Freiburg und Hamburg: Des einen Freud, des anderen Leid

Der SC Freiburg erreicht mit einem Heimsieg gegen Augsburg das rettende Ufer, während der Hamburger SV nach 55 Jahren erstmals und unter grossem Getöse aus der Fussball-Bundesliga absteigt. 

Nach dem 2:0-Sieg gegen Augsburg hielt es selbst Florian Niederlechner nicht mehr auf dem Rasen. Der treffsicherste Angreifer der vergangenen Saison hatte in dieser Spielzeit seit Herbst wegen eines Bruchs der Kniescheibe keine Minute mehr spielen können. Auf den Zaun vor der Nordkurve kletterte er trotzdem, um zusammen mit dem aktiven Personal und dem Trainerteam den Klassenerhalt des SC Freiburg zu feiern.

Den Tag über hatte noch eine spürbare Spannung über der Stadt gelegen – verbunden mit dem branchenüblichen Defätismus. Fans aller Vereine neigen ja im Abstiegskampf zu dem Glauben, dass ihrem und nur ihrem Team alles an Ungemach und Tölpelhaftigkeit zuzutrauen ist, was der Fussball hergibt. Im Falle des SCF hiess das: natürlich würde man zu Hause gegen Augsburg verlieren und falls es zu den Entscheidungsspielen gegen den Dritten der Zweiten Liga kommt, natürlich die Spiele auch noch vergeigen: «Relegation könne mer ned..»

Müssen sie schlussendlich gar nicht können, denn nach dem 2:0-Sieg gegen Augsburg wird sich der VfL Wolfsburg am Donnerstag und am Pfinstmontag in zwei Spielen mit Holstein Kiel herumschlagen müssen. Der Hamburger SV geht direkt in die Zweite Liga. Freiburg hingegen kann sich über Platz 15 und die Lizenz zu einer ausgiebigen Saison-Abschlussfeier freuen. 

Die begann unmittelbar nach dem Schlusspfiff, als die Spieler sich auf einer ausgedehnten Ehrenrunde feiern liessen und es sich auch Trainer Christian Streich nicht nehmen liess, kurz vor der Nordkurve zu jubeln. «Die Mannschaft ist extrem gut mit dem Druck umgegangen», freute er sich nach dem Spiel. «Und sie hat nach allen Niederschlägen in dieser Saison immer den Kopf oben behalten.» 

Streich hat in den vergangenen Wochen schon ein paar Mal durchblicken lassen, dass er den Klassenerhalt in dieser Saison für eine grössere Leistung hält als die Qualifikation für die Europa League im Jahr zuvor. Zu gross war der Aderlass im Sommer, zu gross waren die individuellen Defizite auf einigen Positionen und zu sehr war man vom Verletzungspech gebeutelt. Noch im März war es Streich schwergefallen, sich zwei Mannschaften vorzustellen, die am Ende der Saison hinter dem eigenen Team stehen könnten. Nun sind es drei.  

Über den Verlauf des 34. Spieltages redete dabei am Samstagabend niemand mehr in Freiburg. Der FC Augsburg hatte nach solider erster Halbzeit in der zweiten stark nachgelassen, die Tore von Nicolas Höfler (49.) und Tim Kleindienst (65.) reichten deshalb, um die Freiburger Feiergemeinde schon ein paar Minuten vor dem Schlusspfiff im beruhigenden Gefühl zu wiegen, dass nichts mehr passieren würde.

Im Hamburger Volksparkstadion gehen die letzten Augenblicke in der 1. Bundesliga in Schall und Rauch auf.

Polizei marschiert in Hamburg auf

Während durchs Schwarzwaldstadion eine Jubel-Welle schwappte, spielten sich zeitgleich am nördlichen Ende der Republik völlig konträre Szenen ab. Als sich in Hamburg der Abstieg des letzten Vereins abzeichnete, der seit Bundesliga-Gründung 1963 ununterbrochen in der ersten Liga spielte. Gut 200 der 57’000 Fans im Volksparkstadion nutzten das in den letzten Spielminuten zur Selbstinszenierung, zündeten schwarzen Rauch und liessen Böller detonieren. 

Für eine Viertelstunde musste die Partie unterbrochen werden. Nachdem die Polizei, die zwischenzeitlich mit einer Hundertschaft und Pferdestaffel aufmarschiert war, grünes Licht erteilt hatte, wurde für ein paar Sekunden wieder angepfiffen, ehe ein Abstieg feststand, den grosse Teile Fussball-Deutschlands mit Genugtuung registieren. 

Quittung für jahrelange Misswirtschaft beim HSV

Der HSV hat fast 80’000 Vereinsmitglieder und ist in Norddeutschland der grösste und populärste Verein, der auch in anderen Landesteilen viele Fanclubs hat. Wenn sein Abstieg dennoch landesweit in den Fussballkneipen bejubelt wurde, liegt das nicht an einer grundsätzlichen Antipathie, sondern an der jahrelangen Misswirtschaft der traditionell mit viel Geld um sich werfenden Hanseaten, die sich in den zurückliegenden Jahren zwei Mal in der Relegation noch hatten retten können. 

Mit ihrem Juniorentrainer Christian Titz als Chefcoach ging es zuletzt spielerisch bergauf, auch die Ergebnisse stimmten wieder. Christian Streich ist sich in Freiburg deshalb auch sicher, dass die Hanseaten «mit ihm und ihren finanziellen Möglichkeiten» nach nur einem Jahr in der Zweitklassigkeit sofort wieder aufsteigen werden. Ansonsten hielt sich auch sein Mitleid in Grenzen: «Wenn sie nicht abgestiegen wären, hätte es uns erwischt.»

Freiburg steht wie immer Aufbauarbeit bevor

Während rund ums Freiburger Stadion fässerweise das Freibier geleert wurde, gab es auch wehmütige Töne. Gleich sieben Spieler verabschiedete der Sportclub, darunter mit Julian Schuster den beliebten Kapitän der Mannschaft, der zehn Jahre lang beim SC spielte und tief verinnerlicht hat, was den Verein ausmacht. Der 33-Jährige soll künftig eine noch nicht näher definierte neue Aufgabe im Verein bekommen. 

Desweiteren gehen Rafal Gikiewicz, Patric Klandt, Bartosz Kapustka, Gaëtan Bussmann, Karim Guédé und Marc-Oliver Kempf. Ausserdem wird damit gerechnet, dass Çağlar Söyüncü, der ebenso talentierte wie unberechenbare türkische Innenverteidiger, für einen zweistelligen Millionenbetrag abgegeben wird. 

Es wird also wieder einmal Aufbauarbeit bevorstehen. Zum einen für den bald 53-jährigen Streich, der sein halbes Fussballleben beim Sportclub verbracht hat, und den diese Saison der Extreme erneut viel an Energie gekostet hat. Und zum anderen wartet Fussball-Freiburg darauf, dass es im Westen der Stadt endlich losgehen kann mit dem Baubeginn für das 76 Millionen Euro teure neuen Stadion, das spätestens zu Saisonbeginn 2019/20 bezogen werden soll.

Nächster Artikel