen Hollands Nationalelf ihren Unmut gegenüber Robben massiv artikulierten.

In dieser meisterhaften Münchner Saison schliesslich fand sich Robben für ein paar Wochen auf der Ersatzbank wieder, weil Heynckes dem Niederländer den bayerischen Tausendsassa Thomas Müller vorzog.

Der rasende Holländer hat sich sich aus seinem Elend und seinem Dilemma, als Spieler der Extraklasse seine persönlichen Ambitionen mit denen einer hochbegabten Mannschaft synchronisieren zu müssen, befreit und war in London der beste Robben, den die Fussballwelt gesehen hat. Mitarbeiter und Entscheider in einem, Diener seines Teams und Herr über den Ball je nach Situation.

So macht man sich neue, alte Freunde. Er, der mit dem PSV Eindhoven, dem FC Chelsea, Real Madrid und dem FC Bayern nationale Meisterschaften in vier Ländern eroberte, hat nun endlich die höchsten Weihen erfahren: als gereifter Dribbler, dem aber immer noch jederzeit Rückfälle in die alte Egotripfalle drohen.

Und zum Schluss die Würdigung von Sir Alex Ferguson

Oliver Kahn, der 2001 mit den Bayern erstmals die Champions League gewann und damals im entscheidenden Elfmeterschiessen drei Strafstösse parierte, war begeistert: «Es freut mich wahnsinnig. Was hat Robben nicht alles einstecken müssen. Vor der Saison hiess es, weg mit dem, ihn kann der FC Bayern nicht gebrauchen.» Nun wird sich Heynckes‘ Nachfolger Pep Guardiola womöglich freuen, einen Individualisten mit neuem Hang zu kollektiver Einbindung in seinem Aufgebot de luxe zu haben.

«Wir kämpfen füreinander, rennen miteinander, ich bin so stolz, Teil dieses Teams zu sein.» Das hat Robben am Samstag gesagt, als ihn Sir Alex vor allen anderen Spielern auszeichnete. Eine Äusserung, die darauf schliessen lässt, dass Robben sein Glück geniesst, endlich ein Alleskönner zum Nutzen aller zu sein.

Dazu verhehlte er nicht seine Freude darüber, nach drei verlorenen Endspielen (mit den Niederländern das WM-Finale 2010, mit den Bayern die Champions-League-Finals 2010 und 2012) endlich den «Loser-Stempel» losgeworden zu sein. «Für mich», sagte Roben über seinen Abend und den der Bayern, «ist es ein Traum und immer noch ganz schwierig, das zu glauben.» Macht nichts: es ist alles wahr und wirklich.

Nächster Artikel