Besser kann man sich den Stoff für ein hochbrisantes Fussballspiel gar nicht ausdenken: Am Sonntag (13.45 Uhr, Teleclub und #rotblaulive) tritt Murat Yakin als neuer Trainer des FC Basel ausgerechnet bei dem Club an, der ihn im August gefeuert hatte.
Der eine Club ist der erfolgreichste der zurückliegenden Dekade, hat drei Meisterschaften in Serie gewonnen und auf Platz vier rangierend gerade seinen, sagen wir: nicht unpopulären Trainer in die Wüste geschickt. Der andere Club ist Vorletzter und hat den mehr oder weniger beliebten Trainer am 20. August gefeuert. Jenen Trainer, der jetzt Trainer beim ersten Club ist.
Die Wochendebatte: Ist der Trainerwechsel des FCB richtig?
Die TagesWoche hat den Sportjournalisten Michael Martin und den Theaterintendanten Roland Suter eingeladen, Pro und Contra zu beurteilen. Debattieren Sie mit.
Auf der einen Mannschaft lastet der ungeheure Druck, das erste Spiel unter dem neuen Trainer tunlichst nicht zu verlieren, oder besser: unbedingt zu gewinnen, um eine in emotionalem Aufruhr befindliche Fussballstadt fürs erste zu befrieden. Die andere Mannschaft, und mit ihr der Trainer, steht mit dem Rücken zur Wand, weil man sich in der anderen Stadt, die ebenfalls als Fussballstadt gelten darf, etwas ganz anderes vorgestellt hat.
Der FC Basel zu Gast beim FC Luzern. Besser hätte man sich den Stoff für diesen Klassiker des Schweizer Fussballs gar nicht ausdenken können. Und nach dem die ersten Schockwellen des Basler Erdbebens verebbt sind, wird von Luzerner Seite amokartig quergeschossen. Von jenem Unternehmer, der sich mit seinem Geld den Namen für das neue Stadion an der Stelle der alten Allmend gekauft hat.
Hochbrisante Ausgangslage
Nur selten gebiert der Spielplan der Super League eine solch hochbrisante Ausgangslage. Die Swissporarena wird ausverkauft sein am Sonntag, wenn der FCB erstmals zur neuen Anstosszeit um 13.45 Uhr ein neues Kapital aufschlägt. Erstmals wird Murat Yakin verantwortlich sein für die sportlichen Belange, sechs Jahre nach seinem Karrierenende als Spieler in Rotblau.
Niemand kann voraussagen, wie das Luzerner Publikum auf seinen Ex-Trainer reagieren wird, niemand, wie die Basler Fraktion im Stadion den neuen Chefcoach empfangen wird. Und ganz nebenbei: ist es, nach dem 2:2 zu Saisonbeginn im St.-Jakob-Park, die erste Revanche auf Luzerner Boden nach dem hochdramatischen Cupfinal im Mai, als sich die Luzerner, damals noch mit Murat Yakin, nach dem verlorenen Penaltyschiessen über Basler Glück und einen aus ihrer Sicht unanständigen FCB-Goalie Yann Sommer aufregten.
Fünf Tage Vorbereitung hat Murat Yakin gehabt auf sein 115. Spiel in der Liga mit dem FC Basel und das erste als Cheftrainer der Rotblauen. Und eine weitere spannende Frage ist, ob er die Mannschaft bereits in einer veränderten Grundordnung auf den Platz schicken wird, ob man schon etwas erkennen kann von dem Fussball, der künftig vom FCB zu erwarten ist, ob die Rollen auf dem Spielfeld anders verteilt sein werden, ob er irgendetwas in den Köpfen der Spieler verändert haben wird, was sich dann in den 90 Minuten in der Körpersprache ablesen lässt.
«Es war einfach, sich auf den FCB einzustellen»
Zu seiner Taktik lässt sich Yakin noch nicht viel entlocken. «Ich will es flexibel gestalten und mich nicht festlegen», sagt der 38-Jährige, «an gewissen Sachen werden wir festhalten und Varianten reinbringen, um den Gegner zu überraschen.» Also so, wie er selbst als Trainer des FC Thun und des FC Luzern vorging, wenn der FC Basel unter Thorsten Fink oder Heiko Vogel der Gegner war. «Und es war häufig einfach, sich auf den FCB einzustellen», sagte Yakin am Freitag mit einem Lächeln auf dem Gesicht, und man wusste nicht so recht, ob dies eine Spitze war oder einfach nur ein kleiner, beiläufiger Scherz.
Wobei: Eigentlich spielt es keine Rolle, wie der FC Basel in Luzern spielt, ob er mit einem oder drei Stürmern spielt, ob Yakin es wagt, nach nur sechs Trainingseinheiten in der defensiven Systematik auf einen Dreierblock in der Innenverteidigung zu setzen, der nach je nach Situation zu einem Fünferriegel mutiert. So also, wie er es auch in Thun und Luzern praktiziert hat. Aber das ist am Sonntag egal: Es geht nur darum, ob der FCB gewinnt oder nicht.
Denn nur ein Sieg kann Wind aus der Debatte nehmen, ob der Trainerwechsel nun die richtige Entscheidung der Clubleitung war – oder nicht. Der Erfolg, so ist der Fussball eben auch, lässt dann sehr rasch Gras über die Vergangenheit wachsen und über all die Fragen, die sich nach der abrupten Trennung von Heiko Vogel stellen.
