Das Wunder von Göteborg, ein grandioser französischer Sieg und eine französische Enttäuschung, die nie ganz überwunden wurde, Serbiens Erweckungserlebnis und das bisher einzige Finale mit Schweizer Beteiligung – ein Rückblick auf fünf bedeutende Endspiele der jüngeren Davis-Cup-Geschichte.
1988: Schweden vs. Deutschland 1:4
Das Wunder von Göteborg
1988 ist das Jahr, in dem Mats Wilander und Stefan Edberg die Tenniswelt fast nach Belieben dominieren. Wilander gewinnt drei der vier Grand Slam-Turniere, in Australien, Paris und New York. Und Edberg macht den kompletten schwedischen Major-Triumph mit dem Wimbledon-Titel perfekt. Und doch bleibt dem Duo der grosse finale Erfolg in jener Saison versagt, im denkwürdigen Davis Cup-Finale daheim gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Im damaligen Westteil Deutschlands gehört dieses Länderspiel-Wochenende zum unverzichtbaren Bestandteil der kollektiven Sporterinnerung, es blieb haften als «Wunder von Göteborg» – auch eine Reminiszenz an das «Wunder von Bern», das den Fussballern 1954 gelang. Der Held dieser aussergewöhnlichen Siegergeschichte ist ein gewisser Carl-Uwe Steeb, von allen nur «Charly» genannt, er holt am Eröffnungstag den vorentscheidenden 1:0-Punkt gegen den Weltranglisten-Ersten Wilander.
Edberg geht danach gegen Becker in drei Sätzen unter – und am Samstag ist der erstaunliche deutsche Auswärtssieg dann mit dem Doppelcoup von Becker/Eric Jelen gegen Edberg/Anders Järryd schon perfekt. Sieben Tage vor Weihnachten eine wahrlich schöne Bescherung.
1991: Frankreich vs. USA 3:1
Die Grande Nation grandios
Unter den neun französischen Davis Cup-Siegen ist er der vielleicht Spektakulärste und Unerwartetste, denn im Gerland Sports Palace zu Lyon treffen die Musketiere 1991 auf ein scheinbar unschlagbares US-Team – mit Pete Sampras, Andre Agassi und dem Weltklasse-Doppel Ken Flach und Robert Seguso.
Schon den 1:1-Zwischenstand am ersten Tag nehmen die Franzosen als grossen Zwischenerfolg, nach Guy Forgets Auftaktniederlage gegen Andre Agassi in vier Sätzen schafft Henri Leconte in der aufgeheizten Atmosphäre den Ausgleich gegen Pete Sampras – der Spassmacher spielt das Match seines Lebens. Zusammen besiegen Leconte und Forget am Samstag dann auch Flach und Seguso, eines der beherrschenden Tennis-Duos jener Jahre, im Doppel und bringen die Grande Nation so 2:1 in Führung.
Den heftigst umjubelten dritten Punkt besorgt dann Forget am Sonntag mit einem Vier-Satz-Sieg über Sampras – der Auftakt zu rauschenden, mehrtägigen Jubelfeiern der Franzosen. «Grandios», titelt L´Equipe» in dicksten Lettern über das nie für möglich gehaltene Erfolgserlebnis.
2002: Frankreich vs. Russland 2:3
Vom 2:0 zum 2:3 – das Trauma
Eine der schmerzlichsten Niederlagen in der französischen Davis Cup-Geschichte spielt sich im Endspiel des Jahres 2002 ab, im Pariser Palais Omnisports. Nach zwei Tagen dieser hart umkämpften Partie liegt Frankreich unerwartet mit 2:1 in Front, schliesslich bietet Russland damals ein Weltklasseteam mit den Einzelspielern Jewgeni Kafelnikow und Marat Safin auf. Doch Kafelnikow verliert schon am Freitag sein Einzel in glatten drei Sätzen gegen Sebastian Grosjean, für Frankreich ist das der 1:1-Ausgleich nach der Auftaktniederlage von Paul-Henri Mathieu gegen Safin.
Einen stundenlangen Abnutzungskampf gewinnen dann Nicolas Escude und Fabrice Santoro gegen Safin und Kafelnikow im Doppel – Vorteil Frankreich? Scheinbar schon. Doch am Ende läuft in der Pokalentscheidung alles aufs letzte Einzel zu, beim Stand von 2:2, nachdem Safin mit einem Erfolg gegen Grosjean zum 2:2 ausgeglichen hat. Mathieu gegen Kafelnikow-Vertreter Michael Juschni lautet diese Partie – und alles scheint klar für Frankreich, als Mathieu mit 2:0-Sätzen in Führung geht und für Feierstimmung in der Arena sorgt.
