Nach Granit Xhaka hat sich Borussia Mönchengladbach mit Yann Sommer das nächste Juwel aus dem Fundus des FC Basel erworben. Sportdirektor Max Eberl sagt, vor fünf Jahren hätte sich Gladbach gar keine FCB-Spieler leisten können – und lobt das Basler Modell.
Es ist eine Schweizer Woche geworden für die Gladbacher Bundesligisten. Erst wurde Goalie Yann Sommer vom FC Basel als Nachfolger für Marc-André ter Stegen verpflichtet, den man ab Juli in Barcelona erwartet. Dann wurde die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Trainer Lucien Favre bekannt gegeben. Zwei Gewinnmeldungen in komplizierter Lage: Zum Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund reisen die «Fohlen» am Samstag mit einer Serie von neun Pflichtspielen ohne Sieg an. Warum er dennoch weiter an die Mannschaft glaubt, wie er in Basel verhandelt hat und seinen neuen Keeper sieht, erklärt Borussias Sportdirektor Max Eberl im Interview.
Herr Eberl, Sie haben den Vertrag mit Lucien Favre in einer bewegten Zeit verlängert, gerade als die Ersten an seinem nachhaltigen Erfolg zu zweifeln beginnen. Wollten Sie damit bewusst einen Kontrapunkt setzen?
Strategische Entscheidungen in einem solchen Verein dürfen nach meiner Ansicht nicht komplett der aktuellen Lage folgen. Wenn man die Arbeit von Lucien Favre insgesamt nimmt, ist es nur selbstverständlich, dass der Vertrag mit so einem wichtigen Bestandteil des Erfolgs verlängert wird. Wir haben das in dieser Woche bekannt gegeben, weil der Vertrag nun unterschrieben wurde und wir damit nicht hinterm Berg halten wollen.
Was ist das Besondere, vielleicht Einmalige an diesem Trainer ?
Lucien beschäftigt sich in einer unglaublich intensiven Art mit dem Fussball. Deswegen benötigt er zwischen den Saisons wie in der Winterpause auch mal zwei, drei Wochen, um Abstand zu kriegen. Er ist auch in der jetzigen Phase sehr ruhig, sehr analytisch, und weiss genau, was zu tun ist. Man sieht, dass er einen Plan hat und sich die Mannschaft sukzessive entwickelt.
Stimmt es, dass Sie in den Spielpausen manchmal über Wochen keinen Kontakt miteinander pflegen?
Gar kein Kontakt wäre übertrieben. Wir besprechen uns sehr intensiv vor solchen Pausen. Und manchmal reise ich zu ihm nach Hause, in die Nähe von Yverdon, wo wir die Dinge abgeschieden von den Stadien etwas entspannter analysieren. Es ist immer wieder schön, den Montblanc von seinem Haus aus in der Sonne glänzen zu sehen.
Sind das auch Schweizer Tugenden – dieses Unaufgeregte, Sachliche?
Wenn ich an den Präsidenten des FC Sion denke, der in der Saison fünf Trainer entlässt, habe ich da meine Bedenken. Jeder hat seinen eigenen Stil, deshalb möchte ich das nicht pauschal beurteilen.
Sie haben vor einigen Wochen den Begriff «Leistungsdelle» für die aktuelle Situation der Mannschaft eingeführt. Gilt diese Sichtweise auch nach dem 1:2 gegen den FC Augsburg noch, oder ist es inzwischen mehr?
Ich bin auch einverstanden mit «Ergebniskrise». Krise allein bedeutete für mich, dass eine Mannschaft chancenlos ist und in den totalen Abgrund rutscht. Diesen Eindruck kann man von der Borussia definitiv nicht haben. Im letzten Spiel hätte die Mannschaft das Gespür haben müssen, dass die Augsburger in der zweiten Hälfte besser waren und man den einen Punkt dankend annehmen sollte. Stattdessen ist sie in ihrer Naivität nach vorne gerannt und hat das Spiel ganz verloren.
Wie erlebt man so eine Phase als Sportdirektor auf der Bank? Zehrt das nicht gehörig an den Nerven?
Man ist getrieben, das habe ich gegen Augsburg gespürt. Wenn man nicht gewinnt, hört man jeden Tag, jede Woche: Ja, wenn jetzt nicht, wann dann? Wir dürfen uns aber nicht treiben lassen und müssen an das glauben, was wir können. Das wird am Ende dazu führen, dass wir wieder Spiele gewinnen.
