Geschichte in Bormio schreiben die anderen

Der Italiener Dominik Paris und Hannes Reichelt aus Österreich als zeitgleiche Sieger von Bormio, 0,01 Sekunden dahinter der Weltcup-Führende Aksel Lund Svindal (Norwegen) und eine weitere Hundertstelsekunde zurück der Österreicher Klaus Kröll – noch nie in der Geschichte des Weltcups gab es in einer Abfahrt eine so knappe Entscheidung. Das Schweizer Abschneiden war erneut debakulös.

From left, Austria's Hannes Reichelt, Italy's Dominik Paris, winners, and third placed Aksel Lund Svindal of Norway celebrate on the podium of an alpine ski, men's World Cup downhill, in Bormio, Italy, Saturday, Dec. 29, 2012. Reichelt and Paris shared th (Bild: Alessandro Trovati)

Der Italiener Dominik Paris und Hannes Reichelt aus Österreich als zeitgleiche Sieger von Bormio, 0,01 Sekunden dahinter der Weltcup-Führende Aksel Lund Svindal (Norwegen) und eine weitere Hundertstelsekunde zurück der Österreicher Klaus Kröll – noch nie in der Geschichte des Weltcups gab es in einer Abfahrt eine so knappe Entscheidung. Das Schweizer Abschneiden war erneut debakulös.

An den schönen, den aufregenden Geschichten des Skiwinters schreiben alle anderen mit – nur nicht die Schweizer Skifahrer. Nach der Anfahrt von Bormio weiss man nicht, ob das Speed-Team noch weiter in die Krise geschlittert ist oder nur auf einem historischen Tief verweilt.

Das weitere Programm
Di, 2.1. Parallelslalom, München (17.45 Uhr)
So, 6.1. Slalom, Zagreb (10.45/14.00 Uhr)

Die einzige Hoffnung im Schweizer Lager, der Trainingszehnte Didier Défago, stürzte sich mit Startnummer 8 die Pista Selvio hinunter, eine der anspruchsvollsten Strecken des Weltcups, die in diesem Jahr im verschneiten Valtellina faire Bedingungen anbot. Défago, an dieser Stelle Vorjahressieger, wählte an einer Schlüsselstelle, der Einfahrt zur Carcentina-Traverse, eine eigenwillige Linie – und pokerte zu hoch. Schon zur Hälfte der Strecke lag er aussichtslos zurück.

Schallende Ohrfeige für die Schweizer

Die Plätze 20 für Défago (1,87 Sekunden zurück) und 23 für Silvan Zurbriggen (2,04) sind eine weitere schallende Ohrfeige für das orientierungslos wirkende Team von Swiss Ski. Akzeptabel ist das Abschneiden von Talent Nils Mani mit Rang 27. Marc Gisin, Ralph Weber und der Sarganserländer Weltcup-Debütant Fernando Schmed schieden aus.

Während die Schweizer bei besten äusseren Verhältnissen und Sonnenschein hinterher rutschten und erneut schwer geschlagen wurden, lieferten sich die Besten ein noch nie dagewesenes Wimpernschlagfinale. Zeitgleiche Sieger hat es zwar schon gegeben, vier Fahrer innert 0,02 Sekunden seit 1967 und dem ersten Weltcup-Rennen aber noch nie.

Wer fühlt sich hier wie ein «Depp»?

Für den Südtiroler Dominik Paris war es sogar der erste Weltcupsieg überhaupt, für Hannes Reichelt der erste in der Abfahrt nach vier Siegen im Super G und zwei im Riesenslalom. Die Fahrt auf der 3,27 Kilometer langen Stelvio, von denen, die sie schon einmal bezwungen haben auch «Bestie» genannt, bezeichnete Reichelt als einen «Höllenritt».

Aksel Lund Svindal, der grippegeschwächt gestartet war und auf das letzte Training verzichtet hatte, glaubte mit Blick auf die Anzeigetafel zuänchst an einen Fehler. Und Kröll, nach Trainingsbestzeit der Favorit, fühlte sich knapp neben dem Podest «ein bisschen wie der Depp vom Tag». Doch da irrt er – da fühlen andere noch ganz anders. Ausserdem beendete Reichelt, der 32-Jährige aus Altenmarkt die Durststrecke der österreichischen Speedfahrer mit dem ersten Saisonerfolg.

Die Chronik der knappen Entscheidungen

Zwei Sieger in einem Rennen hatte es bei den Männern bereits mehrfach gegeben, der Drittplatzierte mit dem geringsten Rückstand war bislang am 2. März 2012 Kjetil Jansrud (Norwegen) im Super-G in Kvitfjell/Norwegen gewesen. Er lag drei Hundertstelsekunden hinter dem Schweizer Beat Feuz und Kröll.

