Joe Frazier, einer der bedeutendsten Schwergewichtsboxer der Geschichte, ist im Alter von 67 Jahren in Philadelphia an Krebs gestorben. Der Basler Box-Trainer Angelo Gallina gehört zu der Generation, die im Kindesalter mit ihrem Vater nachts vor dem Fernseher mitfieberten, als sich Frazier und Muhammad Ali den «Thrilla in Manilla» lieferten. Für die TagesWoche würdigt Gallina den Mann, den sie für seine linken Haken Smokin’ Joe (Volldampf-Joe) nannten.
Was wäre der «Thrilla in Manilla» ohne Smokin’ Joe Frazier geworden? Ein weiterer gewöhnlicher Mohammad-Ali-Kampf, von denen es eine ganze Menge gab, insgesamt 61.
Wer gegen den 1,85 Meter grossen Schwergewichtsboxer im Ring stehen durfte, und das waren deren 37 Gegner, kam unweigerlich mit seinem Dampfhammer in Kontakt. Die meisten von ihnen konnten sich vermutlich nicht mehr so genau an den Kampfverlauf erinnern, nach dem sie aus dem K.o. erwacht waren oder sie haben die Grenzen ihrer Fähigkeit am eigenen Kinn erleben dürfen. So meinte Ali, den Tod vor Augen gehabt zu haben, bei einem seiner Kämpfe gegen Frazier. Er war ein harter Hund, würde man in der Szene heute sagen, einer dem man lieber ausweicht beim Aufbau seines Kampfrekords.
Arnold «the cobra» Gjergjaj, der Schwergewichtsprofi aus meinem Stall, hätte nicht gegen Frazier antreten wollen. Er wäre ihm zu wenig gross und zu unangenehm zu boxen, da es Frazier verstand, sich klein zu machen im Kampf, würde Arnold sagen. Er hat lieber die Grossen, die trifft er besser.
Für ein paar Fäuste um vier Uhr in der Früh
Unter Boxern bleibt immer eine Portion gegenseitiger Respekt, sei es vor und während des Kampfes, danach und auch über den Tod hinaus. So sind sie halt, die Boxer. Denn sie wissen ganz genau: ohne Gegner kein Kampf. Das gilt auch so für Joe Frazier. Nur die Allerbesten besiegten ihn. George Foreman und Muhammad Ali, als einzige und dies gleich zwei Mal. Der eine verkauft heute Grills, und der andere wird nächstes Jahr 70 und zeigt sich nur noch selten in der Öffentlichkeit. Beim letzten Sieg gegen Frazier sank Ali nach dem Kampf vor Erschöpfung zusammen.
Im Boxclub Basel erinnern sich nur noch die älteren Semester an diese und andere legendäre Kämpfe der 70er und 80er Jahre. Nur die wenigsten orientieren sich noch auf YouTube nach den guten alten Boxzeiten, wo noch um vier Uhr morgens für ein paar Fäuste der Fernseher eingeschaltet wurde. Mein Vater weckte mich für diese Kämpfe damals, ich wusste nicht genau wieso, kaute jedoch an den Fingernägel und weinte, wenn Ali verlor.
Heute haben die meisten noch knapp Mike Tyson in ihrem Langzeitgedächtnis gespeichert, sofern sie ein solches besitzen. Oder eben den alten Haudegenzwerg aus Hollywood, Sylvester Rocky Stallone (1,70 Meter). Auch die Klitschkos werden keine dicke Erinnerungsspur hinterlassen, da sie zu wenige intensive, gute Kämpfe bestreiten. Der letzte war gegen Lennox Lewis 2003. Alle anderen waren im Kampfverlauf schwach und ohne Gegenwind. Es hat schlicht keine guten Schwergewichtsboxer mehr in der Szene. Ein Frazier würde den Brüdern die eine oder andere Kelle einschöpfen und den Ringboden zum Beben bringen. Und wir alle hoffen hier in Basel insgeheim auf unseren Arnold. Er soll es richten, auch von ganz unten. Ohne finanzielle Mittel zwar, dafür aber mit einer Faust, die den Messe-Boxkasten auf der Kaserne in Revision schickt.
Der linke Haken und der Schweinebiss
Joe Frazier wäre ein Platz zuoberst auf dem Boxolymp angemessen gewesen. Zum einen galt seine Art zu trainieren als Filmvorlage für Rocky. Da wurden nicht nur in Kühlschränken Fleischkadaver geboxt. Frazier kam auch aus familiären Verhältnissen von ganz unten. Ausserdem ging er mit seinem Verhalten und Auftreten glatt als Zwillingsbruder von Mike Tyson durch. Von ganz unten nach ganz oben und wieder zurück, das ist die Kurzgeschichte von Frazier. Unbeliebt auf der ganzen Ebene, technisch unterlegen und mit einem unglaublich harten Hammer ausgestattet. Aber eben auch einer der wenigen, der Ali besiegen konnte. Damals sagenhafte 2,5 Millionen Dollar verdiente er beim Ali-Fight, weitere Millionen folgten. Viel blieb davon nicht mehr übrig. Dies nicht, weil er einen Schweizer Banker als Freund hatte. Er gab es schlicht wieder aus. Zuletzt musste es gar seinen Boxclub verkaufen, das einzige was ihm noch geblieben war. Seine Tochter und sein Sohn haben nur ein kleines Box-Gen-Packet geerbt, vermutlich haben sie genau je die Hälfte erhalten, und mit dieser ist nicht weit zu kommen im Box-Business.
Seinen Dampfhammer musste sich Frazier selbst zurecht pflegen. Das Geld fehlte für eine ordentliche Behandlung einer Verletzung, die er sich bei einem Schweinebiss zugezogen hatte. Aber mit dem linken Haken holte er einen Baum nach dem anderen auf den Boden der Realität zurück. Er war gefürchtet und unbeliebt, als Mensch und als Boxer, und trotzdem attraktiv, denn genau das ist es, was Boxen ausmacht. Nicht nur das Gute, sondern eben auch das Böse.