Immerhin gab es zuletzt Pfiffe und Unmutsbekundungen gegen einzelne Spieler. Ist das noch relativ harmlos oder schon beunruhigend?
Wenn du deine Heimspiele nicht gewinnst, musst du dich dem stellen, das gehört dazu. Es war ja auch nur ein kleiner Teil der Fans. Der Grossteil hat Jahre und Jahrzehnte erlebt, in denen Gladbach durch ganz andere Krisen ging – jetzt sage ich das Wort doch. Wir reden über einen Verein, der sich immer noch im Rahmen der vor der Saison entstandenen Erwartung bewegt.
Die Fans hoffen natürlich auf die Europa League. Wie wichtig ist dieses Ziel für Sie und den Verein?
Unser Budget ist nicht abhängig von Europa. Wir wollen Borussia Mönchengladbach für die Zukunft entwickeln. Das heisst, ich muss auch ein Stück weit Luft und Zeit haben. Klar ist aber, dass wir an die grossen, sehr erfolgreichen Vereine heranrücken wollen. Mit intelligenten Transfers, die uns für Abgänge, die immer wieder kommen werden, entschädigen. Das dauert halt zwei, drei, vier Jahre.
So ein intelligenter Transfer könnte nun mit Yann Sommer vom FC Basel gelungen sein. Wie kommt es, dass dieser Torwart von der Borussia über fünf Jahren beobachtet wurde?
Wir haben Kerngebiete, in denen unsere Scouts bevorzugt unterwegs sind, und stellen Jahr für Jahr Listen mit den besten Optionen für einzelne Positionen auf. Es war bald klar, dass über kurz oder lang ein grosser Club kommen wird, um ter Stegen abzuwerben. Entsprechend früh haben wir den Torhüter-Markt gescannt. Dabei haben wir gesehen, dass Yann Sommer eine fantastische Entwicklung genommen hat.
Hat Jörg Stiel als Ex-Keeper der Borussia dabei eine aktive Rolle gespielt?
Nur insofern, als ich ihn gefragt habe, was er davon hält. Er hat uns aber nur bestätigt, was wir schon wussten – dass Yann nicht nur ein toller Torwart, sondern auch ein toller Mensch ist. Ich verpflichte ja nicht nur einen Fussballspieler, sondern auch einen Menschen mit seinem Charakter, seiner Seele und seinen Emotionen. Das ist nicht so einfach wie auf der Playstation.
Wie ter Stegen spielt Sommer aktiv mit und gebraucht dabei beide Füsse. Ist er in allem eine Kopie seines Vorgängers?
Gott sei Dank gibt es Unterschiede, denn ich halte nichts vom Klonen und Kopieren. Es sind beides Torhüter, die sehr gut Bälle halten, das ist das Allerwichtigste. Beide antizipieren das Spiel und wissen vorher, wo sie zu stehen haben, beide sind mit den Füssen sehr, sehr gut. Darüber hinaus hat Yann mit 25 Jahren schon einiges erlebt. Wir bekommen einen Führungsspieler, der uns aufgrund seiner Erfahrung weitere Qualität bringt.
Muss der FC Basel irgendwann zittern, wenn die Gladbacher anrufen? Nach den Transfers von Sommer und Granit Xhaka (2012) soll es Interesse an weiteren Spielern geben, wie man hört. Oder dürfen die Basler sich freuen, weil sie dadurch gut verdienen?
Das ist heute das normale Geschäft. Vor fünf Jahren hat keiner in Gladbach daran gedacht, Spieler des FC Basel mit einem grossen Marktwert verpflichten zu können. Wir haben durch die Transfers von Marco Reuss (2012 zu Dortmund, d.Red.) und jetzt ter Stegen jeweils die Möglichkeit, in Basel vorzusprechen. Dieser Verein fährt eine sehr geschickte und mutige Strategie. Sie finden immer wieder gute, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs oder aus der Ferne, so wie Mohamed Salah.
Wie gut können Sie da massvolle Ablösen verhandeln, wenn ganz Europa weiss, dass die Borussia gerade eine zweistellige Millionensumme für ter Stegen bekommen hat?
Natürlich sind die Argumente dann eingeschränkt. Trotzdem gilt es, einen gewissen Marktwert zu berücksichtigen. Die Verhandlungen sind relativ hart, aber immer fair gewesen. Wir haben in beiden Fällen einen Preis erzielt, der für unsere Verhältnisse sehr erwähnenswert ist, sich aber dennoch im Rahmen bewegt.