Gemeinsam sind sie gewachsen – Roger Federer, der Tennis-Ästhet, und Dubai, das mit Geld um sich werfende Tennis-Mekka am Golf. Die Mächtigen der Megacity würden Federer gerne über dessen aktive Karriere hinaus als PR-Lokomotive beschäftigen.
Als Roger Federer am Montagabend im Tennis-Stadion von Dubai den ersten Satz seines Auftaktspiels gegen den Tunesier Malik Jaziri verloren hatte, tauschten in der Royal Box ein paar wichtige Menschen ziemlich betretene Blicke aus. Colm McLaughlin beispielsweise, der Impresario der mächtigen Duty Free-Gruppe, gehörte dazu, der Mann, der jedes Jahr geschätzte 20 Millionen Dollar in die Tenniswettbewerbe pumpt. Oder Sinead El Sibai, die gewiefte PR-Frau, die seit 20 Jahren wesentlich am Aufstiegswerk des Turniers mitbastelt. Und Abdul Falaknaz, der Boss von Tennis Emirates, der zugleich über ein gewaltiges Immobilien-Imperium in der Metropole gebietet.
Roger Federer trifft in seinem zweiten Spiel in Dubai am Mittwoch (16.00 Uhr Schweizer Zeit) auf den Spanier Marcel Granollers (ATP-Nummer 34). Der Doppelspezialist setzte sich in Runde 1 gegen seinen Landsmann Albert Montanes mit 6:3, 6:1 durch.
Ein paar bange Minuten mussten sie allesamt zittern um den verehrten Maestro, der traditionell bei der Dubai-Premiere gern mal ins Strauchen gerät und stets nur langsam, dann aber meist gewaltig auf Touren kommt. Doch wenigstens für den Montag war dann am Ende alles gut – für Federer, den Drei-Satz-Sieger, den fünffachen Champion und König von Dubai. Und auch für seine edlen Unterstützer und Fans.
Dubai macht Federer Avancen
Federer ist für die Scheichs und Macher der «Duty Free Championships» kein gewöhnlicher Spieler, in keiner einzigen Bedeutung des Wortes. An diesem schillernden Schauplatz des Wanderzirkus ist der 31-jährige Familienvater nicht nur eine unverzichtbare Edelmarke, sondern auch eine Art Neben-Botschafter für das Turnier und das Fürstentum in der keineswegs mehr öden Wüste.
Die guten Geschäfte zwischen dem Tennis-Ästheten und den Scheichs
«Wir würden Roger Federer auch über seine aktive Karriere hinaus gern als Repräsentant für das Turnier beschäftigen», sagt McLaughlin, der langjährige Boss und heutige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Duty Free-Kette. Die Herren über den zollfreien Verkauf, die im letzten Geschäftsjahr am Flughafen-Knotenpunkt mehr als 1,5 Milliarden Dollar umgesetzt haben, dürften Federer vor ein paar Jahren auch das exklusive Apartment in der Dubai Marina mitfinanziert haben, in dem er nun – in Reichweite des Sieben-Sterne-Hotels Burj al Arab – rund zwei Monate im Jahr lebt.
Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
Es sind gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit zwischen dem Tennis-Ästheten und den kühl kalkulierenden Businessleuten, schliesslich verschafft der erfolgreichste Spieler dieser Epoche dem Turnier im Februar und März global relevante Schlagzeilen und Bilder. Allein im letzten Jahr übertrugen 80 Länder weltweit Livematches aus Dubai, für eine Seher-Gemeinde von rund 400 Millionen Fans. Ambitionen auf ein Grand Slam-Turnier, die ihnen immer wieder nachgesagt wurden, haben die Dubai-Regenten indes gar nicht: «Wir haben längst ein Feld, das Grand Slam-Charakter hat», sagt McLaughlin.
