Inzwischen redet fast das ganze Land über die Olympischen Winterspiele 2022 im Engadin. Die Kritik am Projekt ist teilweise heftig. Aktueller denn je sind damit die Aussagen, die Sigi Asprion, der Laufentaler Gemeindpräsident von St. Moritz, in unserer Printausgabe vom 12. Oktober gemacht hat. Darum hier nochmals die wichtigsten Auszüge aus dem Interview.
Olympische Spiele sind viel zu teuer und sie zerstören die Landschaft, sagen die Kritiker. Darum wollen sie die Winterspiele im Engadin unbedingt verhindern.
Sigi Asprion, Gemeindepräsident von St. Moritz, war früher auch ein Gegner. Heute ist er aber begeistert von der Idee, die Spiele wieder einmal in die Schweiz, ins Engadin zu holen. Auch aus Imagegründen, wie er sagt.
Herr Asprion, sind Sie nicht zufrieden mit dem Image Ihrer Gemeinde?
Mich nervt diese Einseitigkeit. Wenn zum Beispiel «Glanz und Gloria» vom Schweizer Fernsehen über uns berichtet, wird immer das Gleiche inszeniert: Pelzmäntel, Cüplis und die angeblich typische Überheblichkeit. Das ist aber nur ein Teil von St. Moritz. Der andere ist ganz normal. Bei uns ist jeder willkommen.
Um das noch bekannter zu machen, wollen St. Moritz und zehn umliegende Gemeinden mehr Geld in die Tourismuswerbung investieren – 16 Millionen anstatt 15 Millionen Franken wie bisher. Viel Geld für ein Projekt, bei dem der Erfolg nur sehr schwer messbar ist.
So denkt vielleicht ein Basler. Wir hier oben haben aber keine Pharma und keine Industrie. Wir haben nur den Tourismus, von dem alle direkt oder indirekt abhängig sind. Darum dürfen wir keinesfalls den Anschluss verpassen. Wir müssen uns neue Märkte erschliessen: China, Indien, Indonesien, Brasilien. Das ist aufwendig und kostet entsprechend.
Wie geht das konkret – St. Moritz so bekannt zu machen, dass möglichst alle Chinesen, Inder und Brasilianer herkommen wollen?
Das geht nur über Märkte und Kontakte. Dabei arbeiten wir eng mit «Schweiz Tourismus» zusammen.
Bestens in Ihr Konzept würde auch Olympia passen?
Absolut.
Olympia – eine milliardenteure Werbeaktion?
Nicht nur, aber auch. Olympia wäre die beste Gelegenheit, der Welt zu zeigen, was St. Moritz und Davos, was der Kanton Graubünden und was die Schweiz alles können. Wie perfekt wir auch einen solchen Grossanlass über die Bühne bringen. Und was für gute Gastgeber wir sind.
Besonders Letzteres ist umstritten. Die Österreicher seien viel freundlicher, heisst es immer wieder.
Die Österreicher sind vielleicht etwas aufmerksamer. Ich glaube, wir Schweizer müssten offener werden, ohne plötzlich wie die Österreicher sein zu wollen. Ihr Schmäh passt nicht so zu uns. Wir sind zurückhaltender, distanzierter, was auch geschätzt wird.
Was haben Sie im Hinblick auf Olympia sonst noch zu bieten?
Wir wollen die Spiele wieder in eine andere Richtung bringen, weg von diesem Gigantismus, zurück zu den Ursprüngen in eher kleinere Orte in den Bergen, wo die Infrastruktur bereits vorhanden ist.
Diese Versprechungen gibt es immer vor Spielen: ein wirtschaftlicher Schub, mehr Tourismus auch, aber keine unnötigen Bauten, kurz: Nachhaltigkeit. Und danach stellt sich alles als Irrtum heraus.
Dieses Problem gab es tatsächlich schon häufig in der Geschichte der Olympischen Spiele. Ich selbst war in Vancouver als Zuschauer mit dabei. Dort hat man die schönsten Wälder zusammgeholzt, um neue Strassen zu bauen, die nach den Spielen niemand mehr braucht. Und nach dieser Erfahrung sagte ich mir: Nein, der Asprion will nie im Leben solche Spiele in der Schweiz. Dann wurde ich Gemeindepräsident und wenig später kam vom Bund die Anfrage, ob Olympische Spiele hier denkbar wären. Ich war zuerst sehr kritisch. Jetzt bin ich überzeugt, dass wir wunderschöne Spiele organisieren könnten.
Warum?
Weil wir es eben so ganz anders machen würden. Wir bauen auf der vorhandenen Infrastruktur auf. Im alpinen Bereich ist seit der WM 2003 alles vorhanden. Die Bobbahn ist ebenfalls perfekt, dort findet die WM in diesem Jahr statt. Die neue Skisprungschanze ist sowieso bereits in Planung. Die neue Eishalle in Samedan ist ebenfalls schon seit Längerem angedacht. Und auch für die Eröffnungsfeier gibt es schon eine wunderbare Idee: Das olympische Feuer könnte auf dem zugefrorenen See entfacht werden.
Das Problem ist, dass das Internationale Olympische Komitee mit den Spielen das gleiche Ziel hat wie Sie mit dem Tourismus: neue Märkte erschliessen. Darum finden die nächsten Olympischen Spiele in der russischen Retortenstadt Sotschi und im südkoreanischen Pyeongchang statt. In dieser Reihe hat das gute alte St. Moritz keinen Platz mehr.
