Der FC Basel gewinnt beim Chelsea FC nach Toren von Mohamed Salah und Marco Streller mit 2:1 (0:1) – das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Sensation zum Auftakt der Champions League. Es ist der erste Sieg des FCB auf der Insel.
Wahrscheinlich überrascht sich der FC Basel selbst noch hin und wieder. Seine Fans sind es jedenfalls. Sie waren aus dem Häuschen am Mittwochabend nach einem historischen Erfolg. Das 2:1 beim Chelsea FC bedeutet den ersten Auswärtssieg im Europacup in England.
Es ist nach etlichen Achtungserfolgen auf der Insel, Unentschieden in Liverpool, Manchester und zuletzt bei Tottenham in der Europa-League-Kampagne des Frühjahrs, nichts weiter als eine Sensation, die dem Schweizer Meister da gelungen ist.
Und wie. Der FCB war in Rücklage geraten, kurz vor dem Pausenpfiff, in seinem einzigen schwachen Moment einer kontrolliert geführten ersten Halbzeit, die kaum Aufreger bot. Vor allem keine, die von den hochkarätig besetzten Gastgebern kreiert worden wären.
Chelseas Zynismus
Chelsea spielte unter dem neuen Trainer José Mourinho so, wie es früher spielte, auch beim ersten Engagement des Portugiesen an der Stamford Bridge: Mit einem Zug Zynismus einer Mannschaft, die sich ihrer individuellen Qualitäten gewiss ist. Sie wartet auf Fehler des Gegners, so wie es Chelsea im Frühjahr auch unter Raphael Benitez in den Europa-League-Halbfinals gegen den gleichen Gegner getan hatte.
Ein tiefer Pass von David Luiz reichte, um Unordnung zu schaffen, Frank Lampard, von Fabian Frei allein gelassen und von Giovanni Sio nicht rechtzeitig aufgenommen, konnte in aller Gemütsruhe zu Oscar durchstecken, und der fackelte nicht lange und zeigte bei seinem Rechtsschuss ins lange Eck, warum er zu den Hoffnungen des brasilianischen Fussballs zählt.
«Nicht einfach wegzustecken»
Ohne bei hohem Ballbesitz und Dominanz wirklich Druck aufbauen zu können, war Chelsea zu dieser Führung gekommen. Ein ärgerlicher Gegentreffer aus Basler Sicht, der dem Gegner in die Karten zu spielen schien. «Das war nicht einfach wegzustecken», räumte Marco Streller später ein, «aber ich habe an unsere Qualitäten geglaubt und eine Mannschaft, die das auch umsetzen kann.»
Nach Wiederbeginn deutete zunächst nichts auf eine Wende hin. Chelsea kam nun zu den Chancen, die die Londoner im ersten Durchgang gesucht hatten. Oscars Lattenschuss war der heikelste Moment, dazu kam ein Abschluss von Eden Hazard aus aussichtsreicher Position, der sein Ziel verfehlte.
Die Einwechslung Delgados
Und dann wechselte Murat Yakin Matias Delgado ein. Den Mann, der nach seiner Rückkehr zum FCB schon die ersten Geschichten generiert hat, in denen geunkt wurde, dass sich dieser Transfer als Fehleinschätzung entpuppen könnte. Auf der grossen Bühne der Champions League aber zelebrierte Delgado das, was man sich von ihm erhofft hat: Ballsicherheit, Ballgefühl und das Auge für die Situation.
Der Ausgleich ist ein Tor für Youtube. Eine reine Augenweide, wie der FCB nach Balleroberung aus der eigenen Hälfte heraus kombiniert. Fast alle Spieler sind an diesem Angriff beteiligt. Fabian Frei löst schliesslich an der Mittellinie aus, Behrang Safari stösst am linken Flügel vor, spielt den Ball ins Zentrum zu Diaz, wo es für Chelsea zu schnell geht: Delgado, Streller – und dann ist Salah blank gespielt.
Der Ägypter, in der ersten Halbzeit noch gescheitert bei einem der etlichen guten, meist von Valentin Stocker dirigierten Gegenstössen, behält diesmal die Nerven, zirkelt den Ball mit dem linken Fuss an Ashley Cole und Petr Cech vorbei ins lange Eck. «Eine Saukiste», sagt Marco Streller über dieses Tor.
