Zwar ist Belinda Bencic in Tokio im Final gegen Agnieszka Radwanska unterlegen. Nach ihrer äusserst erfolgreichen Saison bleiben die Top 10 jedoch weiterhin in Sichtweite.
Lange hat es nicht gedauert, bis Belinda Bencic an diesem Septembersonntag in Tokio die akute Enttäuschung über ihre Finalniederlage überwunden hatte. Genau genommen: Nur fünf Minuten. Denn bei den offiziellen Zeremonien nach dem Endspiel zeigte die neue Miss Swiss schon wieder ihre gewohnte Schlagfertigkeit – mit Worten.
Es sei immer eine Freude, Agnieszka Radwanska Tennis spielen zu sehen, sagte Bencic bei ihren allgemeinen Dankesworten und fügte dann mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: «Nur ist es nicht so schön, gegen sie zu spielen.» Eben auch nicht an diesem Tag, zu dieser Stunde. Und in diesem Finale, bei der 2:6, 4:6-Niederlage, bei der sie überwiegend nur staunende Zuschauerin der beeindruckenden Radwanska-Show war.
Doch gerade weil Radwanska auf der Höhe ihrer Kunst so stark und konsequent gut aufspielte, konnte Bencic zügig ihren Frieden mit diesem letzten Auftritt machen: «Sie war ganz einfach die viel bessere Spielerin. Das kann ich neidlos anerkennen.»
Stabiles Spiel in jungem Alter
Andererseits bleibt auch für Bencic die angenehme Gewissheit, sich in der engeren Weltspitze des Frauentennis endgültig etabliert zu haben. Keine andere Spielerin hat einen vergleichbar wertvollen Sprung in die Gipfelregion gemacht und diesen Aufwärtstrend mit kontinuierlich guten Ergebnissen unterfüttert. «Bei Bencic ist überraschend, dass sie in diesem jungen Alter schon so stabil spielt», sagte unlängst bei den US Open bereist die US-Tennislegende Chris Evert, «sie wirkt sehr gefestigt, hat ein perfektes Umfeld.»
Auch Ziele, die man vor Saisonbeginn noch ins Reich der Fantasie verbannt hätte, scheinen für die Teenagerin noch in dieser starken Saison erreichbar: Den Vormarsch in die Top Ten. Und die Teilnahme am Saisonfinale der acht besten Spielerinnen 2015, Ende Oktober in Singapur.
Belinda Bencic hat die Top 10 in Sichtweite, nach ihrer Finalniederlage in Tokio steht sie derzeit auf Platz 14. (Bild: YUYA SHINO (Reuters))
In der Weltrangliste verpasste Bencic zwar durch das finale Scheitern in Japans Kapitale den Aufstieg unter die besten Zehn, ist aber nun auf einem vorläufigen Allzeithoch mit Platz 14 nicht weit entfernt von diesem Meilenstein ihrer schon früh imponierenden Laufbahn. Als Zwölfte im sogenannten Jahresrennen zur WM liegt sie ebenfalls noch in Lauerstellung und dürfte bis zum letzten Moment noch ihre Chancen haben, zum exklusiven Grüpplein der absoluten Jahresgrössen hinzustossen zu können.
Hungrig in Tokio
«Es ist verrückt, dass ich überhaupt all diese Möglichkeiten habe», sagt Bencic, «das hätte ich mir zum Jahresbeginn nicht mal träumen können.» Damals, zur Erinnerung, startete sie von Platz 33 der Rangliste. Und gab als Anspruch heraus, diese schon gute Position nach hinten verteidigen zu wollen. Doch mit einer Gewinn-Verlust-Rechnung von 39:20-Siegen, zwei Turniererfolgen und guten Grand Slam-Resultaten ist Bencic nun weit über dem Plansoll, dem vielleicht insgeheim anvisierten Sprung unter die Top 20 der WTA-Bestenliste.
Und vielleicht am bemerkenswertesten ist dabei die hohe Anzahl gewichtiger Siege, also Siege gegen die Stärksten der Branche. Beim Turniererfolg in Toronto liess Bencic vier Top Ten-Konkurrentinnen hinter sich, und auch in Tokio schlug sie auf dem Weg ins Finale zwei Asse, Garbine Muguruza (Nr.8) und Caroline Wozniacki (Nr. 5). Und noch hat Bencic alle Chancen, eine exzellente Saison weiter zu veredeln, in einem potenziell goldenen Herbst in Asien. «Ich bin immer noch hungrig», sagte sie in Tokio.
Die Enttäuschung über ihre Niederlage währte bei Belinda Bencic nicht lange. Zu zahlreich sind ihre Erfolge dieser Saison. (Bild: YUYA SHINO (Reuters))