Fussball und Äpfel

In Amriswil ist alles vorbereitet für ein grosses Fussballfest mit 5000 Zuschauern, wenn der FC Basel am Samstag (16.30 Uhr) zum Erstrundenmatch im Schweizer Cup antritt. Der FC Arlesheim macht das Spiel gegen den FC Chiasso zur gleichen Zeit zu einem Event im kleinen Rahmen.

Deshalb heisst das Thurgau auch «Mostindien»: Der Anbau von Tafelobst, hier: Äpfel. (Bild: Thurgau Tourismus )

In Amriswil ist alles vorbereitet für ein grosses Fussballfest mit 5000 Zuschauern, wenn der FC Basel am Samstag (16.00 Uhr) zum Erstrundenmatch im Schweizer Cup antritt. Der FC Arlesheim macht das Spiel gegen den FC Chiasso zur gleichen Zeit zu einem Event im kleinen Rahmen.

Auch für den FC Basel ist der Ausflug ins Oberthurgau am Samstag etwas Besonderes: Der FC Amriswil ist der 100. Gegner in der langen, bis auf 1925 und den ersten Cupmatch gegen Horgen (8:1) zurückgehenden Cupgeschichte.
Sportlich gesehen sollte der 2. Ligist – auch wenn der prima in die Saison gestartet ist und in der Ostschweiter Gruppe 2 ungeschlagen Tabellenführer ist – keine allzu grosse Herausforderung darstellen. Aber beim Titelverteidiger hat man sehr wohl registriert, welches Cupfieber in der 11’000-Einwohner-Stadt oberhalb von Romanshorn ausgebrochen ist.

Seit die Amriswiler am 17. August das grosse Los gezogen haben, wurde nichts unversucht gelassen, um eine grosse Sause vorzubereiten. Prunkstück ist der Sportplatz Tellenfeld, der zu einer kleinen Arena ausgebaut wurde. Mit Stahlrohrtribünen und der tatkräftigen Hilfe des Militärs wurden 1016 gedeckte Sitzplätze geschaffen und mit weiteren Zusatzrampen die Kapazität so erweitert, dass 4800 Zuschauer das Spiel verfolgen können. Die Sitzplätze waren innert einer Stunde vergriffen, und das Tellenfeld wird wohl ausverkauft sein und die Tageskassen geschlossen bleiben.

«Das wird ein schönes Ambiente, und wir freuen uns auf ein Fussball-Fest», sagt Heiko Vogel. Der FCB-Trainer hat den Gegner aus der Obstbauregion beobachten lassen und Videobilder gesichtet und hält das für nichts weiter als professionell. Der einzige, kleine Unterschied zur Vorbereitung wird sein, dass der FCB erst am Spieltag Richtung Bodensee aufbricht und auf dem Weg ein Tageshotel bezieht.

Der junge David FC Amriswil

Für Vogel stellt sich die übliche Erstrundenkonstellation von David gegen Goliath, «wobei es sich um einen sehr jungen David handelt», wie Vogel ausführt. Beim jüngsten 5:1-Sieg gegen den FC Fortuna SG, ein Heimspiel, dass bereits in der Kulisse der provisorischen Arena ausgetragen wurde, war kein Spieler des FC Amriswil älter als 24 Jahren.

Dazu zählt auch Gabriel Macedo, der Captain. Seit Anfang Jahr ist er Stadtschreiber in Rheineck, und für den Cupmatch hat er die Medienarbeit übernommen. «Ein schneller, technischer Fussball zeichnet uns aus», sagt Macedo und verweist darauf, das etliche Spieler des FC Amriswil eine Ausbildung bei Junioren-Spitzenteams wie dem FC St. Gallen, FC Zürich oder den Grasshoppers hinter sich hätten. «Wir machen, was wir können. Vor so einer Kulisse hat allerdings noch fast keiner von uns gespielt», so Macedo, der selbst ein viel gefragter Interviewpartner in den letzten Tagen war, etwa bei «Radio Top» oder bei «sport-fan.ch».

Eine gewisse Qualität ist auch Heiko Vogel nicht verborgen geblieben. «Mir imponiert, wie sie nach Ballverlust vorne drauf gehen.» Was dem Basler Coach ausserdem gefällt, sind die Ziele, die Amriswils Trainer Olaf Sager ausgegeben hat: «Wir gehen ins Spiel, um zu gewinnen.» Assistiert wird Sager übrigens von Hanjo Weller, einem Norddeutschen mit Vergangenheit als Spieler in Bundesliga und Nationalliga A beim FC Zürich und bei Xamax. Danach trainierte der heute 66-Jährige in Baden, Wohlen, Vaduz, beim  FCZ und bei GC vornehmlich im Juniorenbereich.

Vor vier Jahren knapp an Schaffhausen gescheitert

Der FC Amriswil freut sich nicht nur auf ein Fussballfest, er will es auch auf dem Platz zu einem Erlebnis machen. So wie vor vier Jahren, als der FC Schaffhausen erst im Elfmeterschiessen eine Runde weiter kam. Speziell vorbereitet auf die Partie gegen den grossen Gegner haben sich die Amriswiler nicht. «Der Mensch ist ein Gewohnheitstier», sagt Macedo, und Videos vom FCB anzuschauen oder ihn gar eigenes unter die Lupe zu nehmen, davon hält der Captain auch wenig: «Das nützt nicht viel.»

