Federer und Wawrinka schreiben ein Kapitel Schweizer Sportgeschichte

Roger Federer holt gegen den Franzosen Richard Gasquet den entscheidenden dritten Punkt im Davis-Cup-Final von Lille. Damit ist etwas Einmaliges wahr geworden: Zum ersten Mal überhaupt gewinnt ein Schweizer Team einen Weltmeistertitel.

Swiss players celebrate with the cup after defeating France in the Davis Cup final at the Pierre Mauroy stadium in Lille, northern France, Sunday, Nov. 23, 2014. Roger Federer defeated Richard Gasquet 6-4, 6-2, 6-2 in the first reverse singles match Sunday as Switzerland won the Davis Cup final against France by taking an unassailable 3-1 lead. (AP Photo/Christophe Ena) (Bild: Keystone/CHRISTOPHE ENA)

Roger Federer holt gegen den Franzosen Richard Gasquet den entscheidenden dritten Punkt im Davis-Cup-Final von Lille. Damit ist etwas Einmaliges wahr geworden: Zum ersten Mal überhaupt gewinnt ein Schweizer Team einen Weltmeistertitel.

Den rauschenden Schlusspunkt unter eine grosse Mannschaftsleistung setzte er schliesslich selbst: Roger Federer – auf der Höhe seiner Kunst. Mit drei Sätzen zum ersten Davis Cup-Triumph schrieb er am Sonntagnachmittag im französischen Lille Sportgeschichte für sein Heimatland Schweiz und schloss zugleich die letzte Lücke in seiner Karriere-Biographie.

Federer, der beherrschende Spieler der modernen Tennisepoche, ging nun auf in einem verschworenen Team, das sich gegen alle Widerstände, gegen alle Zweifel und auch noch eine völlig missratene Vorbereitungsphase mit 3:1 gegen Gastgeber Frankreich durchsetzte. «Es ist ein Gefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt. Dieser Sieg ist nicht für mich, sondern für meine Jungs, für das Team», sagte der zu Tränen gerührte Federer nach seinem 6:4, 6:2, 6:2-Sieg über den Franzosen Richard Gasquet, der an diesem finalen Tag des Finales in letzter Sekunde noch für Topmann Jo-Wilfried Tsonga eingesprungen war.

Platt lag Federer in der roten Erde, als er um 15.03 Uhr seinen ersten Matchball souverän verwandelt hatte, am Ende eines dominierenden Auftritts war er also am Boden und doch obenauf wie nie zuvor in den allerletzten Jahren seiner Karriere. «Ich bin zum Glück ruhig geblieben, habe mich ganz auf die Aufgabe konzentriert – und nicht nachgedacht, was da auf dem Spiel steht», sagte Federer.



Das Schweizer Team um Roger Federer feiert den Sieg des Davis Cup. Es ist der erste Weltmeistertitel den die Schweiz je errungen hat.

Das Schweizer Team um Roger Federer feiert den Sieg des Davis Cup. Es ist der erste Weltmeistertitel den die Schweiz je errungen hat. (Bild: REUTERS/CHARLES PLATIAU)

Rund 3000 Schweizer Fans unter den 27.500 Zuschauern im lokalen Fussballstadion bejubelten den Triumph mit ekstatischen Freudengesängen und dem obligatorischen Bimmeln der Kuhglocken. «Es ist der schönste Tag, den ich je im Tennis erlebt habe», sagte der Schweizer Kapitän Severin Lüthi, der in den letzten Jahren auch als Federer-Coach und als Wawrinka-Berater arbeitete.

Es war tatsächlich ein perfekt choreographiertes Gesamtkunstwerk, das sich an diesem Wochende für die Tennis-Nation Schweiz entfaltete. Denn nach dem Schlagzeilengewitter und dem Kulissentheater, das im Vorfeld die eidgenössische Harmonie zu gefährden drohte, zeigten Federer, Wawrinka und Co. eine beeindruckende Trotzreaktion und wirkten in den drei Davis Cup-Tagen wie ein rotes Bollwerk, das keinerlei Angriffe und Attacken mehr zuliess.

