Am Einladungsturnier in Abu Dhabi hatten Novak Djokovic und sein neuer Trainer Boris Becker ihren ersten gemeinsamen Auftritt. Djokovic gewann gegen Jo-Wilfried Tsonga. Und ermöglichte seinem Coach so einen gelungenen Einstand. Doch grosse Aufgaben warten auf die beiden.
Dass sich die Tenniswelt noch an den Trainernovizen Boris Becker gewöhnen muss, bekamen die Fans und TV-Zuschauer des Einladungsturniers von Abu Dhabi am Freitagabend buchstäblich vor Augen geführt. Der halbe erste Satz der Partie zwischen dem französischen Ali-Double Jo-Wilfried Tsonga und Beckers Schützling Novak Djokovic war bereits verstrichen, als die Kameraleute den alten Meister endlich auf einer der Tribünen des Zayed Sports City-Komplexes erspäht hatten.
Das war dann auch der Zeitpunkt, zu dem Becker bei der zeitgleichen Übertragung der Bilder auf eine Stadionleinwand ein paar Beifallsbekundungen und «Boris»-Rufe vom Tennisvolk erntete.
Becker konnte freilich durchaus zufrieden sein mit diesem kleinen Missgeschick, das ihn davor bewahrte, nicht gleich als ein ins Rampenlicht drängelnder Mann wahrgenommen zu werden, der womöglich doch wichtiger als sein Klient aus der Superstar-Etage der Profitour sei.
Gelungener Start
Und auch abseits dieser nicht ganz unwichtigen, heute und in absehbarer Zukunft scharf beobachteten Details war dieser Tag ein guter Tag für den Mann aus der Vergangenheit, der seine Zukunft auch wieder im Tennis sieht: Denn als die ersten, noch nicht offiziellen Ballwechsel der neuen Saison im alten Jahr schliesslich abgerechnet waren, stand auf der Anzeigetafel ein 7:6, 6:3-Sieg Djokovics gegen den bulligen Gallier festgeschrieben – und damit auch ein gelungener Start in eine neue Djoker-Ära mit dem Begleiter Becker.
«Ich bin natürlich froh über diesen Sieg», sagte Becker hinterher, «es ist schöner, so zu beginnen.» Im Endspiel des Schaukampfs trifft Djokovic an diesem Samstag überraschend auf den Spanier David Ferrer, der seinen Freund, den Nummer 1-Mann Rafael Nadal, mit 6:4 und 6:4 bezwungen hatte.
Als ob er der Tenniswelt beweisen wollte, wie motiviert und engagiert er seine neue Aufgabe und Herausforderung anzugehen gedenkt, hatte der ganz in Schwarz gedresste Becker schon bei diesem Halbfinalduell der beiden Spanier auf dem Centre Court eine konzentrierte Wächterposition eingenommen. «Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig», hatte er zuvor an diesem Freitag und Feier-Tag in den Emiraten angekündigt und sich auch zum ersten Mal öffentlich auf dem Trainingsgelände mit Djokovic aufgehalten. Djokovis bisheriger Coach Marijan Vajda gehörte dabei noch nicht zur Entourage.
Die Chemie stimmt
Becker, der «Man in black», und Djokovic machten als frische Verbündete einen äusserst lockeren und entspannten Endruck, der ehemalige Star gab dem aktuellen Star auch nur einige dezente Hinweise, verschaffte sich ansonsten eher einen Stimmungseindruck im Camp des Serben. «Ich spüre, dass wir eine Gewinner-Kombination sein können», sagte Djokovic später, «die Chemie zwischen uns stimmt.»
Was er von Becker zuallererst und zuallerletzt erwartet, umschrieb Djokovic so: «Im Tennis an der Spitze sind es ein, zwei Prozent, die auf Tagesbasis den Unterschied zwischen Topleuten ausmachen. Alle sind extrem dicht beieinander», so der 26-jährige, «und die Partnerschaft mit einem Mann wie Boris wird mir da eine wichtige Hilfe sein.»
Becker wisse ja nur zu gut, befand Djokovic, «was man tun muss, um bei einem Grand Slam erfolgreich zu sein. Er hat alles Dutzende Male erlebt, er weiss auch ziemlich gut, wie ich ticke.»
«Offensivere Note»
Djokovic geht immerhin mit kräftigem Rückenwind und nicht zuletzt als ATP-Weltmeister in eine neue Saison, die eine noch bessere Saison als die schon sehr gute alte Saison werden soll. «Novak will vor allem von der Erfahrung profitieren, die ich in den grossen Matches meiner Karriere gesammelt habe», sagt Becker, «es geht entscheidend darum, wie man sich bei Big Points in einem Spiel verhält, wie man die Handlungen des Gegners liest.
Er sehe in Djokovic einen Perfektionisten, so Becker, «der sich eben nicht mit den schon grossartigen Erfolgen der vergangenen Jahre zufrieden gibt.» Im übrigen habe er im Herbst und in der zurückliegenden Hallensaison schon beobachtet, dass Djokovic eine «offensivere Note» in sein Spiel gebracht habe und noch öfters selbst die Entscheidung suche.
Grosse Ziele, grosser Druck
Ruhig und gelassen verfolgte Becker in der hereinbrechenden Dunkelheit das erste Spiel von Djokovic, des Mannes also, der nun mit ihm erstaunlicherweise gemeinsame Sache auf den Tenniscourts der Welt macht. Djokovic will und muss in dieser Saison schnell auf Touren kommen, um nicht früh grosse Ziele des Tennisjahres aus den Augen zu verlieren – dazu gehört die Rückeroberung des Nummer 1-Platzes, den er kurz vor Saisonende 2013 an den mallorquinischen Matador Rafael Nadal verloren hatte. Dazu gehört die erfolgreiche Titelverteidigung bei den Australian Open, die schon in gut zwei Wochen in Melbourne beginnen.
Und dazu gehört auch und besonders der Saisonabschnitt zwischen Ende Mai und Anfang Juli, in dem die Majors in Paris und London entschieden werden. Die Niederlagen dort in der letzten Saison hatten Djokovic an eine personelle Veränderung in seinem keineswegs kleinen Betreuerteam denken lassen – ganz nach Andy Murrays Vorbild-Allianz mit Ivan Lendl, die zum Sieg auf dem Heiligen Rasen führte. «Ich suchte einen legendären Ex-Profi, einen Mann, den ich selbst als Spieler liebte. Auch das war Boris», sagt Djokovic.