Von einem Budget wie dem von Dubai träumen selbst Masters-Turniere
Die Finanzkrise, die auch am Golf ihre Spuren hinterlassen hat, bremste zwar die aufwändigen Expansionspläne der Tennismacher, die den Wettbewerb ab 2013 in ein neues Superstadion in der Dubai Sports City verlagern wollten. Aber von einem Budget wie jenem der Duty Free-Verkäufer können selbst Manager von Masters-Turnieren nur träumen, angeblich wurden allein im Jahr 2012 Antrittsgelder von etwa sechs Millionen Dollar gezahlt, darunter mindestens 500’000 Dollar an Stars wie Novak Djokovic oder Roger Federer.
Den Spitzenleuten werden fast alle Wünsche erfüllt und von den Lippen abgelesen. So nächtigte Djokovics vielköpfige Entourage im Hotelpalast des «Burj al Arab». Auch Federer, der bei seinen «Heimturnieren» in Basel und Dubai stets das Hotel der eigenen Wohnung vorzieht («Sonst denke ich, dass ich in den Ferien wäre»), logierte schon mehrfach in dem ikonenhaften Prunkbau. Übernachtungspreis: ab 1000 Euro.
Der schwierige Anfang einer Liaison
Dass ausgerechnet einmal Federer zu einem umjubelten Protagonisten und zu einer PR-Lokomotive im Tennistheater von Dubai werden könnte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn im Luftfahrtclub, dessen durchaus stolzes Mitglied inzwischen auch er ist, erlebte Federer vor gut einem Jahrzehnt auch einen der schwärzesten Augenblicke seiner Karriere – damals, 2002, als er in 51 bitterbösen, tiefschwarzen Minuten mit 3:6 und 1:6 gegen Rainer Schüttler unterging.
Die Turnierherren waren genauso wie die ATP erbost, weil der Jungstar vermeintlich wenig bis gar kein Engagement zeigte, sich gegen die Niederlage zu wehren. «Manche wollten mich am liebsten gar nicht mehr hier sehen und in die Wüste schicken», sagt Federer, «dabei war es nur ein Tag, an dem nicht viel zusammenlief.»
Gemeinsam rasant gewachsen
Inzwischen ist er Rekordsieger eines Turniers, das zusammen mit ihm rasant wuchs und heute nicht nur wegen erstklassiger Verdienstmöglichkeiten die Branchenbesten reihenweise anzieht: Bei den Männern starten 2013 nicht weniger als sechs der zehn Top-Spieler, einzig die Spanier Rafael Nadal und David Ferrer und der Schotte Andy Murray fehlen aus der absoluten Promi-Kaste.
Federer macht die Megacity in der Wüste zum Tennis-Mekka
Inzwischen hat sich Dubai, das vielbeschworene Übermorgenland am Golf, die glitzernde Millionenmetropole der Vereinigten Arabischen Emirate, zu einem neuen, wichtigen und höchst beliebten Tennis- und Trainingsstützpunkt für Stars und Sternchen aus dem globalen Wanderzirkus entwickelt. Federer, der Rekordchampion, hatte einst den Trend zum Übungscamp in der blühenden Wüstencity begründet – und was der Oberstratege tut und lässt, wird in der Regel von der aufmerksamen Kollegenschar genauestens studiert und oft auch imitiert.
Training unter der ewigen Sonne
So wundert nicht, dass inzwischen auch Spielerinnen wie Viktoria Azarenka, Jelena Jankovic oder Swetlana Kusnetsowa über eigene Apartments in Arabiens Megastadt verfügen und regelmässig zu Trainingszwecken diese zweite Heimat fern der Heimat ansteuern. Die zwischenzeitliche Nummer-1-Spielerin Azarenka reist wochenlang in der Saisonvorbereitung, um sich unter der zuverlässig scheinenden Sonne am Golf für die nächsten Herausforderungen zu präparieren. «Ich kann hier meine Arbeit machen, ohne aufzufallen», sagt Azarenka. Ganz wie Federer eben.