Bei den Frauen hat es dagegen schon zwei Rennen mit je drei Siegerinnen gegeben. Beim Riesenslalom 2002 in Sölden/Österreich standen Tina Maze (Slowenien), Nicole Hosp (Österreich) und Andrine Flemmen (Norwegen) auf Rang eins.

Zeitgleiche Siegerinnen waren im März 2006 beim Super-G in Hafjell/Norwegen auch Michaela Dorfmeister (Österreich), Lindsey Kildow (heute Vonn/USA) und Nadia Styger (Schweiz). Vierte war damals Kelly Vanderbeek (Kanada) – mit einer Hundertstelsekunde Rückstand, nur weitere vier Hunderstelsekunden zurück lag Lucia Recchia (Italien).

Eine Übersicht über die knappsten Entscheidungen im Skirennsport.

Weltcup-Abfahrt der Männer in Bormio, Italien
Schlussklassement: 1. Dominik Paris (It) und Hannes Reichelt (Ö) je 1:58,62. 3. Aksel Lund Svindal (No) 0,01 zurück. 4. Klaus Kröll (Ö) 0,02. 5. Johan Clarey (Fr) 0,32. 6. Werner Heel (It) 0,42. 7. Travis Ganong (USA) 0,49. 8. Romed Baumann (Ö) 0,66. 9. Christof Innerhofer (It) 0,67. 10. Adrien Théaux (Fr) 0,70. 11. Stephan Keppler (De) und Peter Fill (It) je 0,99. 13. David Poisson (Fr) 1,15. 14. Andreas Romar (Fi) 1,19. 15. Benjamin Thomsen (Ka) 1,25. 16. Brice Roger (Fr) 1,35. 17. Jan Hudec (Ka) 1,48. 18. Manuel Osborne-Paradis (Ka) 1,51. 19. Guillermo Fayed (Fr) 1,52. 20. Didier Défago (Sz) 1,87. – Ferner: 23. Silvan Zurbriggen (Sz) 2,04. 24. Erik Guay (Ka) 2,06. 26. Steven Nyman (USA) 2,17. 27. Nils Mani (Sz) 2,18. 29. Patrick Küng (Sz) 2,33. – Ohne Weltcup-Punkte: 38. Christian Spescha (Sz) 3,44. – Ausgeschieden u.a.: Marc Gisin (Sz), Ralph Weber (Sz), Fernando Schmed (Sz), Georg Streitberger (Ö), Matthias Mayer (Ö), Andrej Sporn (Sln), Joachim Puchner (Ö).

Stand im Abfahrts-Weltcup

Weltcup-Gesamtwertung der Männer
Rang Name Punkte
1. Aksel Lund Svindal (No) 674
2. Marcel Hirscher (Ö) 560
3. Ted Ligety (USA) 537
4. Kjetil Jansrud (No) 322
5. Felix Neureuther (De) 296
6. Hannes Reichelt (Ö) 289
7. Manfred Mölgg (It) 281
8. Werner Heel (It) 241
9. Dominik Paris (It) 215
10. Matteo Marsaglia (It) 209
11. André Myhrer (Sd) 204
12. Klaus Kröll (Ö) 201
  Johan Clarey (Fr) 201
14. Alexis Pinturault (Fr) 196
15. Adrien Théaux (Fr) 193
16. Erik Guay (Ka) 189
17. Christof Innerhofer (It) 180
18. Ivica Kostelic (Kro) 168
19. Matthias Mayer (Ö) 161
20. Joachim Puchner (Ö) 159
21. Thomas Fanara (Fr) 146
22. Fritz Dopfer (De) 136
23. Florian Scheiber (Ö) 115
24. Max Franz (Ö) 112
25. Didier Défago (Sz) 109
26. Georg Streitberger (Ö) 108
  Peter Fill (It) 108
  Benjamin Raich (Ö) 108
29. Steven Nyman (USA) 107
30. Jens Byggmark (Sd) 105
  Davide Simoncelli (It) 105
49. Markus Vogel (Sz) 67
53. Patrick Küng (Sz) 58
60. Carlo Janka (Sz) 44
62. Silvan Zurbriggen (Sz) 43
109. Marc Gini (Sz) 8
112. Vitus Lüönd (Sz) 7
114. Sandro Viletta (Sz) 6
119. Nils Mani (Sz) 4
121. Reto Schmidiger (Sz) 3

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