Erst mal den Überblick gewinnen

Zeit, um seine Wunden zu lecken, bleibt dem FC Basel nach der 1:2-Niederlage gegen Chelsea nicht. Auf den britischen Giganten folgt der um sein sportliches Überleben kämpfende FC Luzern mit reichlich Basler Know-How in seinen Reihen (So. 13:45 Uhr, #rotblaulive).

FC Basel's players prior to the UEFA Europa League semifinal first leg soccer match between Switzerland's FC Basel 1893 and Britain's Chelsea FC at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, April 25, 2013. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Zeit, um seine Wunden zu lecken, bleibt dem FC Basel nach der 1:2-Niederlage gegen Chelsea nicht. Auf den britischen Giganten folgt der um sein sportliches Überleben kämpfende FC Luzern mit reichlich Basler Know-How in seinen Reihen (So. 13:45 Uhr, #rotblaulive).

Es ist nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten, wenn einen die Ereignisse zu überrollen drohen. Wenn Höhepunkt auf Höhepunkt folgt, wenn sich erst Adrenalin und Glückshormone zu einer scheinbar explosiven Euphorie vermischen, um dann jäh in schwere Enttäuschung umzuschlagen.

Dreizehn Stunden sind vergangen, seit der Vorhang gefallen ist nach diesem letzten, für den FC Basel ach so unschönen Akt im Heimspiel gegen den Chelsea FC. Dreizehn Stunden seit David Luiz mit dem letzten Freistoss der Partie wie mit einer spitzen Nadel in den Ballon der Basler Hoffnungen gestochen hat. Dreizehn Stunden, seit sich die Ausgangslage im Halbfinal der Europa League für den FCB von extrem schwer zu kaum machbar verändert hat.

Salah: Jung auf den letzten zehn Metern

Es ist eine ganze Menge, das derzeit auf Mohamed Salah hereinprasselt. Erst Lobeshymnen nach seinem Spiel bei Tottenham, das gemäss «Daily Mail» nun seine Scouts auf den Ägypter angesetzt hat. Dann wird ihm gegen Chelsea von Englands Nationalverteidiger Ashley Cole aufgezeigt, dass er noch einiges lernen kann. Oder wie es FCB-Trainer Yakin umschreibt: «Bei Momo sieht man, dass er auf den letzten zehn Metern jung ist.» Und schliesslich verletzt sich Salah «leicht» (Yakin) am Sprunggelenk. Der 20-Jährige wird gegen Luzern aussetzen.

Super League, 29. Runde
FC Basel–FC Luzern (So, 13.45)
St.-Jakob-Park.
Mögliche Aufstellung FCB: Sommer; P. Degen, Sauro, Dragovic, Steinhöfer; F. Frei; D. Degen, Diaz, Serey Die, Stocker; Streller.
Bemerkungen: FCB ohne Salah (verletzt).

Und schon muss sich der Blick nach vorne richten, schon sitzen die Medienvertreter wieder im Presseraum des St.-Jakob-Parks. Bloss, es fehlt die Hauptperson. Wo ist Murat Yakin? Der Trainer des FCB habe noch irgend einen Termin, heisst es. Also wird erst einmal über die mittelfristige Zukunft informiert. Thomas Häberli, Kultfigur der Berner Young Boys, dem in Bern auf Ende Saison der Stuhl vor die Tür gestellt wurde, wird ab Juli U21-Trainer des FCB.

Manchmal scheint sich alles im Kreis zu drehen

Dieser Job war ja vakant, weil Ex-FCB-Stürmer Alex Frei bei seinem fliegenden Wechsel nach Luzern gleich noch Carlos Bernegger mitgenommen hat. Der Argentinier war zuvor verantwortlich gewesen für die ältesten FCB-Junioren und reist am Sonntag mit zusammen seinem neuen Sportchef Frei zum ehemaligen Arbeitgeber. Manchmal scheint sich im Fussball alles im Kreis zu drehen.

Aber das stimmt nicht. In Wirklichkeit geht es immer weiter vorwärts. Für den FCB heisst das, dass er sich in seinem 53. Pflichtspiel der Saison nichts von den Erfolgen in der Europa League kaufen kann. Gegen den FCL braucht er Punkte im Rennen um den Meistertitel.

Und da ist auch schon Yakin. Kein mysteriöser Termin hatte ihn aufgehalten. Der Trainer des FCB war schlicht mit seiner Mannschaft auf dem Trainingsplatz. Es existiert also doch noch beim FCB: das tägliche Fussballerleben zwischen Superlativ und Exzessiv.