Nach vier Spielen ohne Sieg, nach 14 Tagen Länderspielpause und vor der nächsten Tranche an englischen Wochen, die mit dem Auswärtsspiel am Donnerstag in Lissabon beginnt, kommt Vogel der Cupmatch bei einem sechstklassigen Gegner nicht ungelegen. Grossartig an den taktischen Stellschrauben konnte er in den zurückliegenden zwei Wochen nicht drehen, da mehr als ein Drittel des Kaders an Nationalmannschaften abgestellt war.

Dennoch sei intensiv trainiert worden, und Vogel hat die Zeit unter anderem dazu genutzt, Einzelgespräche zu führen. Von einem «Neustart» will der Trainer nichts hören. «Es war zu gut, was wir gespielt haben, als dass man das nun alles ad acta legen müsste», sagt Vogel, spricht aber auch von einer  «Hypothek», die man sich in der Super League eingehandelt habe. Sprich: die fünf Punkte Rückstand zur Tabellenspitze.

Diaz und Park bleiben zuhause

Fehlen werden am Wochenende die nach wie vor verletzten Gilles Yapi (im Aufbau nach seiner Muskelverletzung am Knie) und Stjepan Vuleta. Marceo Diaz und Joo Ho Park machen, nachdem sie am Donnerstag müde von halben Weltreisen mit ihren Nationalteams wieder zur FCB-Mannschaft gestossen sind, den Ausflug nach Amriswil nicht mit. Offen lässt Vogel, ob Mohamed Salah dabei ist, denkbar ist auch, dass einer der beiden nominellen Stürmer, Alex Frei oder Marco Streller, geschont wird.

Wie auch immer: Eine Erstrundenniederlage widerfuhr dem FCB zuletzt 1998/99, als bei Stade Nyonnais gleich Schluss war (2:2 und 2:4 nach Penaltyschiessen). FCB-Trainer war damals Guy Mathez; Nyon spielte seinerzeit Nationalliga B. Als Nationalliga-A-Verein  ist es lange her, dass sich der FCB einen Fehltritt gegen einen unterklassigen Gegner leistete: Dem Lokalrivalen FC Concordia, damals drittklassig, unterlag er 1960 in der ersten Runde mit 1:2.

  • Der lokale Fernsehsender «Tele D» aus Diessenhofen überträgt die Partie aus Amriswil live. Einen Livestream im Internet gibt es davon nicht. Nach Auskunft der Fernsehmacher sollen die Bilder im Laufe des Sonntags auf der Website zur Verfügung stehen.
  • Bereits am Dienstag bestreiten die Amriswiler ihren nächsten Cupmatch auf regionaler Ebene und zwar beim FC Rebstein. Dies erfüllt FCB-Mediensprecher Josef Zindel mit einer gewissen Vorfreude, stammt er doch aus dem idyllischen Ort im Rheintal.
  • Übersicht der 1. Runde im Schweizer Cup 2012/13.
  • Die Auslosung der Sechzehntelfinals findet am Montag statt.

Der FC Arlesheim freut sich Chiasso

So ein Los wie der FC Amriswil hätte der FC Arlesheim auch gerne gehabt. Es ist der FC Chiasso aus der Challenge League geworden, was sportlich für den noch sieglos dastehenden Zweitligisten eine sehr hohe Hürde darstellt, vom Organisationsaufwand aber überschaubar ist, vor allem, was die Sicherheit anbelangt.

Mit 500 bis – im optimistischen Fall – 1000 Zuschauer auf dem Sportplatz In der Widen rechnen die Arlesheimer am Samstag um 16.00 Uhr und ihr Vizepräsident und Sportchef Flurin Lutz freut sich auf «einen Event im kleinen Rahmen». Aus Chiasso, so hat er sich sagen lassen, wird sogar mit der Anreise von 200 bis 300 Fans gerechnet.

«Sportlich besteht natürlich inzwischen eine Riesendifferenz zwischen der sechstklassigen 2. Liga und der Challenge League», sagt Lutz und macht sich keine Illusionen: «Wir wollen Teamgeist und Engagement ins Spiel einbringen.»

Ein prominenter Arlesheimer kann am Samstag nicht dabei sein: Benjamin Huggel hat als Assistenztrainer der FCB U21 selbst ein Spiel (15.00 Uhr, Rankhof gegen FC St. Gallen U21). Huggel kann noch ein Lied singen vom letzten Cup-Highlight in Arlesheim: Im März 1997 gastierte Lausanne Sport im Basler Vorort beim FC Arlesheim mit Benjamin Huggel.

Es war die letzte Saison, ehe er vom FC Basel entdeckt und dort als 21-Jähriger zum Profi wurde. Was Huggel heute noch wie aus der Pistole geschossen aufzählen kann, sind die Lausanner Namen: Brunner im Tor, Hänzi, Celestini, Ohrel, Rehn, Sané – und Trainer war Georges Bregy. An was er sich auch noch gut erinnert: «Es stand 20 Minuten null zu null.» Am Ende hiess es 0:11 gegen ein turmhoch überlegenes Lausanne.

Ausserdem im Cup-Einsatz sind die Black Stars, die am Samstag (18.00 Uhr) beim FC Ibach antreten, und der SV Muttenz, der am Sonntag beim FC Linth 04 spielt. Beide Gegner spielen eine Klasse tiefer in der 2. Liga interregional.

 

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