Konsternierter Gegner, mutige Basler
Der Ausgleich bewirkte zweierlei: Konsternation bei den Gastgebern, die doch noch eben drauf und dran waren, den Sack zuzumachen. Und neuen Mut bei den Gästen. Der FCB, und das ist vielleicht die herausragenste Qualität dieser Mannschaft, gab sich keineswegs mit dem Ausgleich zufrieden. Dabei wäre das 1:1 ein weiteres vielbeachtetes Resultat gewesen.
Nein, dieser FCB suchte den Sieg, so wie vor zwei Jahren in Manchester, als er von einem 0:2 zurückgekommen war und plötzlich 3:2 vorne lag. Diesmal ist es ein Corner. Delgado schnippelt den Ball auf den ersten Pfosten, wo Branislav Ivanovic sowie Gary Cahill und Samuel Eto’o als Verstärkung gegen Streller eingeteilt sind.
Streller findet die Lücke
Ivanovic ist jener Spieler, der das Europa-Lague-Endspiel mit seinem späten Kopfballtor entschieden hat. Und Chelsea ist die Mannschaft, die bei Eckbällen keinen Spieler am ersten Pfosten zur Absicherung stehen hat. Streller läuft der Eckballhereingabe von Delgado entgegen und lenkt den Ball mit der Stirn aufs Tor, genau in jene kleine Lücke, in die das zwischen Pfosten und Goalie Cech möglich ist. Präziser geht es nicht. Es ist Strellers 20. Tor im 61. Europacupspiel, eines, dass er sich einrahmen lassen kann.
Im Gegensatz zu Old Trafford, wo der FCB in der Nachspielzeit noch das 3:3 kassierte, lässt sich diese Mannschaft den Sieg nicht mehr entreissen. Mourinho wirft zwei zusätzliche Offensive von seiner mit Millionentransfers besetzten Ersatzbank ins Rennen, und Murat Yakin wechselt Taulant Xhaka und Arlind Ajeti ein. Sie helfen, den Vorsprung über die Zeit zu bringen. Nach 13 Europacup-Heimspielen (11 Siege, zwei Remis) ist es die erste Heimniederlage für Chelsea.
Ein Erfolg für die Geschichtsbücher
Für den FC Basel ist ein 2:1-Erfolg, der in die Geschichtsbücher Eingang findet. Eine Leistung auch, die dem FCB Schub geben wird, wie immer zu einer Jahreszeit, in der er in jüngsten Vergangenheit stets parat war, um Meriten zu verdienen. Der Sieg wird Aufwind in der nationalen Meisterschaft verleihen, wo es am Sonntag nach Sion geht. Und in der Champions League ist der FC Schalke 04 der erste Gast in Basel. Es wird am 1. Oktober das Spiel des Gruppenersten gegen den Zweiten sein. Besser hätte es wahrlich nicht kommen können.
«Jeder hat wie ein Löwe gekämpft», sagte Marco Streller überglücklich nach dem Spiel ins Fernsehmikrofon. «Wir geniessen den Moment, bleiben aber bescheiden», sagte Murat Yakin und freute sich über den gelungenen Schachzug mit Delgado.
Für Mourinho war es keine Überraschung
Sein prominenter Widerpart war «natürlich enttäuscht». José Mourinho hatte schwer zu knabbern an dieser Niederlage, meinte, seine Mannschaft habe es nicht verdient gehabt, das Spiel zu gewinnen, «aber sie hat es auch nicht verdient zu verlieren. Aber eine Überraschung ist es nicht. Basel hat Manchester geschlagen, Tottenham ausgeschaltet». Das 1:2 sei schwer zu akzeptieren, sagte der Portugiese, dem in London nach der zweiten Niederlage in Folge in den nächsten Tagen ein kühler Wind entgegen wehen wird. «
«Wir sind stark genug, um in den nächsten fünf Spielen die nötigen Punkte zu holen, um weiterzukommen», sagte er noch. Der FCB dagegen hat schon einmal drei auf dem Konto, eine Ausgangslage in Gruppe E, die ein Fortkommen in dieser Champions League durchaus realistisch erscheinen lässt.