Wawrinka und Federer harmonierten perfekt

«Wir haben gezeigt, was man als Mannschaft leisten kann. Und leisten muss», sagte Wawrinka, der imponierendste Spieler dieses Finales. Mit dem Auftaktsieg am Freitag gegen Tsonga hatte der zum Saisonschluss wiedererstarkte Australian Open-Champion das Fundament für den Triumph gelegt. Mit seinem selbstbewussten Auftritt im Doppel am Samstag riss er dann auch Federer zu einem Schauspiel gemeinschaftlicher Klasse mit. Dass sie so gut wie vielleicht nur bei ihrem Olympiasieg 2008 in Peking ans Werk gingen, lieferte Federer auch die Steilvorlage für das Solomatch am Sonntag gegen Gasquet.

So war am Ende auch Harmonie zwischen den beiden Weltklassespielern hergestellt: Jeder hatte einen Punkt im Einzel zum Sieg beigesteuert, und zusammen hatten sie den stets wegweisenden Zähler im Doppel geliefert. Federer 1,5 Punkte + Wawrinka 1,5 Punkte machte die Schweizer Glückseligkeit perfekt: Den so lange herbeigesehnten und vor 22 Jahren im ersten Anlauf in den USA verpassten Sieg im ältesten Nationenwettbewerb der Welt.



Der Franzose Richard Gasquet musste sich gegen Roger Federer im Davis-Cup-Finale geschlagen geben.

Der Franzose Richard Gasquet musste sich gegen Roger Federer im Davis-Cup-Finale geschlagen geben. (Bild: REUTERS/GONZALO FUENTES)

Als 14. Nation wurde die Schweiz nun auf der «hässlichsten Salatschüssel» verewigt, ein Land, dass mit der aktuellen Nummer 2 und Nummer 4 der Weltrangliste im Hier und Jetzt seine Potenziale erfüllte. Allerdings in Federers Fall auch gerade noch rechtzeitig: Denn die beim Londoner ATP-Finale aufgetretenen Rückenprobleme des vierfachen Familienvaters zeigten auf, dass die Schweiz nicht noch beliebig viele Versuche hatte, mit dem ihm zum Tennis-Halleluja voranzuschreiten.

«Die Mission ist erfüllt. Jetzt kann Federer sich auf sich selbst konzentrieren, solange er noch spielt», sagte Beobachter Pat Cash, der ehemalige Wimbledon-Champion aus Australien. Am letzten Sonntag hatte Federer noch seine persönlichen Interessen zugunsten der Davis Cup-Herausforderung zurückgestellt – der Verzicht auf das WM-Endspiel gegen Novak Djokovic war die einzige Chance, überhaupt noch für das Endspiel von Lille, die historische Aufgabe, fit zu werden.

Ein Moment für die Ewigkeit

Am Freitag litt er in Frankreich zwar noch unter den Nachwirkungen der Blessur, da schienen Federer und der «Rücken der Nation» noch ein Problem-Fall zu sein. Doch trotz seiner Niederlage gewann Federer die Gewissheit zurück, was er sich und seinem Körper bei dieser Davis Cup-Strapaze zumuten konnte – es war schliesslich so viel, um erst gemeinsam mit Wawrinka und schliesslich als Einzelkämpfer gegen Gasquet noch die entscheidenden Punkte zu erzielen.

Für alle im Team Swiss sprach Federer dann auch, als er sagte: «Das ist ein Moment für die Ewigkeit. Diesen Sieg werden wir alle nie vergessen. Niemals.»



Switzerland's Roger Federer reacts after he defeated France's Richard Gasquet during their Davis Cup final singles tennis match at the Pierre-Mauroy stadium in Villeneuve d'Ascq, near Lille, November 23, 2014. Roger Federer beat Richard Gasquet on Sunday to give Switzerland their first Davis Cup title with a 3-1 victory over hosts France in the final. REUTERS/Charles Platiau (FRANCE - Tags: SPORT TENNIS TPX IMAGES OF THE DAY)

«Es ist ein Gefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt. Dieser Sieg ist nicht für mich, sondern für meine Jungs, für das Team» (Bild: REUTERS/CHARLES PLATIAU)

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