Der neue Trainer gibt sich relaxt
Am Freitag ist Murat Yakin zur gewohnten Mittagsstunde erstmals zur üblichen Medienrunde vor den Spielen aufgetreten. Léger gekleidet, mit einer karierten Hose, die entweder sündhaft teuer von einem Designer geschneidert wurde oder aus einem Secondhand-Laden im Kleinbasel stammt. Am Arm trug er eine Luxusuhr jener Luzerner Manufaktur, für die Yakin als Markenbotschafter auftritt.
Und er war ganz der relaxte Murat Yakin, wie man ihn über Jahre als Spieler des FC Basel gekannt hat. Den Luzerner Lokaljournalisten, mit dem er Anfang des Jahres einen heftigen Strauss ausgefochten hatte, begrüsste er mit einem lässig-lächelnden «mein Freund». Beim1:1 zwischen Luzern und dem FCZ im Februar hatte Yakin diesen Journalisten in der Medienkonferenz nach dem Spiel abgekanzelt mit dem Satz: «Egal, was du für Medikamente nimmst, nimm einfach weniger davon.»
Yakin wird sich in ungefähr ausmalen können, was ihn an alter Wirkungsstätte erwartet. Es seien immer grosse Spiele zwischen diesen beiden Mannschaften, er weiss um die «grosse Bedeutung» speziell dieser Begegnung und er sagt: «Ich freue mich auf den Sonntag und darauf, dass es los geht.»
Luzerner Provokationen will Yakin ausblenden
Dass ihm in der Swissporarena womöglich ein heisser Empfang bereitet werden wird, lässt den neuen Basler Trainer kalt: «Ich habe in Luzern nie um einen warmen Applaus gebettelt. Ich habe meinen Job gemacht.» Die Nebengeräusche, die in den letzten Tagen in Luzern erzeugt wurde, die Diskussion um seine Vertragsauflösung mit dem FCL, versucht er beiseite zu schieben: «Was rundum spekuliert und provoziert wird, müssen wir ausblenden. Am Matchtag soll die Mannschaft im Mittelpunkt stehen, nicht der Trainer.»
Das ist ein frommer Wunsch, wo doch alle auf ihn schauen werden. Jetzt, da er vorzeitig dort angekommen ist, wo ihn viele eines schönen Tages sowieso erwartet haben: beim FC Basel. Bei einem Club, wo alles anders ist als zum Beispiel in Luzern, wo Yakin Aufbauarbeit in einer Ära des Aufbruchs geleistet hat. «Das war auch toll», sagt Yakin, in Basel jedoch «kommt man in ein gemachtes Haus, stimmen die Strukturen, kann man sich als Trainer auf die Mannschaft konzentrieren».
Was Yakin von Gross gelernt hat
Ein paar Grundsätze hat Yakin am Freitag noch formuliert, unmissverständliche: Er sei in Basel auf eine Mannschaft gestossen, die «eine Riesengaudi» haben könne, aber dafür gebe es bestimmte Zeiten. Wenn taktisch gearbeitet wird, verlangt der neue Trainer höchste Konzentration. «Wenn jemand versucht, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, werde ich die Zügel anziehen», kündigt Yakin an, das habe er gelernt. Als Spieler unter Christian Gross, erst bei GC und später beim FCB, habe er «gute Erfahrungen gemacht – zumindest in dieser Hinsicht».
Und was er auch erzählt hat: Dass er auf dem Schreibtisch des von Heiko Vogel am Montag geräumten Trainerbüros einen Zettel vorfand. Was darauf stand, wollte Yakin nicht preisgeben, aber er dankte seinem Vorgänger mit einer elektronischen Nachricht dafür. Heiko Vogel hat Murat Yakin viel Erfolg gewünscht. Den wird Yakin gebrauchen können. Es sei eine «grosse Aufgabe» sagt der neue Mann am Ruder, und «nicht einfach in die Fussstapfen» des Vorgängers zu treten: «Ich will die Leute in der Region nicht enttäuschen.»
Stocker fehlt gesperrt, Diaz nicht im Kader
Wie Yakin die Mannschaft am Sonntag aufstellt? Schwer zu sagen. Einfacher ist es, aufzulisten, wer nicht spielt: Valentin Stocker sitzt eine Gelbsperre ab, der junge Darko Jevtic wird als verletzt gemeldet und Marcelo Diaz, erst am spät Donnerstag zurück von zwei verlorenen WM-Qualifikationsspielen mit Chile, darunter das Offensivspektakel gegen Argentinien (1:2), wird in Luzern nicht zum Kader gehören. Diaz soll Luft holen für die anstehende englische Woche mit dem Europa-League-Trip nach Ungarn.
Joo Ho Park, der bei Südkoreas 0:1-Niederlage im Iran nicht zum Einsatz kam, kränkelte nach Rückkunft und absolvierte nur reduzierte Einheiten. Marco Streller hatte am Dienstag noch von seinem gereizten rechten Knie berichtet, von dem aber am Freitag schon keine Rede mehr war.
Mit den Routiniers, Captain Streller und Alex Frei, hat Yakin die ersten ausführlichen Gespräche geführt, um den Puls der Mannschaft zu fühlen. Yakins Erkenntnis: Die etatmässigen Stürmern befänden sich in unterschiedlicher Verfassung: Marco Streller in einer guten, in der er in der Lage sei, der Mannschaft zu helfen, Alex Frei in einer weniger guten. Yakins Wunsch: Streller soll Frei helfen. Und so auch Murat Yakin.
Der Torverteiler – präsentiert von weltfussball.de
Alles über Fußball oder direkt zur Super League (CH)