Zu früh allerdings freuen sich die Fans, denn Juschni legt einen unwiderstehlichen, für die Franzosen traumatischen Schlussspurt hin, tatsächlich gewinnt er die letzten Sätze allesamt noch mit 6:3, 7:5 und 6:4. «Es ist eine Enttäuschung, die ich bis heute nie ganz überwunden habe», sagt Mathieu.
«Eine Enttäuschung, die ich nie ganz überwunden habe» – Paul-Henri Mathieu (weisses Tenue, daneben Nicolas Escude) liegt 2002 mit 2:0-Sätzen im vierten, entscheidenden Einzel vorne – und verliert. (Bild: Imago)
2010: Serbien vs. Frankreich 3:2
Als die Serben wieder aufrecht gingen
Es ist eines der emotionalsten Finals, das am ersten Dezember-Wochenende vor vier Jahren über die Bühne geht. Denn Serbien bezieht aus seinem gefeierten Sieg in der Belgrad Arena, vor fast 20’000 Zuschauern, auch neuen Nationalstolz nach den Jahren internationaler Ächtung und Verbannung. «Es ist auch ein Sieg für die geschundene Volksseele gewesen», sagt Starspieler Novak Djokovic im Blick zurück, «die Leute hatten das Gefühl, sie können wieder aufrechter gehen.»
Das siegreiche, identitätsstifende Team wird von der Regierung zur Heldentruppe ausgerufen und, ganz nebenbei, auch noch mit Diplomatenpässen ausgestattet. Der Vater des Erfolgs ist Djokovic, der Mann, der es im Tour-Alltag geschafft hat, in die Phalanx der Supermänner Federer und Nadal einzubrechen. Auch im Davis Cup ist er nun ein ganz Grosser, zwei der drei Finalpunkte holt er gegen Gilles Simon und Gael Monfils. Auch das Doppel gewinnen die Serben Viktor Troicki und Nenad Zimonjic gegen Arnaud Clement, den heutigen Davis Cup-Chef Frankreichs, und Michael Llodra.
Kuriose Randnote: Als Berater des serbischen Teams fungiert der Kroate Niki Pilic, ein enger Vertrauer Djokovics. Pilic schafft damit auch das Kunststück, mit drei verschiedenen Teams den Davis Cup zu holen – mit Deutschland, mit Kroatien 2008 und nun auch mit Serbien.
Verewigt: Serbiens Erfolg 2010 war nach Jahren der internationalen Ächtung ein identitätsstiftendes Ereignis für das Land. (Bild: Keystone/Darko Vojinovic)
1992: USA vs. Schweiz 3:1
Die Fast-Sensation
Gut 1500 Schweizer Fans reisen vor 22 Jahren mit ins texanische Fort Worth, um das erste Davis Cup-Endspiel mit eidgenössischer Beteiligung live im Convention Center zu verfolgen. Ordentlich Stimmung machen die Anhänger dann auch, allerlei Kuhglockengebimmel hallt durch die Arena, und nach dem ersten Tag ist auch noch alles drin für das Team, das in erster Linie aus den Spitzenkräften Jakob Hlasek und Marc Rosset besteht.
Hlasek hat im Eröffnungseinzel gegen Wimbledonsieger Agassi, den neuen Superstar der USA, keine Chance, doch Rosset wächst im anderen Freitagsduell gegen den Weltranglisten-Ersten Jim Courier über sich hinaus und bezwingt den selbstgewissen Ami, der vor den ersten Ballwechseln behauptet hatte, sein Team werde kein einziges Spiel in diesem Finale verlieren.
Im Doppel fällt dann die Vorentscheidung – zuungunsten der Schweiz: Nach den Strapazen des Vortags können Hlasek und Rosset eine 2:0-Satzführung nicht verteidigen und verlieren noch über die volle Distanz gegen Pete Sampras und John McEnroe. Für den «Bad Boy» der Tenniswelt ist es das letzte Davis Cup-Match seiner Karriere, später wird er sogar noch einmal als Captain der Amerikaner arbeiten.
Mit Hlaseks Vier-Satz-Niederlage im Spitzeneinzel am Sonntag wird die Niederlage schliesslich besiegelt – ein ehrenvoller Auftritt bleibt es gleichwohl, bei dem die Schweizer dem haushohen Favorit USA viel mehr Schwierigkeiten bereiten als ihnen zugetraut worden war. «Wir haben viele Zweifel bei denen gesät», erinnert sich Rosset, der amtierende Olympiasieger damals, «fast hätte es sogar zur Sensation gereicht.» Aber leider nur fast.
Den US-Amerikanern mehr Schwierigkeiten bereitet, als erwartet: Jakob Hlasek (links) und Marc Rosset im Final von 1992 in Fort Worth. (Bild: Keystone)