Kein bisschen angefressen

Yakin nimmt Platz. Und wenn er in Vielem tatsächlich seinem ehemaligen Trainer Christian Gross gleichen mag, dann darf ruhig auch ein riesiger Unterschied festgestellt werden: Wo Gross bisweilen getrieben und angespannt wirkte, da ruht Yakin ganz in sich. So sitzt er da, lächelt in die Runde – und scheint kein bisschen angefressen von der späten Niederlage gegen Chelsea.

Und wenn er trotzdem enttäuscht ist, so lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken. Yakin weiss: Jetzt ist nicht der Moment, um an der eigenen Mannschaft herumzumäkeln – oder sie gar mit Kritik einzudecken. Nicht nach der ersten Heimniederlage in seiner Ägide, nicht nach der ersten Enttäuschung in der Europa League.

Bislang ist der Basler Motor mit Euphorie Super im Tank durch das Jahr 2013 gerast. Jetzt könnte der Moment gekommen sein, in dem die Spieler nicht nur Physiotherapeuten brauchen, die ihre Muskeln kneten, sondern auch eine kleine Seelenmassage.

Cole – vom FCB zum Glück getrieben

Also stellt Yakin zwar schon fest, dass er sich auch vorstellen könnte, dass seine Mannschaft bei einer kommenden Gelegenheit ein 1:1 in den letzten Minuten einfach über die Runden schaukelt. Ganz genau erinnert er sich an jenen Moment, in dem sich das Blatt seiner Meinung nach zu Ungunsten des FCB wendete: «Chelsea war zufrieden mit dem 1:1. Das habe ich gespürt. Cole wollte den Ball bloss noch halten, da drängen wir ihn so in die Enge, dass er nach vorne gehen muss.» Daraus entstand der erste einer ganzen Reihe von Londoner Eckbällen, die schliesslich in den Freistoss zum 1:2 mündeten.

«Da hätten wir cleverer sein müssen», sagt Yakin. Aber eben – es ist nicht der Zeitpunkt für Kritik. Also fügt er sogleich an: «Lieber eine Mannschaft, die am Ende noch in die Offensive geht, als eine, die nicht gewinnen will. Ich wollte immer ein mutiges Team.»

Woher soll Yakin das jetzt schon wissen?

Mit welcher Taktik, mit welcher Mannschaft er denn nun in die Partie in London steigen werde, wollen Journalisten wissen. Yakin lächelt. Woher soll er das jetzt wissen? Jetzt, da er erst einmal schauen muss, wen er gegen Luzern schonen muss, wen er noch einmal einsetzen kann. «Ich weiss noch nicht, wie und mit wem wir ins Rückspiel steigen werden. Zuerst muss ich die beste Mannschaft für den Match gegen den FCL aufstellen», sagt er.

Was klingt wie eine Floskel, ist keine. Es ist Murat Yakins Hauptarbeit in diesem Frühjahr: Den Überblick zu behalten.

Die Unterschiede zwischen Tottenham und Chelsea

Die Partie des FCB bei Tottenham im Viertelfinal der Europa League (2:2) war hinreissend. Im Heimspiel gegen Chelsea bekundeten die Basler mehr Mühe. Das lag in erster Linie daran, dass das zweite Londoner Team seine Lehren aus dem Scheitern von Tottenham gezogen hatte. Chelsea stand viel tiefer als Tottenham. «Mit acht Leuten in der Defensive», wie FCB-Trainer Yakin feststellt, der das auch als Kompliment sieht: «Dass sie so defensiv gespielt haben, zeigt, dass wir uns Respekt erarbeitet haben.»


Dank Fourfourtwo.com wird der Unterschied der beiden Spiele anhand der Passverteilung des FCB sichtbar. An der White Hart Lane konnten sich die Basler mit 356 Pässen viele Torchancen erspielen, weil sie immer wieder in freie Räume stiessen. Zuhause gegen Chelsea spielte der FCB zwar über 120 Pässe mehr – wurde aber trotzdem kaum gefährlich. «Zuviele unserer Spieler standen jeweils auf gleicher Höhe», sagt Yakin dazu. Anders gesagt: Chelsea verhinderte Steilzuspiele konsequent.


Vor allem Mohamed Salah auf der rechten Basler Angriffsseite scheint von Chelsea-Trainer Benitez als Gefahrenherd ausgemacht worden zu sein. Entsprechend konsequent wurde dem Ägypter der Raum genommen, um ihm keine Gelegenheit zu geben, seine Geschwindigkeit auszuspielen. Das wird an den Pässen ersichtlich, die die Basler ins Angriffsdrittel spielten. Gegen Tottenham (rechts) konzentrierte sich fast alles auf rechts und das Duo Salah/Steinhöfer. Gegen Chelsea war das Duo Park/Stocker auf links weit mehr ins Spiel eingebunden. Über rechts ging fast nichts.

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