Nun kommt der Zeitpunkt, an dem sich das IOC entscheiden muss, ob es bei den Spielen tatsächlich nur noch um Grösse und damit ums Geld gehen soll. Wir bieten endlich eine Alternative: eine vernünftige Olympia. Wenn wir keinen Erfolg haben mit unserer Bewerbung, wird es wahrscheinlich nur noch gigantische Spiele in gigantischen Städten geben. Das wäre schade.
Könnte es nicht auch sein, dass St. Moritz manchmal etwas gar klein denkt, um einen derartigen Grossanlass meistern zu können? Nur schon beim Versuch, sich auf den Bau eines neuen Hallenbades zu verständigen, stritt sich die Gemeinde jahrelang.
Ja gut, aber jetzt haben wir uns für den Bau entschieden. Und unabhängig davon haben wir das meiste für Olympia ja schon. Einzelne Anlagen würden wir nur für die Dauer der Olympiade aufstellen. Aber auch das wäre kein Problem.
Dennoch gibt es auch im Bündnerland einige Vorbehalte gegen eine Kandidatur.
Die Abstimmung im März ist tatsächlich eine grosse Herausforderung. Es muss gelingen, den Menschen verständlich zu machen, dass die Spiele eine grosse Chance für die Region und den Kanton sind. Das schafft Arbeitsplätze und wird unsere Attraktivität erhöhen.
Ist es in Ordnung, dass voraussichtlich nur die Bündner über eine Kandidatur abstimmen können? Immerhin stellt der Bund eine Milliarde Franken für die Organisation in Aussicht.
Das ist der politische Prozess. Auf Bundesebene liegen die Entscheide beim Bundesrat und beim Bundesparlament.
Glauben Sie, dass sich die Menschen im ganzen Land mit der Bündner Kandidatur identifizieren werden?
Das hängt unter anderem von Ihnen ab, von den Journalisten und ihren Berichten (lacht). Und den Politikern und ihren Stellungnahmen. Ich bin überzeugt, dass sich die ganze Schweiz dank Olympia im besten Licht wird präsentieren können.
Welches Image haben die Bündner Ihrer Meinung nach innerhalb der Schweiz?
Was Sie für Fragen stellen!
Ist doch interessant, was die Schweizer übereinander denken. Die Walliser zum Beispiel haben im Unterland nicht den besten Ruf, weil es bei ihnen zu viel Vetterliwirtschaft gebe, sagt man.
Ich glaube, die Bündner haben da mehr Glück. Sie gelten als etwas stur und eigensinnig vielleicht, aber auch als sympathisch, würde ich sagen.
Das ungekürzte Interview mit Sigi Asprion – unter anderem auch über die Steuerschwindler, Kokser, Russen und anderen Gäste in seiner Gemeinde.
Der St. Moritzer Gemeindepräsident Sigi Asprion ist im Laufental aufgewachsen, auf einem Bauernhof in Wahlen. Seine Lehre absolvierte er in Basel als Koch im Direktions- und Personalrestaurant der Schweizerischen Kreditanstalt (heute CS), seine weitere Ausbildung in der Hotelfachschule. Vor 30 Jahren kam Sigi Asprion ins Engadin, wo er zuerst als Direktionsassistent in einem Hotel arbeitete. Danach leiteten er und seine Frau während 17 Jahren das Viersternehotel Monopol in St. Moritz, ehe er das Metier wechselte und Direktor des Spitals Samedan wurde. Seit eineinhalb Jahren ist er nun hauptamtlicher Gemeindepräsident von St. Moritz. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören dabei die Förderung des Tourismus und die Kandidatur für Olympia. Wobei er auch von seiner Erfahrung profitieren kann. Schon als Hotelier hat er sich für den Kurverein engagiert. Und auch bei der Organisation von Grossanlässen war er schon mit dabei – unter anderem als Mitglied des OK bei der Ski-WM 2003 in St. Moritz. Heute ist Asprion 53 Jahre alt; er wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in St. Moritz-Bad.
Sigi Asprion
Der St. Moritzer Gemeindepräsident ist im Laufental aufgewachsen, auf einem Bauernhof in Wahlen. Seine Lehre absolvierte er in Basel als Koch im Direktions- und Personalrestaurant der Schweizerischen Kreditanstalt (heute CS), seine weitere Ausbildung in der Hotelfachschule. Vor 30 Jahren kam Sigi Asprion ins Engadin, wo er zuerst als Direktionsassistent in einem Hotel arbeitete. Danach leiteten er und seine Frau während 17 Jahren das Viersternehotel Monopol in St. Moritz, ehe er das Metier wechselte und Direktor des Spitals Samedan wurde. Seit eineinhalb Jahren ist er nun hauptamtlicher Gemeindepräsident von St. Moritz. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören dabei die Förderung des Tourismus und die Kandidatur für Olympia. Wobei er auch von seiner Erfahrung profitieren kann. Schon als Hotelier hat er sich für den Kurverein engagiert. Und auch bei der Organisation von Grossanlässen war er schon mit dabei – unter anderem als Mitglied des OK bei der Ski-WM 2003 in St. Moritz. Heute ist Asprion 53 Jahre alt; er wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in St. Moritz-Bad.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12